Unternehmerinnen - Mehr Sichtbarkeit

Wie lässt sich das Gründerinnen-Ökosystem verbessern? Ein Gespräch mit Prof. Christine Volkmann, Inhaberin des UNESCO-Lehrstuhls für Entrepreneurship und interkulturelles Management der Bergischen Universität Wuppertal.

Frau Prof. Volkmann, wie beurteilen Sie die Entwicklung weiblicher Unternehmensgründungen in den vergangenen Jahren?

Frauen begegnen im Gründungsprozess immer noch strukturellen Barrieren. Dazu zählen Netz-werke, um einen Zugang zu Kapital oder Unterstützung zu erhalten. Dabei ist das Start-up-Ökosystem nach wie vor von Geschlechterstereotypen und männlichen Rollenbildern geprägt. Dies ist vor allem auf Basis gesellschaftlicher Normen historisch gewachsen. In einer Studie von Andres et al. beispielsweise wurden von 13 Eigenschaften einer Gründungspersönlichkeit neun Männern zugeordnet: etwa Kompetenz, Weitblick und Flexibilität sowie Erfolg. Gründerinnen werden hingegen nur vier Eigenschaften zugeschrieben, darunter Kreativität, Organisationsfä-higkeit und guter Umgang mit Mitarbeitenden. Die Konsequenz sind unbewusste, auf Frauen projizierte Stigmata. Sie führen dazu, dass Gründerinnen das Start-up-Ökosystem schlechter bewerten als Gründer.

Eine Barriere sind fehlende Netzwerke. Welche Rolle spielt in diesem Kontext das Projekt Wo-men Entrepreneurs in Science, das Sie als Initiatorin leiten?

WES wird von der „Exzellenz Start-up Center.NRW“-Initiative des NRW-Ministeriums für Wirt-schaft, Industrie, Klimaschutz und Energie gefördert. Seit Ende 2020 etablieren wir ein Netzwerk für Gründerinnen und gründungsinteressierte Frauen der NRW-Hochschulen, um Austausch un-ter ihnen zu fördern. Mehr als 30 Hochschulen haben sich dem Netzwerk angeschlossen, und seitdem haben mehr als 1.200 gründungsinteressierte Frauen die Angebote genutzt. Ein Bei-spiel ist das Mentorinnenprogramm, in dem erfahrene Unternehmerinnen angehende Gründe-rinnen unterstützen.

Steht WES damit in Konkurrenz zu Startercentern?

Nein. Wir bauen Kompetenzen auf, um Ausgründungen aus Hochschulen zu fördern und lang-fristig Interessen von Gründerinnen besser zu berücksichtigen. Dazu veranstalten wir unter an-derem Workshops und den jährlichen Gründerinnen-Summit. Pitch-Trainings unterstützen dabei, sich methodisch zu präsentieren, etwa zwecks Kundenakquise oder Zugang zu Finanzierungs-möglichkeiten. Das Stipendium „EXIST-Women“ zum Beispiel richtet sich gezielt an gründungs-interessierte und -affine Frauen aus dem wissenschaftlichen Umfeld. Mit WES wollen wir nah-bare weibliche Vorbilder schaffen, die Karriereoption der Gründung sichtbarer machen und Inf-rastruktur in den Start-up-Ökosystemen bieten.

Welche Chancen bergen mehr Gründerinnen für Wirtschaft und Gesellschaft?

Diversität ist wichtig. Frauen bringen häufig eine andere Perspektive mit, treiben andere Inno-vationen an als Männer und können Abläufe in Unternehmensprozessen verändern. Gemischte Teams sind Studien zufolge sogar erfolgreicher als reine Männer- oder Frauenteams. Betriebs- wie auch volkswirtschaftlich sind Frauen für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft und Sicherung unseres Wohlstandes unverzichtbar geworden. Überall fehlen Arbeits- und Fachkräfte, auch bei Gründungen. Es ist eine noch zu wenig genutzte Chance, gut ausgebildete Frauen in den unternehmerischen Prozess zu integrieren.

Was braucht es dafür noch?

In unserer Studie „Gründen und Nachfolgen durch Frauen in NRW“ sind Wünsche und Bedarfe der befragten Gründerinnen aufgeführt. Dazu zählen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf: zum Beispiel flexible Kinderbetreuung, deren Absetzbarkeit von der Einkommensteuer sowie Änderungen bei Elternzeit und Mutterschutz. Die Care-Arbeit für alte und kranke Menschen muss gewährleistet sein. Das ist eine große Herausforderung. Die Probandinnen der Studie wünschen sich zudem mehr Sichtbarkeit. In Schulen und Hochschulen sind unternehmerische Bildungsprogramme von Bedeutung, die aufzeigen, dass Gründen eine Option für Frauen ist. Mit Blick auf den Gender-Bias sind weibliche Vorbildfunktionen wichtig. Darüber hinaus halten die Gründerinnen Austauschmöglichkeiten und Netzwerke sowie Mentorinnen für wesentlich.

Das Gespräch führte Tonia Sorrentino

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