- Grün und gut
Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Umweltschutz: Das Projekt ÖKOPROFIT stärkt Unternehmen im Bergischen Städtedreieck, die sich engagieren wollen.
Wer sich als Organisation für Klima und Umwelt stark machen will, hat viele Möglichkeiten – und muss sich gleichzeitig viele Fragen stellen: Was genau wollen wir tun und mit welchem Ergebnis? Können wir das auch tatsächlich auf lange Sicht leisten? Was lohnt sich langfristig, wie gehen wir das an, was passiert auf dem Weg zum Ziel? In manch einer Organisation mag diese zunächst unspezifische Ausgangssituation schon ein Anlass sein, vielleicht lieber doch nicht aktiv zu werden. Womöglich wird viel Zeit mit der Betrachtung verschiedener Szenarien verbracht, was wichtige Ressourcen blockieren kann. Immerhin bindet der Arbeitsalltag in der Regel schon den Großteil der Kapazitäten. Um den Einstieg in die facettenreiche Thematik zu erleichtern, entstand das Projekt ÖKOPROFIT.
Im Vordergrund des einjährigen Beratungsangebots steht das Ziel, Unternehmen und Einrichtungen ökonomisch wie auch ökologisch stärker zu machen und ihnen Hilfestellung bei der Etablierung eines nachhaltigen, effizienten Umweltmanagementsystems zu geben. Dazu gehören ein thematischer Einstieg in CO2-Bilanzierung, Orientierung zu Fördermöglichkeiten sowie Identifikation von rechtlichen Anforderungen und Unterstützung mit Blick auf die Umsetzung. Die Tatsache, dass gezielte Maßnahmen in der jeweiligen Organisation etabliert werden, entlastet nicht nur die Umwelt, sondern reduziert meist auch Kosten. Schon knapp 170 Betriebe aus Remscheid, Solingen und Wuppertal aller Größenklassen und Branchen haben das Programm bisher durchlaufen. In der Jahresrunde 2019/2020 allein sparten die Teilnehmenden zusammen rund 890.000 Kilowattstunden Energie ein und vermieden 1.900 Tonnen CO2 sowie 15 Tonnen Restmüll. Sehr viele Verbesserungsmaßnahmen entstehen im Austausch der Projektteilnehmenden, die überwiegend in Workshops ihre Ideen und Ergebnisse präsentieren.
Jürgen Altmann, seit 22 Jahren bei der Wuppertaler Wirtschaftsförderung tätig, ist einer der lokalen Ansprechpartner für das bundesweite Projekt, das im Bergischen Städtedreieck 2001 ausgerollt wurde. Seit 15 Jahren begleitet er Unternehmen, die sich in diesem Kontext aufstellen wollen, sich aber bisher nicht näher mit Nachhaltigkeit beschäftigt haben. „Sie erhalten einen sehr guten Mehrwert – das sage ich aus Überzeugung.“ Ganz bewusst habe das einjährige Programm zwei inhaltliche Schwerpunkte: „Der eine ist die Ökologie, der andere ist der Profit.“ Denn natürlich seien Unternehmen auch intrinsisch getrieben. Doch das Bild habe sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Zwar seien profitables Arbeiten und Gewinnmaximierung nach wie vor ein Bestreben, aber Ökologie und Nachhaltigkeit stünden vermehrt im Vordergrund. „Das heißt nicht, dass die Investitionen beliebig würden. Aber die Wertigkeit hat sich verschoben.“ Dies sei unter anderem darin begründet, dass sich Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels im Wettbewerb attraktiver aufstellen müssen. „Bewerber bevorzugen Arbeitgeber, die nachhaltig sind.“
Die Wirtschaftsförderung begleitet das Gemeinschafsprojekt für die drei Städte über eine Lenkgruppe. Zum Netzwerk gehören die Umweltämter vor Ort, die Wirtschaftsförderungen und die gemeinnützige Neue Effizienz gGmbH, in der wiederum Stadtwerke, Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal Institut für Klima, Energie, Umwelt sowie kommunale und regionale Wirtschaftsförderungseinrichtungen zusammengeschlossen sind. Finanziert wird ÖKOPROFIT mit Mitteln des NRW-Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz sowie der Kommunen, außerdem der Wirtschaftsförderungen vor Ort. Hinzu kommt ein Eigenanteil der teilnehmenden Unternehmen, gestaffelt nach deren Betriebsgröße.
