IHK-Präsident - Halbzeit

Henner Pasch ist seit etwas mehr als zwei Jahren IHK-Präsident. Zur Hälfte der Amtsperiode blickt er zurück, was bei den damals von ihm benannten Kernthemen passiert ist.

Herr Pasch, kurz nach Ihrer Wahl zum IHK-Präsidenten 2021 gab es das Hochwasser, im Februar 2022 hat Russland die Ukraine angegriffen und im August 2022 wurde die gesamte IHK digital attackiert – Corona gibt es auch noch. Welchen Einfluss hatten diese Ereignisse auf Ihre Amtszeit?

Es heißt, man wächst mit seinen Herausforderungen, aber ich bin ja schon zwei Meter fünf lang. Wie viel soll ich denn da noch wachsen können? (schmunzelt) Die Krisen haben natürlich die Amtszeit bis hierhin geprägt. Manchmal hätte ich mir sicherlich weniger davon und mehr schöne Momente gewünscht: Firmenjubiläen, Bestenehrungen, Gespräche mit Familienunternehmern oder Gründern. Dass es viele schöne Anlässe gibt in diesem Amt, darf man nicht vergessen. Aber ehrlicherweis glaube ich, dass wir vor den wirklichen Herausforderungen als Gesellschaft noch stehen. Ich sehe in Europa und bei uns ein gesellschaftliches Auseinanderdriften. Themen wie Energiewende, Dekarbonisierung, Eigentum und Vermögen bergen einen großen Sprengstoff für die Zukunft. Ich hoffe, als IHK-Präsident, die Firmen unterstützen zu können und etwas zur Beruhigung der Debatten beitragen zu können. Jeder kennt es doch aus seinem eigenen Unternehmen, insbesondere herausfordernde Entscheidungen müssen gut erklärt werden, damit sie auf Akzeptanz treffen. Das gelingt der Politik und häufig auch der Verwaltung aktuell viel zu selten.

Wie erleben Sie das Amt generell? Haben Sie sich das Präsident-sein so vorgestellt?

Es ist ein sehr schönes, aber herausforderndes Amt. Ich habe es mir nicht so vielfältig vorgestellt. Ich bin in den zwei Jahren mit so vielen Dingen in Berührung gekommen, an die ich vorher nicht gedacht hätte - auch aus meinem unternehmerischen Kontext heraus. Mich schreiben zum Beispiel Firmen aus der Oberflächenbeschichtung an und erklären mir, dass sie wegen neuen Vorgaben der EU in Schwierigkeiten kommen könnten, weil bestimmte Materialien verboten werden sollen. Dann lese ich mich ein, lasse mir Dossiers zusammenstellen, befasse mich mit der Materie. Das ist schön und interessant, aber daran musste ich mich gewöhnen.

Gerade mit Blick auf eine mögliche Energiekrise haben Sie den Kontakt nach Berlin gesucht und Minister Robert Habeck Umfrageergebnisse von bergischen Unternehmen mitgegeben. Welchen Einfluss hatte das auf die Entwicklung der Energiepolitik?

Ich glaube ja, der Einfluss des IHK-Netzwerks an sich hat die Politik in der Krise schon deutlich verändert. Was ich auf allen Ebenen sehe, ist dass wir als IHK-Organisation sehr wertgeschätzt und ernstgenommen werden. Im Gegensatz zu Lobbygruppen sind unsere Spitzenpositionen demokratisch gewählt und legitimiert. Mit dem Kammergesetz haben wir die klare Aufgabe, die differenzierten Meinungen der Mitgliedsunternehmen zu vertreten. Das wird in der Politik wahrgenommen und sorgt für den entsprechenden Einfluss. Peter Adrian, DIHK-Präsident, war mit Robert Habeck in der Gaspreiskommission und konnte mit anderen Stimmen aus den IHKs klarmachen, dass Energieverfügbarkeit und -preise entscheidend für die Wirtschaft sind. Das ist schön, weil so klar wird, dass sich der Einsatz und die Mühe auch lohnen.

Sie haben kurz nach Ihrer Wahl die Themen Dekarbonisierung, Fachkräftemangel und Digitalisierung als wichtigste Themen benannt. Was hat sich da getan – Thema Dekarbonisierung?

Beim Thema Dekarbonisierung hat sich in der Zeit viel getan. Heute ist vielen Unternehmen klar, dass der Carbon Footprint eines Produkts für Kunden ein Verkaufsargument ist. Das war vor zwei Jahren noch etwas anders. Da hat der Marktmechanismus gegriffen und das ist auch angekommen. Im Städtedreieck sehe ich das überall. Die Firmen geben alles und investieren. Vaillant aus Remscheid etwa ist fast komplett auf Wärmepumpen umgestiegen und investiert hunderte Millionen, ein eindrückliches Beispiel.

