Win-Win-Situation - Unterschiede mit Potenzial

Phil Derichs vom Gründer- und Technologiezentrum Solingen sieht viele Anknüpfungspunkte für Kooperationen von Start-ups und Mittelstand. Er weiß aber auch, wo die Fallstricke liegen.

Herr Derichs, innovative Neugründung und traditionsreicher Mittelstand – wie gut passt das zusammen?

Natürlich fragt man sich zunächst, wie zwei solch unterschiedliche Ansätze zusammenpassen. Doch sie stehen sich nicht im Weg, im Gegenteil. Die Unterschiede bieten enorm viel Potenzial, um „das Alte“ auf eine neue Art und Weise zu machen. Neugründungen können von den Erfahrungen des traditionsreichen Mittelstands profitieren. Zugleich kann der Mittelstand von den innovativen Ansätzen der Start-ups lernen. Der Horizont wird jeweils erweitert und das mit positiven Folgen für einen wirtschaftlichen Wandel. Die Kooperationen, die aus einem Zusammenspiel entstehen, können zeigen, wie unsere moderne Wirtschaft tickt: Man erschafft neue innovative Produkte, die auf traditionellen Werten basieren.

Soweit die Theorie. Aber nimmt die Zusammenarbeit von Start-ups und etablierten Unternehmen in unserer Region tatsächlich zu?

Die Zusammenarbeit ist definitiv vorhanden. Viele neue Projekte, beispielsweise in Solingen, sind auf diese Weise erst entstanden. So haben wir ein Start-up, das ein innovatives Messer produziert hat – in Kooperation mit Traditionsunternehmen aus Solingen. Aber auch in Remscheid und Wuppertal gibt es zahlreiche Kooperationen dieser Art. Und ich hoffe natürlich auf eine positive Entwicklung, also eine deutliche Zunahme bereits in naher Zukunft. Innerhalb unserer Projekte haben wir dafür verschiedene Anknüpfungspunkte für Mittelstand und Start-up-Szene aufgebaut.

Wo sehen Sie denn die interessantesten Anknüpfungspunkte?

An zahlreichen Stellen. Gerade in Anbetracht der unterschiedlichen Generationen auf dem Arbeitsmarkt müssen Unternehmen umdenken und offen für neue Strukturen sein. Ein Beispiel hierfür ist das Thema E-Sport, das wir gemeinsam mit jungen Firmen in etablierte Unternehmen tragen wollen. Ganz konkret geht es hier um HR-Themen wie Employer Branding, Recruiting oder Teambuilding. Ein weiterer guter Anknüpfungspunkt sind neue Herangehensweisen an Problemstellungen mit hochmodernen Technologien. Die Bandbreite reicht von Röntgentechnologien zur zerstörungsfreien Bauteilanalyse bis hin zu KI-unterstützten Frühwarnsystemen für Umweltkatastrophen.

Eine Win-Win-Situation ist der Idealfall – aber lässt sich dieser bei einer Kooperation immer erreichen?

Einer der wichtigsten Faktoren bei Kooperationen bleibt weiterhin der Mensch. Stimmt hier das Miteinander und die Kommunikation nicht, können vielversprechende Projekte schnell scheitern. Gleiches gilt für die Erwartungshaltung. Ein innovatives Produkt oder eine Dienstleistung bedeutet nicht die Lösung aller Probleme in kürzester Zeit. Vielmehr sollte man sich innerhalb von Kooperationen darauf fokussieren, gemeinsam Lösungen weiterzuentwickeln und dabei beide Herangehensweisen gleichermaßen zu berücksichtigen. Es muss ein gemeinsames Tempo gefunden werden. Das geht nur mit klarer, offener Kommunikation. Eine Win-Win-Situation bedeutet am Ende auch harte Arbeit.

Wo liegen die größten Hürden bei einer solchen Zusammenarbeit?

Auch hier gibt es zahlreiche Aspekte. Exemplarisch würde ich das Thema Finanzierung nennen. Und die Implementierung der Start-up-Lösung in das bestehende System des Unternehmens. Technische Hürden lassen sich meist über gute Kommunikation, enge Zusammenarbeit und gemeinsame Planung überwinden. Grundsätzlich gilt: Hürden zu überwinden, ist quasi das Alltagsgeschäft junger, innovativer Unternehmen.

Was meinen Sie: Wird die Kooperation von Mittelstand und Start-ups im Bergischen in fünf bis zehn Jahren Standard sein?

Das lässt sich schwer prognostizieren – vor allem in unsicheren Zeiten. Klar scheint mir, dass die Entwicklung der Zusammenarbeit eng mit der Entwicklung der Technologien verknüpft ist. Schaut man sich an, was KI heute im Vergleich zum letzten Jahr leisten kann, ist das schon bemerkenswert. Wichtig ist, dass sich Start-ups frühstmöglich mit dem Mittelstand und seinen Herausforderungen auseinandersetzen. Sie sollten die bestehenden Bühnen nutzen und ins Netzwerken kommen. Bei den etablierten Firmen muss die Offenheit gegenüber Neuem weiter wachsen. Wenn dies geschieht, bin ich zuversichtlich, dass wir in der Zukunft sehr oft von starken Kooperationen zwischen Start-ups und Mittelstand in der Region hören und lesen werden.

Das Gespräch führte Daniel Boss.

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