Umgang mit Mehrwertsteuer - Gastronomie im Umbruch
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer bereitet den Gastronomen Existenzsorgen, ergab eine Blitz-Umfrage der Bergischen IHK. Isabel Hausmann, stellvertretende Geschäftsführerin der Dehoga Nordrhein, macht aber auch Mut.
Die Einschätzung der Gastronomen im Bergischen ist mehr als düster. Können Sie die Sorgen teilen?
Natürlich! Ich bin nicht überrascht. Corona stellte eine Herausforderung dar, doch sie ist nichts gegen die jetzige Situation. Die Ersparnisse sind geschrumpft. Und jetzt kommen zwölf Prozent auf Speisen im Haus noch on top.
Welche Auswirkungen erwarten Sie?
Die Gastronomen haben erhebliche Bedenken, weil sie nicht wissen, wie sie die Preissteigerungen bewerkstelligen sollen. Lebensmittel, Strom – alles ist teurer geworden. Hinzu kommt, dass der Mindestlohn wieder angehoben wurde, die Tariflöhne werden im Sommer steigen. Das ist kaum stemmbar. Diskussionen wird es zum Beispiel bei Hochzeitsfeiern geben, die im letzten Jahr vereinbart wurden und nun „nachbesteuert“ werden müssen.
Was meinen Sie, wie sich die Gäste verhalten werden?
Vielleicht wird sich die Frequenz der Restaurant-Besuche verringern. Vielleicht bestellen die Gäste ein Bier weniger oder verzichten auf die Vorspeise. Grundsätzlich erzählen Gastronomen, dass die Gäste ungeduldiger werden, manche können nicht verstehen, dass ein Biergarten halb gesperrt ist.
Gibt es eine Lösung?
Die Gastronomie muss umdenken, vielleicht öffnet sie an einem Tag gar nicht oder erst später. Der Gast kann sich überlegen, ob er das Angebot dennoch annimmt. Es ist wichtig, einen reservierten Tisch rechtzeitig zu stornieren oder die geringere Personenanzahl anzugeben, denn der Gastronom kann sich diese ausfallenden Kosten nicht mehr leisten. Die Gäste sollten ein Bewusstsein für seine Situation haben.
Es gibt aber auch positive Ansätze – in Elberfeld werden auf der Herzogstraße die vielen Gastronomiebetriebe gut besucht!
Es stimmt, die Cafés sind voll. Wir müssen aber beachten, dass es sich hier oft um Ketten handelt und nicht um inhabergeführte Restaurants. Die Frage ist auch, ob die Gäste wirklich so viel verzehren, dass am Ende die Rechnung stimmt.
In der IHK-Umfrage gaben 71 Prozent der Betriebe der Fachkräftemangel als größtes Problem an. Wie sehen Sie das?
Eigentlich ist es gar nicht nur ein Fachkräfte-Mangel, sondern ein Mangel an Mitarbeitenden. Zu wenig Personal wiederum kann die Qualität mindern; der Gast muss zum Beispiel zu lange auf das Essen warten. Die Gastwirte müssen sich auch entscheiden, ob sie eine Veranstaltung zulasten des á-la-Carte annehmen.
Warum ist das so schwer?
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: In einem Restaurant arbeiten drei Schüler als Aushilfen. An einem Abend werden sie zu einer Party eingeladen. Alle drei gehen hin. Viele Menschen haben mehrere Teilzeitjobs – auch da geht ein Verantwortungsbewusstsein fürs Unternehmen verloren. Der Gastronom hat aber wenig Möglichkeiten zu reagieren; wenn er Mitarbeitende verärgert, kommen sie nicht wieder. Ein weiterer Grund ist, dass wir uns durch unsere Bürokratie viele Steine in den Weg legen.
Können Sie das konkretisieren?
80 Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine sind in den Niederlanden bereits in Arbeit, in Deutschland sind es lediglich 20 Prozent. Warum? Es dauert einfach zu lange, bis Auflagen erfüllt werden. Andere Länder sind da schneller. Bestes Beispiel: In Solingen wohnt ein Geflüchteter, der täglich nach Viersen zur Arbeit fährt. Er könnte ganz einfach umziehen, um sich diesen Weg zu sparen, aber er erhält nun seit einigen Wochen die entsprechende Genehmigung nicht.
Das Jahr fängt gerade an. Machen Sie uns Mut!
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Gastronomen im Bergischen taff genug sind, mit dieser Krise zurechtzukommen, Viele haben schon Ideen für neue Konzepte.
Sie gehen in diesem Jahr in den Ruhestand. Wer wird Ihre Nachfolgerin?
Ich arbeite bis Ende Februar. Dann übernimmt Isa Fiedler, jahrelang Sprecherin der Düsseldorfer Altstadtwirte. Ich bleibe der Dehoga noch im Prüfungsausschuss treu. Und im Übrigen freue ich mich sehr auf die Zeit mit meinen Enkelkindern.
Text: Eva Rüther