Handarbeit - Werkzeugkoffer fürs Leben

Der heutige Ein-Mann-Betrieb Werkzeugtaschen Sterzing in Remscheid feiert 2024 sein 75-jähriges Bestehen. Firmenchef Jürgen Sterzing setzt auf hohe Qualität und Handarbeit.

Der typische Geruch von Leim und Leder wie in einer Schusterei liegt beim Betreten der Werkstatt in der Luft. Aber auf den 75 Quadratmetern an der Ringelstraße in Lennep repariert der 70-jährige Jürgen Sterzing keine Schuhe, sondern fertigt robuste Werkzeug- und Messtaschen.Werkzeughersteller, aber auch Schornsteinfeger, ein Reifenhersteller, der TÜV Rheinland, Evonik und Verkehrsbetriebe gehören zu seinem Kundenstamm. „Weil mein Betrieb klein ist und ich nah am Kunden bin, kann ich auch Sonderanfertigungen oder kleine Stückzahlen anbieten. Das machen die großen Hersteller nicht“, sagt der Firmeninhaber zur Überlebensstrategie in der hart umkämpften Branche.

Außerdem sei die hohe Qualität seiner Produkte das große Plus. „Das ist alles reine Handarbeit“, sagt der gebürtige Wuppertaler und deutet auf einen schwarzen Koffer. Der lässt sich auf beiden Seiten aufklappen, entfaltet so sein Innenleben mit Reihen von Einstecktaschen unterschiedlicher Größen für Schraubendreher, Zangen, Schlüssel, Feilen oder was der Handwerker sonst noch gut und sicher verstauen muss. Solch ein Koffer schafft Ordnung und Übersicht. Das schätzen auch Techniker, die teure Messgeräte zu Außenterminen mitnehmen. Mit allen Gerätschaften gefüllt, wiegen die Taschen gut 20 Kilo und mehr. „Eine Werkzeugtasche muss viel aushalten“, sagt der Unternehmer. Für Schwergewichte werden Böden aus Stahlblech verwendet. Der Großteil der zugekauften Einzelteile wie Schlösser, Aluminiumprofile und Eisenschienen für die Außenkanten der Koffer stammen aus deutscher Produktion. Zu vielen Lieferanten pflege die Firma Sterzing jahrelange Geschäftsbeziehungen. „Wird der Koffer gut gepflegt, hält er ein Leben lang“, versichert Jürgen Sterzing. Treten dennoch durch Dauerbeanspruchung Schäden auf, biete er einen Reparaturservice an.

Wie aus den Puzzleteilen fertige Produkte werden, lässt sich anhand der Utensilien und Werkzeuge in der Werkstatt erahnen. Manches erinnert an eine Schneiderei. Statt Schnittmuster und Scheren kommen hier jedoch Schablonen und Ledermesser zum Einsatz, um die Lederfelle passend zuzuschneiden. Die Zuschnitte versieht Jürgen Sterzing mit Markierungen für Nieten und Schlösser. Auf der alten Adler-Ledernähmaschine seines Vaters näht er die Einzelteile zusammen. Auch die Presse, auf der Leder und Pappen mit Leim zusammengefügt werden, ist ein antikes, aber funktionstüchtiges Schätzchen. Das Know-how der Herstellung hat ihm sein Vater, der Firmengründer, vermittelt. 1949 machte sich Harry Sterzing als gelernter Sattler und Täschner selbstständig und stellte zunächst Schulranzen her. Auf Anfrage von Handwerkern fertigte er kurz darauf Taschen für Werkzeuge. Es war der Beginn der Erfolgsgeschichte der Firma Sterzing, die zeitweise ein halbes Dutzend Angestellte hatte. „Mein Vater war gut vernetzt, gewann neue Kunden über Mundpropaganda und war in ganz Deutschland unterwegs.“ Wie einen Schatz hütet er das Büchlein des Vaters mit handschriftlichen Notizen, in denen Formeln für Zuschnitte und anderes Fachwissen stecken. In der Firma angestellt zu werden, lehnte Sterzing stets ab, aber er half hin und wieder beim Vater aus. Nach seiner Lehre zum Groß- und Einzelhandelskaufmann bei der Firma F.C. Tillmanns, arbeitete er bei der Firma Karl Kämmerling. Erst viel später, als der Chef aus Altersgründen Ende 1999 aufhörte, übernahm der Junior doch die Firma. Mittlerweile ist es ein Ein-Mann-Betrieb, nur die Buchhaltung werde extern erledigt. Trotz großer Nachfrage stelle er nie Koffer auf Vorrat her, nur nach Auftragseingang. In zwei Jahren wolle er sich zur Ruhe setzen. Einen Nachfolger habe er bisher nicht gefunden.

Text: Sólveig Pudelski

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