Im Gegensatz zu ISO-Zertifizierungen, mit denen man auf Wunsch durchaus tiefer in die Thematik einsteigen könne, zeichne sich ÖKOPROFIT dadurch aus, dass es gelebt werde. „Man muss nicht nur Formalia erfüllen und nachweisen, sondern wirklich aktiv werden“, schildert Altmann. Manche Unternehmen lobten interne Wettbewerbe aus, um Potenziale aus dem Kreis der Mitarbeitenden zu identifizieren. Daraus entstünden teils sehr praxisnahe Maßnahmen. „Zum Beispiel kann eine Person, die täglich an einer Maschine arbeitet, besser beurteilen, ob zum Beispiel mehr oder weniger Licht, Druckluft oder ähnliches benötigt wird als ein Vorgesetzter, der sein Büro vielleicht einige Etagen über dem Geschehen“, sagt er. In der Regel bildeten sich im Rahmen von ÖKOPROFIT Umweltteams von zwei bis drei Personen, welche die beschlossenen Maßnahmen im Betrieb umsetzten. Deren Zusammensetzung ist Altmann zufolge sehr individuell: „Die Geschäftsführung kann dabei sein, muss aber nicht. Es kann auch durchaus sinnvoll sein, Auszubildende hinzuzuholen. Sie haben noch einmal einen anderen Blickwinkel.“ So stelle man unter Umständen sicher, dass unterschiedliche Sichtweisen und Faktoren berücksichtigt würden.
Die Betriebe selbst sind mit ihrer Belegschaft die Protagonisten in jeder neuen Projektrunde, die jährlich für maximal 15 Unternehmen offen ist. Der Erfolg hängt maßgeblich vom Engagement der Mitarbeitenden ab. Diese wiederum können mit ihrem Einsatz auch wichtige Multiplikatoren sein und etwa Umweltschutzmaßnahmen aus dem Betrieb in ihren Alltag jenseits der Arbeitsstelle tragen, wie Altmann berichtet. „Indem sie den ÖKOPROFIT-Gedanken auch in private Haushalte bringen, generieren sie einen zusätzlichen Mehrwert.“ Die Projektteilnehmenden seien sowohl in ihrer wirtschaftlichen Ausrichtung als auch in der Anzahl der Mitarbeitenden stets bunt gemischt: produzierende Unternehmen, Dienstleister, Handwerksbetriebe, soziale Einrichtungen. „Von der kleinen Wäscherei bis zum Großversicherer ist alles dabei. In acht themenbezogenen Workshops, die zwischen einem dreiviertel und einem ganzen Tag dauern, lernen sie sich kennen. Darin wird in einer Gruppe von 40 bis 50 Leuten zu relevanten Themen referiert, und die Menschen tauschen sich konkret untereinander aus.“
Das sei wichtig, so Altmann, um gegenseitig von Erfolgen in der Umsetzung und Erfahrung anderer zu profitieren. Organisiert werden die Workshops in der Regel bei je einem teilnehmenden Betrieb vor Ort, meist ist eine Betriebsbegehung Bestandteil davon. Altmann steht mit den Teilnehmenden in engem Kontakt, stellt sicher, dass die wichtigen Themen abgedeckt sind und die Abläufe den Erwartungen entsprechen. Einer der spannendsten Aspekte seien die immer wieder kreativen und guten Ergebnisse. „Außerdem macht es Spaß“, sagt Altmann. Eine spezialisierte Agentur führt in den teilnehmenden Betrieben zudem Beratertage durch. Auch daraus ergäben sich in der Regel weitere Einsparpotenziale „Das sind teils ganz banale Dinge wie brennendes Licht. Die Offenheit gegenüber externen Experten muss sein, sonst kann man auch schon mal betriebsblind werden.“
