Stadtmarketing - Feste als Standortfaktor

Große Events, fette Claims – wenn gefühlt die halbe Stadt auf den Beinen ist und feiert, profitiert dann auch die Unternehmerschaft?

„SG/650“ sieht man in Solingen nicht nur auf O-Bussen, sondern auch auf dem Veranstaltungskalender und auf vielen Plakaten und Broschüren. Das Stadtjubiläum steht im Fokus vieler diesjähriger Aktivitäten in der Stadt und ist überall präsent. „Wir wollen die Gemeinschaft der Stadt in den Fokus rücken“, betont Oberbürgermeister Tim Kurzbach.

Das Programm sieht sowohl Stadtteilfeste als auch ein großes, dreitägiges „Festival der Vielfalt“ Ende August in der Solinger City vor. All das steht unter dem Motto „SG/meinsam erleben“ (sprich: Es gemeinsam erleben). Denn das Stadtjubiläum, so die Aussage des Solinger Stadtmarketings, soll Gelegenheit geben, das Verbindende hervorzuheben und sowohl auf die Vergangenheit als auch in die Zukunft zu schauen. Solingen, das stehe sowohl für ein „schneidiges Erbe“, sprich: eine traditionelle Schneidwarenproduktion, als auch für Innovation und Moderne.

Lutz Peters, Abteilungsleiter des Teams Kommunikation und Stadtmarketing im Büro des Oberbürgermeisters, sieht es als „Aufgabe des Stadtmarketings, die Stadt als Marke sichtbar zu machen“. In diesem Sinne wurde für das Stadtjubiläum eine eigene Dachmarke kreiert. Sowohl lokale Agenturen als auch solche aus der Region stellten ihre Ideen dafür vor, die der Merscheider Agentur Creativum überzeugten am Ende.

Der Fokus bei allen Aktivitäten, erklärt Tim Müller, Leiter des Solinger Stadtmarketings, liege auf den Bürgern und Bürgerinnen: „Wir wollen sie zu Botschaftern und Botschafterinnen der eigenen Stadt machen.“ Denn nur, wer sich mit seiner Stadt identifiziere, könne auch andere für Solingen gewinnen. Tim Müller: „All diejenigen, die wir involvieren können bei unseren Maßnahmen, zeigen ja auch, dass sie gern in Solingen sind und sich hier wohlfühlen. In letzter Konsequenz bedeutet das, dass sie hier vor Ort einkaufen und an diesen Standort glauben.“ Und so profitiere auch die lokale Wirtschaft von den Aktivitäten des Stadtmarketings.

„Auch durch das große Engagement in den Stadtteilen fließt Geld in die Kassen all jener, die vor Ort aktiv sind, sei es mit eigenen Ständen im Rahmen eines Festes oder mit ihrer Gastronomie und ihrem Geschäft“, so Tim Müller. Plakatiert werde vor allem in den Nachbarstädten, um auch Interessierte aus der Region nach Solingen zu bringen. „Wenn die Unternehmer und Unternehmerinnen sehen, dass wir von Seiten der Stadt etwas bewegen, steigt ja auch deren Engagement. Das ist dann im besten Fall ein Wechselspiel“, erklärt der Leiter des Solinger Stadtmarketings.

Zum „Festival der Vielfalt“ werden rund 70.000 Besucher und Besucherinnen erwartet und Solingen-Mitte zur großen Festmeile vom Neumarkt bis zum Mühlenplatz. „Wir setzen auf ein Programm, das sowohl herausragende Musik- als auch Theater- und Kabarett-Acts vorsieht“, erläutert Tim Müller. So werden die Bergischen Symphoniker zusammen mit dem aus Solingen stammenden DJ Topic auf einer der drei Bühnen stehen, der aus der Show „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ bekannte Musiker Gregor Meyle, aber auch in Solingen beliebte Bands wie „Jan & Jascha“, „Suprafon“ und „See You“. Ebenfalls mit dabei: Akrobaten, Comedians, Clowns, Gaukler, Stelzenläufer, Brass-Bands und Solinger Schülertheatergruppen. Die Organisation des Festes hat weitgehend der „Initiativkreis Solingen e.V.“ übernommen.

