Tanztheater Pina Bausch - Tanz öffnet die Welt

Boris Charmatz hat im August 2022 die Leitung des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch übernommen. Seitdem hat der Tänzer, Choreograph und Intendant die Aufgabe, mit eigenen Ideen das Erbe von Pina Bausch zusammen mit dem Ensemble zu bewahren.

Wie beschreiben Sie selbst Ihren Beruf?

Ich bin Tänzer, Choreograph und Intendant des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch Gemeinsam mit meiner französischen Struktur Terrain entwickele ich ein neues deutsch-französisches künstlerisches Projekt zur Weiterentwicklung der choreographischen Arbeit sowie des Repertoires von Pina Bausch.

Wie sind Sie zum Tanz gekommen?

Ich tanze, seitdem ich sieben Jahre alt bin. Meine Eltern waren immer politisch und kulturell engagiert und haben Wert darauf gelegt, dass mein Bruder und ich im Bereich der Musik und des Sports aktiv sind. So hat mein Bruder neben dem Tanz gerne Handball gespielt. Ich ging in den Tischtennis-Verein und habe das Instrument Geige erlernt. Ich war ein eher schweigsames Kind; durch den Tanz konnte ich mich ausdrücken. Der Tanz hat mich schon als Kind fasziniert.

Warum?

Die Menschen wissen, was es bedeutet, wenn jemand Geige spielt. Sie wissen aber nicht, was es bedeutet zu tanzen: Warum tanzen die Menschen überhaupt? Welcher Tanzstil ist gemeint? Hip-Hop? Ballett? Das war für mich fantastisch.

Was bedeutet Ihnen Tanz?

Für mich steht der Tanz für eine offene Welt. Tanz ist körperlich, schafft aber auch einen mentalen Raum. Eigentlich tanzen wir den ganzen Tag – mit unserem Handy, bei der Partnersuche - wir sind immer in Bewegung. Tanzen kann jeder, unabhängig von Alter und der körperlichen Konstitution – es gibt keine Grenzen. Für mich ist der Tanz eine wunderbare Sprache.

Wann haben Sie zum ersten Mal von Pina Bausch erfahren?

Meine Familie war und ist sehr an Politik und Kultur interessiert. Schon als Kind habe ich Videos von Aufführungen von Pina Bausch gesehen. Mit 17 habe ich in Paris zum ersten Mal `Nelken’ und `Macbeth` erlebt und empfand die Stücke als große Herausforderung.

Hat Sie dieser Tanzstil sofort angesprochen?

Ich liebe Avantgarde; Ballett war nie mein Ding. Ich bekam Lust, meine eigenen Performances zu entwickeln. Nach meiner Ausbildung zunächst an der Ballettschule der Opéra national de Paris, habe ich 1993 `À bras-le-corps´ mit Dimitri Chamblas kreiert.

Wie kam der Kontakt zum Tanztheater Pina Bausch zustande?

Eine Findungskommission kam auf mich zu und wollte mich als Choreograf für die Intendanz des Tanztheaters Wuppertal gewinnen. Ich habe ja von 2009 bis 2018 das Musée de la danse, Centre chorégraphique national de Rennes et de Bretagne geleitet. Mit meiner Familie lebte ich zu dem Zeitpunkt in Brüssel. Deshalb habe ich zunächst abgelehnt. Dann habe ich aber so wunderbare Gespräche mit vielen Menschen aus der Kultur und Politik geführt, die mir gezeigt haben, wieviel Energie hier vorhanden ist. Sie haben großes Interesse daran, das Erbe von Pina Bausch künftig weiterzuentwickeln, sodass ich nicht mehr ablehnen konnte und wollte. Natürlich war und ist es eine Herausforderung: mich um ihre Stücke kümmern, das Erbe lebendig erhalten und gleichzeitig mit meiner eigenen Kunst verbinden. Das schaffe ich mit einer wunderbaren Company.

Wie schaffen Sie es, die Geschichte und Zukunft zu verbinden?

Nehmen wir `Nelken`: Pina hat ihre Geschichte, aber ich habe auch meine Geschichte. Sie hat immer experimentelle Stücke gemacht, die ich nun mit anderen Tänzerinnen und Tänzern und wunderbaren, neuen Probenleitenden aus dem Ensemble neu einstudiere. Allein die neuen Besetzungen und jüngeren Mitglieder der Company verändern ja ein Stück. Die Welt ist multikultureller geworden und hat sich geändert. Das hat Einfluss auf ein Stück. Wichtig ist mir auch, dass ich als Tänzer involviert bin und selbst immer wieder tanze.

Sie tanzen mit dem Tanztheater auch auf Straßen. Warum?

Ich mag einfach das Risiko; es könnte regnen und windig sein. Nach der Eröffnung des Manchester International Festival mit einer choreographischen Arbeit für 150 Amateur- und Profitänzerinnen auf einer Straße der Stadt, haben wir in Wuppertal mit 182 Tänzerinnen und Tänzern die Sonnborner Straße in Bewegung gebracht. Es war fantastisch. Teilgenommen haben auch hier Laien, Studierende – tanzen können nicht nur Profis. Der öffentliche Stadtraum, die Verbindung zur Erde und Natur sind für mich wichtig und einzigartig.

Was gefällt Ihnen besonders am Bergischen?

Ich mag, dass die Stadt in Bewegung ist – die Schwebebahn, die Züge, der Tanz, die großen Straßen, die Wupper – alles ist im Fluss und hat so viel Energie. Und ich mag auch das Publikum sehr. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen hier sehr hungrig nach Kultur sind.

Welchen Geheimtipp haben Sie fürs Bergische?

Lesen Sie im Park, im Skulpturenpark Waldfrieden von Tony Cragg, das Gedicht `Mein Tanzlied` von Else Lasker-Schüler. Trinken Sie dabei einen Kaffee und lernen Sie das Gedicht auswendig. Sie werden das Erlebnis nie vergessen.

Text: Eva Rüther

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