Auch wenn die Teilnahme an ÖKOPROFIT den Unternehmen viele Vorteile bringt und im Austausch viele Perspektiven und Umsetzungsideen entstehen, müssen sie sich mit dem gebotenen Engagement einsetzen. Dazu gehöre, Analysen zu erstellen und dafür beispielsweise Messstellen einzurichten. „Das sind schon richtig viele Hausaufgaben. Nur, wenn die gut gemacht werden, bekommen die Betriebe auch vernünftige Ergebnisse, können ihre Erkenntnisse ableiten und Verbesserungen umsetzen.“ Aber es lohne sich, denn schon ein einfacher Input könne deutliche Veränderungen anstoßen. Bei einem Abfallwirtschaftsdienstleister etwa führte die Erkenntnis, dass Lastkraftwagen vor Fahrtantritt heute nicht mehr warmlaufen müssten, zu konkreten Einsparungen. „Von kurz- bis langfristigen Erfolgen ist alles möglich, die Maßnahmen reichen von der Zeitschaltuhr beim Untertischgerät bis hin zu einer gebäudeenergetischen Sanierung“, so Altmann. Ganz wichtig sei die Datenerfassung: Wann wird welche Leistung konkret benötigt, etwa in Spitzenauslastung? Daraus könne die Erkenntnis resultieren, dass zehn Maschinen vielleicht gar nicht gleichzeitig, sondern ein paar Minuten nacheinander gestartet werden könnten – so werde der Peak gesenkt.
Eine der bisher originellsten Maßnahmen – dafür hatten die Projektverantwortlichen in der Vergangenheit einen Wettbewerb veranstaltet – stammte von einem Unternehmen, das im Arbeitsalltag zahlreiche Gabelstapler einsetzte. In Begleitung eines Ingenieurbüros wurde unter anderem analysiert, wie die Dieselverbräuche verringert werden könnten. „Fragen waren zum Beispiel, welche Maximaldrehzahl zum Bewegen der Tonnagen notwendig ist, oder wie die optimale Gasstellung sein muss“, berichtet Altmann. „Am Ende wurde eine kleine Schraube unter jedes Gaspedal geschweißt.“ Das Ergebnis: signifikant gesunkener Kraftstoffeinsatz, drastisch verringertes Unfallrisiko. Altmann: „Es lohnt sich, jedes Detail zu hinterfragen.“ Bei einigen Unternehmen habe das Programm schon zu weiteren Öko-Zertifizierungen geführt, einige davon wiederum hätten sich bereits rezertifizieren lassen. „Es ist ein lebendes Projekt“, sagt Altmann. „Man geht immer wieder mit wachen Augen durch den Betrieb – und findet immer wieder Lösungen.“
Auch für die kommenden Jahre hoffen die Netzwerkteilnehmenden, weitere interessierte und engagierte Organisationen für ÖKOPROFIT gewinnen zu können. An der diesjährigen ÖKOPROFIT-Runde nehmen neben Betrieben aus Remscheid, Solingen und Wuppertal auch erstmals zwei Unternehmen aus Radevormwald teil: als Hospitanten, welche die Erfahrungen dann in die eigene Region tragen. „So weiten wir das Programm auf den Oberbergischen Kreis aus“, sagt Altmann. Das Projekt verdiene es, in die Breite getragen zu werden. Die Kostenbeteiligung sei überschaubar, der Schritt in die Thematik hingegen enorm relevant. „Das Konzept bringt Umweltschutz mit ökonomischen und sozialen Anliegen zusammen. Das ist eine wichtige Voraussetzung für zukunftsfähiges, nachhaltiges Wirtschaften und neben Umwelt und Klima auch im Interesse unserer Wirtschaftsregion. Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit.“