- Gut gemacht
Tisch & Bett ist Vergangenheit. Über 44 Jahre lang lockte der Laden Liebhaber schöner Dinge ins Viertel. Catherine Tillmanns hat damit abgeschlossen. Genau wie geplant.
„So was Schönes gab es damals.“ Wenn Catherine Tillmanns über das Luisenviertel spricht, kommt sie ins Schwärmen. Geschichte um Geschichte scheint sich in ihrem Gedächtnis über die Jahre angesammelt zu haben. Man hat den Eindruck, sie erinnert sich an jeden Namen und alle damit verknüpften Erlebnisse. Zum Beispiel an den Bäcker Kruse in der Luisenstraße, der in Tillmanns Erinnerung nicht ganz so gut wegkommt. „Das Einzige, was man bei Kruse kaufen konnte, waren die Süßigkeiten“, sagt die 60-Jährige und lacht. Sie erinnert sich an den Laden von Sonja Velten, der Eltern mit hochwertiger Mode für den Nachwuchs ins Viertel lockte. An das Modegeschäft von Anna Tykwer, der Mutter des berühmten Filmregisseurs und Drehbuchautors Tom Tykwer. Catherine Tillmanns kannte sie alle. Und ihrer Erinnerung bleibt bis heute lebendig.
Zu unserem Gespräch im Café Frebert’s hat Tillmanns eine gut erhaltene Broschüre aus dem Jahr 1978 mitgebracht. Darin zahlreiche Geschäfte, die längst Geschichte sind. Auf der ersten Seite wird das belebte Viertel im Herzen Elberfelds wie folgt beschrieben: „In den kleinen Straßen, Hinterhöfen und Plätzen wird gearbeitet, gehandelt, gespielt, gekauft und verkauft, wird gelebt.“ Und weiter heißt es, hier treffe man „Leute, mit denen man reden kann.“ Catherine Tillmanns gehört eindeutig zu diesen Leuten. Und sie hat mit allen geredet, die in ihr Geschäft kamen. Die meisten waren ohnehin Stammgäste.
24 Jahre lang hat sie gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Iris Pintzke den Laden „Tisch & Bett“ in der Friedrich-Ebert-Straße geführt. Gegründet wurde er 1980 von ihrer Mutter Aurelie Tillmanns und Doris Albermann, die beide ebenso gut im Viertel vernetzt waren. Catherine Tillmanns erinnert sich: „Wolf Erlbruch hat damals die Einladungskarte zur Jubiläumsfeier gestaltet.“
Heute ist das kleine Ladenlokal mit dem großen Schaufenster kaum wiederzuerkennen. Wo vor Kurzem noch bunte Kissen, Tischdecken, Tassen, Teller und exklusive Bettwäsche das vorbeiziehende Publikum erfreuten, versperrt jetzt braunes Packpapier den Blick ins Innere. Innendrin werkelt der Vermieter höchstpersönlich. Catherine Tillmanns hält große Stücke auf den Mann mit den vom Schutt verstaubten Händen: „Es war immer ein Geben und Nehmen. Wir hatten sehr viel Glück mit unserem Vermieter.“ Dementsprechend vertraut wirken die beiden beim kurzen Besuch auf der Baustelle.
Catherine Tillmanns und Iris Pintzke haben abgeschlossen, haben sich von ihrem Geschäft und allen Stammkunden, den Zulieferern, den Nachbarn und anderen Wegbegleitern persönlich verabschiedet. Es gab eine kleine intime Abschiedsfeier im Laden. „Ein sauberer Abgang“, wie Catherine Tillmanns sagt. Kein Nachfolger, kein Kampf ums Überleben. Und vor allem keine Sorge um das eigene Erbe. Genauso hatten es sich die beiden gewünscht. In Zukunft soll es im ehemaligen Tisch & Bett vor allem Kaffee und Kuchen geben. Ein neues Café wird in die Räume ziehen.
Ein sauberer Abgang, das bedeutet auch ein Abschied von liebgewonnenen Ritualen zu bestimmten Jahreszeiten. „Wir haben ganz bewusst das allerletzte Mal die Osterdeko im Laden gemacht oder unsere Weihnachtsbestellungen aufgegeben“, sagt Tillmanns. Das alles habe man ganz ohne den wehmütigen Blick zurück getan. Die beiden Inhaberinnen hatten immer einen engen Kontakt nicht nur zu den Kundinnen und Kunden, sondern auch zu den Lieferanten, sagt Catherine Tillmanns. „Wir haben die immer genervt mit unseren kleinen Bestellungen.“ Wenn es mal nicht so richtig geklappt hat, wurde auch mal ein persönlicher Beschwerdebrief geschrieben – natürlich handschriftlich. Das Menschliche stand bei allem immer im Fokus.
Wenn Catherine Tillmanns dann doch mal daran denkt, wie alles begann, dann ist da vor allem ganz viel Stolz und ein vielleicht etwas verklärter Blick auf eine Zeit, als alles noch anders war im Viertel. Die Räume, in die das Tisch & Bett einst einzog, gehörten vorher der Drogerie Kuschel. „Herr Kuschel war noch ein echter Drogist. Mit strahlend weißem Kittel und umfangreichem Wissen über Chemikalien zu Fleckentfernung.“ Man könnte sagen, eine Art Unverpackt-Laden für Waschmittel und Co.
„Das haben wir gut gemacht“, sagt Catherine Tillmanns zum Schluss unseres Gesprächs und zeigt sich sichtlich zufriedenen mit der eigenen Entscheidung. Ein sauberer Abgang.
Text: Marc Freudenhammer