Zuwanderung - Willkommenskultur verbessern

Internationale Fachkräfte gewinnen, binden und halten: Carmen Bartl-Zorn, Geschäftsführerin des Bereichs Aus- und Weiterbildung der Bergischen IHK, spricht über Wege und Herausforderungen.

Frau Bartl-Zorn, wie stehen Sie zum neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz?

Grundsätzlich: Auch mit der Änderung zugunsten einer beschleunigten Fachkräfteeinwanderung verzögert ein hoher Bürokratieaufwand die Prozesse. Positiv sehe ich die für NRW geschaffene Zentralstelle Fachkräfteeinwanderung (ZFE) in Köln. So etwas haben nicht alle Bundesländer. Sie hilft Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland noch ohne gesicherten Aufenthaltsstatus einstellen wollen, dabei, die notwendigen Unterlagen zu bündeln und ins entsprechende Ursprungsland zu geben. Das ist gut investiertes Geld. Leider ist man nicht davor gefeit, dass vor Ort zum Beispiel eine Unterschrift nicht anerkannt wird.

Wie unterstützt die IHK Unternehmen bei der Rekrutierung internationaler Fachkräfte?

Wir arbeiten eng mit der ZFE NRW zusammen und stimmen uns in jedem einzelnen Verfahren eng ab, soweit es uns möglich ist. Unsere Aufgabe besteht vor allem in der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, und dass zum Beispiel ausländische Jugendliche eine Ausbildung beginnen können. Außerdem beraten wir und knüpfen Kontakte zu Projekten wie Workstadt. Gerade für gut spezialisierte Fachkräfte, die mit Familie hier sind, ist das ein Anlaufpunkt, da Integration jenseits des Jobs in eine Gemeinschaft passiert. Denn es gilt, gewonnene internationale Fachkräfte auch zu halten. Am 1. Dezember veranstalten wir dazu ein Unternehmerfrühstück.

Wo sehen Sie weitere Herausforderungen?

Will ein Unternehmen eine internationale Fachkraft einstellen, weil diese im direkten Umgang ihre Qualifikationen beweist, sollten wir darauf hören. Natürlich darf das nicht zu fehl- oder ungesteuerter Zuwanderung führen. Dennoch müssen wir Bürokratie abbauen, das Antragsverfahren vereinfachen. Den richtigen Weg zu finden, ist schwierig. Zudem herrscht in den Ausländerbehörden ausgeprägter Fachkräftemangel. Er verstärkt den Fachkräftemangel in anderen Berufen. Hier suchen wir gerade mit den Ausländerbehörden Möglichkeiten, wie sich die Verfahren zum Aufenthaltsstatus für dringend benötigte Fachkräfte beschleunigen lassen. Darüber hinaus verlieren wir Qualifizierte an Länder mit weniger strengen Einwanderungsgesetzen. Je weniger Fachkräfte aber hierzulande arbeiten, desto weniger Aufträge können Unternehmen bearbeiten. Das führt zu einem Wohlstandsverlust.

Welche Lösungsansätze sehen Sie?

Wie bereits gesagt, das Ausländer- und Bleiberecht ist sehr kompliziert. Lösungen können wir nur gemeinsam mit den Ausländerbehörden, der ZFE und den Unternehmen finden. Daran arbeiten wir gerade. Zielführend wäre, dass die ausländischen Fachkräfte direkt eingesetzt werden können, um schnellstmöglich ins Arbeiten zu kommen. Zudem braucht Integration auch Wohnraum, Kinderbetreuung, Schule, Privat-, Sozial- und Freizeitumfeld. Verlassen die Menschen Deutschland wieder, weil die Möglichkeiten in einem anderem Land besser sind, fangen wir hier wieder von vorn an. Wir brauchen eine andere Willkommenskultur und müssen die Infrastruktur nachziehen.

Was raten Sie Unternehmen?

Netzwerkarbeit ist wichtig. Die Bereitschaft, sich für internationale Fachkräfte einzusetzen, ist ja bei vielen schon da. Diejenigen, die schon hier sind, müssen gut integriert werden, auch gesellschaftlich und kulturell. Das erfordert Geduld und Erfahrung. Dennoch: Ist die Fachkraft noch gar nicht hier, hemmt uns die Bürokratie. Meine Hoffnung: aus der Empirie der Gesetzmäßigkeiten lernen, dann seitens der Politik nachsteuern. Ohne gezielte Fachkräfteeinwanderung werden wir das rückläufige Beschäftigungspotenzial nicht auffangen. In den kommenden Jahren wird uns dies sehr beschäftigen. Es muss kreative Lösungen geben.

Das Gespräch führte Tonia Sorrentino.

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