Religion - Ankommen über den Tod hinaus
In Wuppertal soll ein Projekt mit Vorbildcharakter entstehen. Ein muslimischer Friedhof direkt neben einem christlichen und einem jüdischen. Das Projekt ist ins Stocken geraten, aber von großer Bedeutung.
Das Gelände ist wild bewachsen, es liegt Bauschutt auf einem Haufen, abgesperrt ist es mit einem Bauzaun. Dass hier an der Wuppertaler Krummacherstraße ein Projekt mit deutschlandweiter Strahlkraft entstehen soll, erschließt sich dem Besucher nicht auf den ersten Blick. Aber, so die Hoffnung, in diesem Jahr soll es fertig werden. Nach langem Warten.
Warten darf man hier in zweifacher Hinsicht verstehen. Einerseits langfristig. Denn seit Jahrzehnten leben viele Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland, in Wuppertal und dem Städtedreieck – aktuell gehen Schätzungen etwa von rund 40.000 Menschen in Wuppertal oder rund 18.500 in Solingen aus. Während aber die Frage der Integration und des Zusammenlebens an Sprache, Arbeit, Bildung oder Beteiligung gemessen wird, ist die Frage nach der letzten Ruhestätte und einem Ort der Trauer für eingewanderte oder hier geborene Muslime und deren Angehörige bis heute vielfach nicht oder spärlich behandelt worden.
Um das zu ändern haben sich 2008/2009 zehn muslimische Gemeinden zusammengefunden, erklärt Samir Bouaissa, Vorsitzender des muslimischen Friedhofsträgervereins, der aus dem Treffen hervorgegangen ist. Er heißt Muslimische Friedhöfe Wuppertal e. V. Der Verein habe sich dafür eingesetzt, das Friedhofsgesetz in NRW ändern zu lassen und anschließend ein Stück Friedhofserwartungsland gekauft. Das sei 2015 gewesen. Damals hat das Projekt des Drei-Religionen-Friedhofs weltweit Aufmerksamkeit erregt. Seitdem – hier das andererseits, das Kurzfristige – warten die Wuppertaler auf die Entstehung des Projekts.
In Wuppertal gibt es bisher 230 Gräber für Muslime. In Ronsdorf. Dort ist das Grabfeld aber seit 2019 voll belegt. In Solingen gibt es Grabfelder für Muslime auf dem Waldfriedhof in Ohligs und auf dem Parkfriedhof in Gräfrath. Die Kapazitäten wurden und werden erweitert. Seit den 2000ern steige die Zahl der muslimischen Bestattungen, inzwischen geht die Stadt von rund 80 im Jahr aus – auf beiden Friedhöfen. In Remscheid gibt es auf dem Parkfriedhof Bliedinghausen etwa 200 Grabflächen – 160 davon sind belegt, Reserveflächen sind vorhanden, aber bis heute würden die meisten Menschen in die „alte Heimat“ überführt, so die Stadt Remscheid.
Dieses Vorgehen ist nicht ungewöhnlich: „Die erste Generation der Eingewanderten wurde regelmäßig in die ‚alte Heimat‘ überführt nach dem Tod“, so Bouaissa. Teilweise passiere das bis heute. „Deswegen war und ist der Bedarf bis heute gering.“ Mit einem größeren Angebot und einem eigenen Gelände soll sich das ändern, so die Erwartung. Bouaissa sagt, es gebe keinen Ort der Trauer, der nah am Lebensmittelpunkt liege. Das wolle man ändern.
„2019/20 waren wir mit der Planung fertig“, erklärt Mohamed Abodahab, der im Beirat des Vereins aktiv ist und das Projekt von Beginn an begleitet hat. Das Gelände mit 19.000 Quadratmetern soll rund 1.000 Gräber bekommen. Dazu soll es eine Halle für das Totengebet geben und einen Platz der Begegnung, auf dem alle drei Friedhöfe und Religionen. Dann sind 2021 Erdfälle aufgetreten, die sich im Sommer 2023 verstärkt haben. So berichtet es die Stadt Wuppertal. „Wir haben das untersuchen lassen – mit Geo-Radartechnik wurde geprüft, ob das Gelände unterirdische Hohlräume hat“, so Abodahab. Für das Vorhaben wäre das eine Katastrophe gewesen. Letztlich habe sich herausgestellt, dass der Bach auf dem Gelände die Erdfälle verursacht habe, daher sei der Wupperverband jetzt auf der Suche nach einer Lösung. „Zur Zeit wird seitens des Wupperverbandes die Anlage eines Hochwasserschutzbeckens und eines Schluckbrunnens geprüft“, so die Stadt. Das sorge aktuell für Verzögerungen.
Abodahab und Bouaissa hoffen, dass 2024 eine Lösung gefunden wird und der erste Bauabschnitt beginnen kann. Bis dato fehlt aber noch Geld – da die bisherigen Spenden in die Untersuchung gesteckt werden mussten. Der Rat der Stadt hat 2023 auf Antrag von SPD, CDU und FDP eine Förderung von 200.000 Euro beschlossen und unterstützt das Vorhaben. Der Verein geht aber von Gesamtkosten von etwa einer Million Euro aus. Tendenz steigend – da Baukosten durchgehend ansteigen. „Die Verzögerungen halten die Menschen vom Spenden ab, die fehlenden Spenden sorgen für Verzögerungen“, beschreibt Abodahab das Dilemma. „Wir sind aber dennoch zuversichtlich, 2024 mit dem Bau zu beginnen und das Projekt zu verwirklichen. Gerade jetzt, in Zeiten des Krieges in Israel und dem Gazastreifen, ist doch ein gemeinsames Zeichen der Religionsgemeinschaften besonders wichtig“, so Abodahab.
Text: Eike Rüdebusch