Was Fachkräfte angeht, können die Firmen ja nicht so einfach umstellen…

Beim Fachkräftemangel greifen auch Angebot und Nachfrage – aber das ist nicht hilfreich für die Firmen. Es gibt mehr offene Stellen als Bewerber. Junge Leute und Fachkräfte können auswählen. Für die Menschen ist es schön, für die Wirtschaft ist das ein Problem. Viele Unternehmen haben erkannt, dass sie sich bei den jungen Leuten und Fachkräften bewerben müssen. Tatsächlich hat das aber noch nicht alle erreicht. Viele wundern sich, dass sie mit dem Vorgehen von vor fünf oder zehn Jahren niemanden mehr zu einer Bewerbung bewegen können. Hier können wir als IHK konkrete Hilfestellungen geben und unsere Unternehmen weiter unterstützen.

Wie sehen Sie als IT-Unternehmer den Stand der Digitalisierung?

In der Digitalisierung ist noch viel zu tun und es ist bezeichnend, dass ausgerechnet Bundesmittel für die Digitalisierung gestrichen werden sollen, obwohl der Staat auf allen Ebenen, aber auch Institutionen, Organisationen und Unternehmen, in diesem Bereich in den Kinderschuhen stecken. Auch die IHK Organisation. Wir haben die Chance der Corona-Pandemie verpasst und die Digitalisierungsmaßnamen nicht konsequent aufgegriffen und weitergeführt. Dieses Land ist nach dem Ende der Pandemie wieder zurückgefallen. Klar, viele Unternehmen haben dazugelernt und setzen etwa auf Videokonferenzen statt auf Kurzstreckenflüge. In der Region hat ein großer Teil erkannt, dass etwas passieren muss. Bisher sind wir auf aber erst auf dem Stand, dass wir analoge Prozesse digitalisieren und das leider viel zu langsam und inhaltlich dann vielfach schlecht, siehe Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) Woran es fehlt, sind digitale Angebote und Geschäftsmodelle. Das wird wichtig werden, um den Wohlstand zu sichern.

Sie haben die Städte kritisiert, als die Ämter teilweise länger geschlossen hatten, Sie haben die baulichen Zustände in den Städten angesprochen oder auch die Geschwindigkeit der Abläufe in den Rathäusern. Trägt die Kritik Früchte?

Ich kritisiere erst einmal sehr ungern. Ich würde viel lieber loben. Die Kritik kommt eben aus Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern. Und ich höre deutlich: Es gibt leider Anlass zur Kritik. Die habe ich dann teilweise etwas überspitzt formuliert, aber viele aus den Verwaltungen und aus der Politik haben mir signalisiert, dass ich in der Sache recht habe. Die Erkenntnis ist also da, das sehe ich erstmal positiv. Und dass aus Kritik auch immer wieder etwas folgt, dass Probleme angegangen und gelöst werden, nehme ich als gutes Zeichen. In den Kommunen wird die Kritik nicht abgeblockt und abgetan. Das ist für mich ein Zeichen, dass viele Dinge noch richtig laufen.

Sie haben auch die Abläufe bei Personalentscheidungen der Städte kritisiert.

Es ist ein Problem, dass Spitzenpositionen in Verwaltungen gefühlt nach Parteibuch besetzt werden. Dass habe ich schonmal gesagt und viel Kritik dafür bekommen. Aber man hat mir in vielen Hintergrundgesprächen bestätigt, dass es so ist. Und das kann ich nicht akzeptieren. In der Wirtschaft würde das nicht passieren. Dieses System hat auch zur Folge, dass Entscheidungen in Verwaltungen auf verschiedenen Ebenen blockiert und bekämpft werden – je nachdem, wer welche Idee vorbringt und wer sie gegebenenfalls aus politischen Gründen nicht umsetzen möchte. Das ist schlecht für die Städte, die Bürger und die Wirtschaft und das muss sich ändern.

Wie hat sich die bergische Zusammenarbeit aus Ihrer Sicht entwickelt?

Als ich ins Amt kam, war die Zusammenarbeit weitgehend zerstört. Das lag auch an Problemen in der Stadtspitze Wuppertals zwischen Oberbürgermeister und Stadtdirektor. Das hat ein Jahr gedauert und jetzt haben wir wieder gute Möglichkeiten, die Beziehungen zu normalisieren und aufzubauen. Aber es braucht Zeit, um Wunden zu heilen. In den Verwaltungen und Rathäusern ist es angekommen, dass man zusammenarbeiten muss. Es ist etwa bedauerlich, dass die Buga nur für Wuppertal geplant wurde, aber es ist schön, dass sie mittlerweile doch als Bergische Buga wahrgenommen wird.

Sie haben noch gut zwei Jahre im Amt – haben Sie neue Ziele für diese Zeit?

Wir müssen gegen eine mögliche Deindustrialisierung anarbeiten. Das hängt vor allem am Thema Energie. Wir müssen Nachteile aus dem Energiepreis durch andere Vorteile ausgleichen. Daran müssen wir arbeiten, als Land, aber auch als Region.

Werden Sie sich zur Wiederwahl stellen?

Ich gehe davon aus, ja. Es gibt noch viel zu tun. Ich hoffe, dass die Unternehmer zufrieden sind mit mir und dass wir mit meinem und unserem Vorgehen Erfolg haben.

Das Gespräch führte Eike Rüdebusch.

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