Generation Z - Meinung und Fakten
Felicia Ullrich ist Fachfrau für Azubi-Marketing und -Recruiting. Jährlich verlegt sie mit Prof. Christoph Beck die Studie „Azubi-Recruiting Trends“, die bundesweite Aufmerksamkeit erfährt.
Wie kam es zu Ihren Tätigkeiten und Arbeitsschwerpunkten?
Nach meiner Banklehre und einem BWL-Studium habe ich bei einem namhaften Getränkehersteller gearbeitet und gelernt, wie gutes, pures Marketing funktioniert. 1997, zum 100-jährigen Bestehen, bin ich in den familieneigenen Verlag U-Form in Solingen gewechselt und realisierte in dieser Zeit, dass Demografie für den Arbeits- und Ausbildungsmarkt ein Problem wird. Die Anwerbung von Auszubildenden benötigt nicht nur ein gutes Marketing, sondern auch eine Eignungsdiagnostik, um geeignete Bewerber zu finden. Das erfordert die stete Entwicklung neuer Ideen, was dem Design Thinking entspricht.
Was macht Ihre Studie zu den „Azubi-Recruiting Trends 2023“ aus?
„Without data it‘s just an opinion.“ In Bewerbungsprozessen gelten mehr individuelle Glaubenssätze als wissenschaftliche Kriterien. Wir verfolgen mit der Studie den Ansatz, sowohl künftige Auszubildende als auch Ausbildungsverantwortliche zu befragen und aufzuzeigen, wo es Differenzen gibt. Dies ist eine fundierte Grundlage, um gegenüber Verantwortlichen für Veränderungen zu argumentieren.
Für die Generation Z, die zwischen 1996 und 2010 geboren ist, stehe – so die Klischees – die Arbeit nicht mehr im Mittelpunkt. Sie sei bequem und will einen sinnstiftenden Job. Was hat Ihre Studie dazu ergeben?
Menschen sind zufriedener, wenn sie mit ihrer Tätigkeit einen Sinn verfolgen. Sie möchten aber nicht Quartalsergebnissen hinterherjagen, sondern Probleme lösen. Wir haben in der Studie abgefragt, aus welcher Generation die Teilnehmer kommen. Die meisten Jugendlichen gehören der Gen Z an, ansonsten sind die Generationen Y und X und wenige Boomer vertreten. Die Babyboomer sind zwischen 1946 und 1964 geboren, die Menschen der Generation X zwischen 1965 und 1979, und die der Generation Y zwischen 1980 und 1995 ... Wir haben festgestellt, dass Y und X viel höhere Ansprüche an die Arbeit haben und großen Wert auf ein freies Wochenende, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice legen – anders als die Gen Z. Diese will aber nicht mehr gestresst und ausgebrannt durch die Arbeit sein, wie sie es oft durch ihre Eltern vermittelt bekommen. Zur Kritik an der Gen Z gehört auch, dass diese unselbstständig sei. Doch wer fährt sie zur Schule oder zum Sport? Wenn wir der Gen Z Verantwortung geben, wird sie diese annehmen.
Was müssen Unternehmen tun, um junge Menschen zu begeistern?
Sie müssen Botschaften senden, die die Probleme der Zielgruppe adressieren. Diese hat etwa große Angst, sich für den falschen Beruf zu entscheiden. Woher sollen sie etwa den Unterschied zwischen Präzisionswerkzeugmechaniker, Anlagenmechaniker oder Mechatroniker wissen? Wir müssen junge Menschen erleben lassen, wozu schon ein „Schnuppertag“ reicht. Darüber hinaus braucht es eine offene Kommunikation, etwa beim Gehalt, der Arbeitszeit und der Familienfreundlichkeit. Das Hinterfragen der (Ausbildungs-)Strukturen ist zentral. Hier hilft es, die eigenen Auszubildenden anzusprechen. Die Überarbeitung von Prozessen ist ebenfalls notwendig: Was nützt ein toller Promo-Stand, wenn Interessenten entweder nicht aktiv angesprochen werden oder wochenlang auf Antworten warten müssen? Warum kann eine Bewerbung nicht so einfach sein wie eine Online-Bestellung? Portale sind häufig auf die Arbeitgeber, jedoch nicht für die Bewerber ausgerichtet. Eine Studie eines großen Jobportals hat ergeben, dass Unternehmen das digitale Recruitment in puncto Ausbildung völlig vernachlässigen, obwohl hier die Fachkräfte der Zukunft geschaffen werden.
Wie unterstützen Sie Unternehmen bei der Suche nach geeigneten Auszubildenden?
Neben der Studie laden wir zu kostenlosen Webinaren ein, etwa zum Onboarding oder zum Recruiting-Prozess. Auch bieten wir Inhalte über unsere Medien sowie einfache, digitale Tools, u. a. wissenschaftlich fundierte Einstellungstests oder ein Ausbildungsmanagement-System an. Weiter unterstützen wir Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten – von der Anwerbung bis zur erfolgreichen Ausbildung. Dabei fehlt es in Betrieben schon am Essenziellen: Auszubildende brauchen regelmäßig – gutes – Feedback, sonst kündigen sie.
Industrie 4.0, Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz: Welchen Stellenwert haben derlei Zukunftsthemen in der Ausbildung und wie werden diese von Auszubildenden und Betrieben bewertet?
Das Thema Künstliche Intelligenz haben wir in unserer Studie 2016 behandelt und werden dieses 2024 erneut aufgreifen. Die grundsätzliche Einstellung gegenüber K.I. ist, dass ihr Einsatz, etwa bei der Verarbeitung von großen Datenmengen, entlastend und somit als für die Arbeit bereichernd angesehen wird. Gleichzeitig braucht es weiterhin einen Menschen. So lehnen die Befragten etwa die bloße Kommunikation mit Chatbots sowie automatisierte Bewerbungsprozesse ab. Was in der gesamten Ausbildungsdebatte absolut vernachlässigt wird, sind die Berufsschulen und die Ausgestaltung der dualen Ausbildung. Auszubildende wollen nicht weit fahren, da dies den Verlust von Lebenszeit bedeutet. Doch selbst, wenn sie ihre Arbeitsstätte direkt um die Ecke haben, müssen sie lange Wege zur Berufsschule hinnehmen. Hier fehlt es etwa an hybriden Schulmodellen, was zugleich bedeuten würde, dass die Berufskollegs besser ausgestattet werden müssen. Das können Unternehmen, unabhängig davon, wie modern sie aufgestellt sind, nicht beeinflussen, was zu einer großen Diskrepanz zwischen Ausbildungsbetrieb und Berufsschule führen kann. Die Qualität letzterer wird neben der Ausstattung stark vom Engagement des Kollegiums bestimmt. Hier müssen wir dringend digitaler werden.
Das Gespräch führte Martin Wosnitza.