Der digitale Hub für all das ist die Website „solingen650.de“. Sichtbar wird das Stadtjubiläum aber auch in Form von Flaggen, auf den rund 25 digitalen Stelen im Stadtgebiet sowie durch Merchandising-Artikel, die in den Bürgerbüros erhältlich sind. In Kooperation mit dem Textilunternehmen Wijld, seit 2015 am Markt, seit Kurzem im „Change Campus“ in Solingen-Stöcken beheimatet, werden Hoodies und T-Shirts hergestellt. Tim Müller: „Diese Textilien aus Holzfasern sind nachhaltig und fair gefertigt.“ Auch mit dem Solinger Traditionsunternehmen Güde, bekannt für höchste Manufakturqualität, konnte eine Kooperation realisiert werden, so Lutz Peters: „Die mit dem Logo SG/650 auf der Klinge versehenen Universalmesser mit blauem Griff sind sowohl im Güde-Onlineshop als auch in den Bürgerbüros und auf den Festen erhältlich.“

Er weist darauf hin, dass das Stadtjubiläum ohne die großzügigen Spenden, vor allem von der Stadt-Sparkasse Solingen, den Stadtwerken, Fourtexx, Walbusch, Kubikom und KondorWessels sehr viel bescheidener hätte ausfallen müssen. Gewünscht hätte er sich durchaus noch mehr Unterstützung aus der Solinger Wirtschaft für SG650: „Diese Unternehmen, die mitmachen, zeigen, dass sie Verantwortung für unsere Stadt übernehmen. Und das ist vorbildlich.“

Frank Balkenhol, Geschäftsführer der Solinger Wirtschaftsförderung, sieht zwar durchaus die Tragweite eines solchen Festjahres, verweist aber darauf, dass die Klingenstadt selbst ja eine Marke und „Made in Solingen“ ein einzigartiges Qualitätsversprechen sei, von dem alle Firmen auch über das Jubiläumsjahr hinaus profitierten: „Würde man heute versuchen, solch eine weltweit bekannte Marke aufzubauen, müsste man viele Millionen Euro in die Hand nehmen. Dieser USP, der unsere Stadt auszeichnet, der für die Leistungsbereitschaft und das Engagement vor allem der ansässigen Schneidwarenindustrie steht, ist ein Benefit, der von Generationen aufgebaut wurde und den es gilt, kontinuierlich weiterzuentwickeln.“ Die Aktivitäten zum 650-jährigen Stadtjubiläum seien in diesem Sinne ein wichtiger Meilenstein, ein guter Erinnerungsmoment.

Am 29. Juni wird in Wuppertal wieder der „Lange Tisch“ aufgebaut, wie immer auf der B7, dieses Jahr auf einer drei Kilometer langen Strecke zwischen dem Berufskolleg Haspel und dem Alten Markt in Barmen. 1989 fand das Event das erste Mal statt, damals aus Anlass des 60. Geburtstages der Stadt, seither alle fünf Jahre. Das Stadtmarketing organisiert diese besondere Art, den Stadtgeburtstag zu feiern, und sorgt im Zusammenspiel mit Hunderten Mitmachenden und Unterstützern dafür, dass ein Teil der Talachse zur Festmeile wird. Martin Bang, Geschäftsführer der Wuppertal Marketing GmbH, freut sich vor allem deshalb auf die Veranstaltung, weil „das ein Fest ist für alle, mit allen, von allen“. Vom Sportverein über die Religionsgemeinschaft bis hin zur Kita sind alle vertreten. Wichtig ist ihm vor allem, dass Wuppertal Marketing zwar alle Stränge zusammenführt, die vielen ehrenamtlich Engagierten aber diejenigen sind, die das Programm am Ende gestalten.

Schon das erste, große Geburtstagsfest 1989 hatte das Ziel, die lebens- und liebenswerten Seiten Wuppertals zu präsentieren. „An diese Tradition knüpfen wir an, auch wenn der ‚lange Tisch‘ heute eher symbolisch gemeint ist. Denn es ist zwar so, dass Nachbarschaften ihre Tische und Bänke auf die Straße stellen, aber es ist nicht wie einstmals ein 14 Kilometer langer Tisch. Das geht schon allein rechtlich nicht mehr. Die Besucher und Besucherinnen, die die Meile entlanggehen, erleben auf zwölf Bühnen und an mehr als 200 Ständen die enorme Vielfalt der Stadt und die große Bandbreite all dessen, was Menschen hier bei uns in der Stadt auf die Beine stellen.“

Engagiert sind dabei sowohl Wuppertaler Bürger und Bürgerinnen als auch Vereine und Unternehmen. „Ich wünsche mir, dass der Lange Tisch 2024 wieder ein fantastisches Fest wird mit ausgelassener, fröhlicher und friedlicher Stimmung. Wenn das Wetter mitspielt, rechnen wir mit rund 250.000 Besuchern. Denn tatsächlich findet das Fest ja bewusst von 16 bis 4 Uhr morgens statt, um allen Zielgruppen gerecht zu werden.“ Das Format, so sagt er, funktioniere. Neu seien unter anderem 300 Stellplätze für Räder am Rande der Festmeile und auch der Einsatz eines Awareness-Teams, erklärt Martin Bang. Das Team besteht aus rund zwölf Personen, die sich unter anderem darum kümmern, dass sich niemand unwohl fühlt, und mögliche Konflikte durch Gespräche regeln.

