Leuchtturm-Projekt im Schauspiel Wuppertal - Gelebte Inklusion

Im Inklusiven Schauspielstudio am Schauspiel Wuppertal werden Menschen mit Behinderung professionell qualifiziert. Eine vergleichbare Ausbildung gibt es sonst nirgends – sie birgt die Chance auf Engagements auf Bühnen und im TV.

Der Arbeitsmarkt ist hart. Das hat Schauspielintendant Thomas Braus in jungen Jahren auch selbst erfahren müssen. Nicht nur aufgrund dieser eigenen Erfahrungen ist ihm der Respekt vor jedem Menschen so wichtig: „Wir sind genauso gut, wie wir sind, und wir sollten andere nicht ständig bewerten.“

Als Thomas Braus vor sechs Jahren aus dem Ensemble heraus zum Intendanten gewählt wurde, machte er es sich zu einem Hauptziel seiner künstlerischen Arbeit, einen Querschnitt der Gesellschaft abzubilden, denn: „Dazu ist das Theater schließlich da. Es ist ein Ort der Begegnung und immer auch ein Spiegel der Gesellschaft. Menschen mit Behinderung gehören genauso zu unserer Gesellschaft. Sie haben wunderbare, eigene Begabungen. All unsere Körper erzählen Geschichten und haben eine großartige Individualität. Deshalb hielt und halte ich es für ungerecht, dass sie keine professionelle Ausbildung in unserem Bereich machen konnten.“

Aus diesem Gedanken ist schließlich das Inklusive Schauspielstudio entstanden. Durch die Kooperation des Schauspiels Wuppertal mit dem inklusiven Verein „Glanzstoff“, Akademie der inklusiven Künste, und die finanzielle Förderung durch das Land NRW, wurde das Projekt in der Spielzeit 2019/2020 realisiert. Auch für das aktuelle Jahr ist die Finanzierung erneut gesichert. Nach nun ungefähr fünf Jahren Praxis im Inklusiven Schauspielstudio werden einige der Studiomitglieder bei der ZAV-Künstlervermittlung vorsprechen und können dort die offizielle Bühnenreife erlangen.

Die Ausbildung ist kostenfrei und findet täglich statt – Schauspielunterricht, Monologarbeit, Bewegungsunterricht, Stimmbildung und Sprecherziehung – all das wird von den Lehrenden trainiert. Die NRW-Fördermittel machen den Unterricht für fünf Personen möglich, die auch heute konzentriert im Bewegungsunterricht agieren: Aline Blum, Flora Li, Nora Krohm, Tim Alberti und Marvin Löffler, der extra für die Ausbildung aus Bayern nach Wuppertal gezogen ist. „Es gibt keine vergleichbare Schauspiel-Ausbildung für Menschen mit Behinderung“, weiß Timon Figge, Organisationsleiter des Inklusiven Schauspielstudios. „Das Besondere hier ist auch, dass wir nicht zwei getrennte Ensembles haben. Wir wachsen zu einem Theaterbetrieb zusammen. Die Mitglieder stehen regelmäßig bei Produktionen des Schauspiels Wuppertal mit dem Ensemble auf der Bühne.“

Tim Alberti erklärt, dass er nicht unter Lampenfieber leide, sondern: „Ich mache mir Sorgen, dass ich den Text vergesse.“ Er ist nur ein Beispiel dafür, dass sich die professionelle Ausbildung lohnt, denn er hat unter anderem für die ARD-Serie „Rote Rosen“ bereits in 26 Folgen mitgespielt; weitere werden gedreht. Alberti hat schon als Kind die Liebe zum Theater entdeckt und lebt sie nun am inklusiven Schauspielstudio aus. Wie viel ihm das bedeutet, erklärt er am Beispiel einer verpassten Probe: „Als ich krank war und nicht an der Probe teilnehmen konnte, musste ich weinen.“

„Die Menschen wachsen in dieser Ausbildung, sie werden selbstständig – und das müssen sie, wenn sie auf einem harten Arbeitsmarkt bestehen wollen“, sagt Timon Figge weiter. „Das Studio ist ein großartiges Projekt, und wir wünschen uns sehr, dass es sich zu einer festen Konstanten entwickelt.“ Und vielleicht auch von anderen Theatern wahrgenommen wird, denn genau das ist ja gelebte Inklusion. Tim Alberti unterstreicht das: „Ich bin so stolz, wenn das Publikum begeistert applaudiert. Das ist einfach mein Traum.“

Text: Eva Rüther

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