20 Wuppertaler Unternehmen engagieren sich im Rahmen des Langen Tisches als Sponsoren und Partner und tragen die Fixkosten. „Dieses Engagement ist gelebte Solidarität mit dem Standort, das aus meiner Sicht auch positiv in Richtung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wirkt. Das ist Zusammenhalt-bildend und für mich auch der größte Wert dieses Festes – dass am Ende wirklich alle davon profitieren“, sagt Bang.

Auch Melanie Henke von der Wirtschaftsförderung Wuppertal sieht einen großen Benefit für ansässige Unternehmen: „Die Teilnahme an Formaten wie dem Langen Tisch bietet ihnen die Chance, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren, niederschwellig mit der Stadtgemeinschaft in Kontakt zu kommen, die eigene Bekanntheit zu steigern und Beziehungen aufzubauen. Eine derart starke lokale Präsenz kann sich positiv auf das Employer Branding und die Gewinnung junger Nachwuchstalente aus dem räumlichen Umfeld auswirken.“ Sie meint, dass das große Engagement in Wuppertal ansässiger Unternehmen auch darin begründet sei, dass es sehr viele traditionsreiche Familienunternehmen in Wuppertal gibt, die bereits in dritter oder vierter Generation geführt werden. „Sie haben oft eine starke Bindung zu ihrem Unternehmensstandort, der für sie gleichzeitig Heimatstadt ist. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer sind engagiert, um der Stadt etwas zurückzugeben. Und letztlich profitieren die Firmen, wenn Wuppertal als lebenswerte Stadt wahrgenommen wird: Wo etwas los ist, wo man etwas erleben kann und wo die Gemeinschaft funktioniert“, so Henke.

Auch Remscheid feiert 2024, wenn auch eher dezentral und im kleineren Rahmen. Sascha Hilverkus, Abteilungsleiter Stadtmarketing, erläutert, dass einige gut etablierte Formate nach Corona noch nicht wieder angelaufen seien, sich mit den Feierabendmärkten aber eine neue Veranstaltungsreihe in Lennep erfolgreich etabliert habe: „In diesem Jahr werden diese Märkte mit deutlich mehr Ausstellern und auch in anderen Stadtteilen stattfinden.“

Grundsätzlich sieht er das Stadtmarketing als „weichen Standortfaktor, der an Bedeutung zugenommen“ habe. „Aus diesem Grund arbeiten wir eng mit unserer Wirtschaftsförderung zusammen, um Remscheid auch als Wohnort attraktiv, lebens- und liebenswert zu halten“, so Sascha Hilverkus. „Unser Ziel ist es, damit indirekt die Unternehmen zu unterstützen, die ja mehrheitlich auf der Suche nach Mitarbeitenden sind. Eine ansprechende und vielfältige Veranstaltungsszene, die positive und auch touristische Vermarktung der vielen schönen Seiten und vielfältigen Gastronomieangebote unserer Stadt können dabei nur helfen. Ein gutes Beispiel ist etwa das Remscheider Unternehmen ‚Team Gastronomie‘, das im vergangenen Jahr den ‚Bergischen Zukunftspreis‘ gewonnen hat.“

„Events sind definitiv ein großer Frequenzbringer für unsere Stadt, die jedes Unternehmen für sich nutzen kann“, sagt Sascha Hilverkus. „Das beginnt bei den ansässigen Händlern und Dienstleistern, der Gastronomie und Hotellerie, die von den zahlreichen Besuchern profitieren können, indem sie sich besondere Aktionen ausdenken, bis hin zu Sponsoring-Möglichkeiten.“ Dass sich dies auch im Umsatz der Unternehmen positiv niederschlage, würde ihm durch das Feedback aus dem Einzelhandel bestätigt. „Ein guter Indikator dafür sind das Allee-Center und Teile unserer Haupteinkaufsstraße, der Alleestraße. Sobald dort Events stattfinden, steigt meist der Umsatz, zumindest der Bekanntheitsgrad, so dass neue Kunden Tage oder Wochen später die Geschäfte besuchen, auf die sie während eines Events erst aufmerksam wurden.“ Er verweist auf die Bedeutung von verkaufsoffenen Sonntagen: „An diesen Tagen herrscht laut zahlreicher Einzelhändler eine besonders entspannte Einkaufsstimmung, die sich auch in höheren Umsätzen widerspiegelt.“

Text: Liane Rapp

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