Freizeit im Bergischen - Genießen an Bahntrassen
„Fahrradfahren im Bergischen? Niemals!“ Doch! Das geht: Die Bergischen Panorama-Radwege mit ihren vielen Gastronomien direkt an der Strecke kombinieren Sport, Genuss und schöne Aussichten fast ohne Anstrengung.
Die Industrie im Bergischen hatte sich in den Jahrzehnten nach dem Krieg immer weiter verändert, so dass die vorhandenen Eisenbahnstrecken still gelegt wurden. Nach Umbauten werden sie heute von Fahrradfahrern und Fußgängern genutzt: Die Bergischen Panorama-Radwege sind insgesamt über 220 Kilometer lang. Dieses Radwegenetz verbindet die ehemaligen Bahntrassen im Bergischen Land mit dem südlichen Ruhrgebiet, Kettwig und dem Sauerland. Kein Wunder, dass diese abwechslungsreichen Strecken über die früheren Schienenwege viele Menschen ins Bergische locken – Wunderschöne Ausblicke, Industriekultur, die bis zu 40 Meter hohen Viadukte und Tunnel mit bis zu 724 Metern Länge, die fast steigungslosen Wege und eine abwechslungsreiche Gastronomie direkt am Radweg machen die Radwege so attraktiv.
Eigentlich ist es fast unglaublich, dass aufgrund einer Idee von Bürgerinnen und Bürgern im Jahr 2005 die Nordbahntrasse 2014 tatsächlich eröffnet werden konnte, nachdem viele Menschen aus dem Tal bei den Baumaßnahmen mit angepackt hatten. Die Idee der Wuppertalbewegung e. V. hat Wuppertal und sein Verhältnis zum Fahrrad maßgeblich verändert.
Wer sich selbst davon ein Bild machen möchte, steuert am besten den Bahnhof Vohwinkel an. Ein Stückchen hinter dem Akzenta-Parkplatz stehen ausreichend Stellflächen zur Verfügung. Die Trasse beginnt sofort hinter dem Bahnhof. Sie ist asphaltiert und damit Beeindruckend an der 22 Kilometer langen Strecke, die von West nach Ost die Stadt kreuzt, sind die vielen Viadukte – sie sind bis zu 40 Meter hoch – weil die Dampflok diese Strecke früher nutzte. Sie sind typisch für die Nordbahntrasse – genauso wie die vielen Tunnel. „Manche sind so lang, dass sie im Sommer für eine angenehme Abkühlung sorgen“, weiß Angelika Schott, Koordination Bergische Panorama-Radwege. Wer hier einen Radweg durch Wald und Wiesen erwartet, wird enttäuscht sein, denn diese Strecke verläuft im urbanen Kontext. Die Radlerinnen und Radler fahren teils sogar über der Stadt – teilweise auf der vierten Etage an den Häusern vorbei, während unten die Straße verläuft. Gerade das Gefühl, oberhalb der City zu radeln, macht die Trasse spannend.
Auch für Kinder ist die Strecke empfehlenswert, denn sie finden die Fahrten über Viadukte und durch Tunnel spannend, es locken aber auch Spielplätze am Wegesrand – und natürlich die bekannte Legobrücke: Hier nämlich hat der Wuppertaler Künstler Martin Heuwold („Megx“) die Betonbrücke über der Schwesterstraße im Lego-Design kunstvoll hergerichtet. Er erhielt dafür 2012 den Förderpreis des Deutschen Fassadenpreises. Bilder davon gingen um die Welt.
An der Strecke gibt es einige Möglichkeiten, einzukehren. Die Gastronomien entlang der Trasse sind bei gutem Wetter gut besucht und sorgen für Stimmung entlang der Strecke. Im Moment wird der Ottenbrucher Bahnhof restauriert; daneben gibt es aber bei schönem Wetter den Trassengarten. Hier ist ein kleiner Biergarten aufgebaut, verkauft wird aus einem Container heraus. Liegestühle können auch auf den ehemaligen Bahnsteig mitgenommen werden. So erweitert sich der Gastrobereich auf den ganzen Bereich um den Trassengarten, bis zum Boule-Feld.
Auch am Varresbecker Bahnhof, der ebenfalls direkt an die Nordbahntrasse grenzt, faulenzen viele Menschen in Liegestühlen. Er war noch bis 1999 in Betrieb. Der Biergarten wirkt mit dem alten Baumbestand sehr idyllisch. Die schieferverkleidete Fachwerkkonstruktion ist seit 1992 als Baudenkmal eingetragen und gibt dem Biergarten eine schöne Atmosphäre. Angeboten werden auch Live-Musik und Events. Sogar an einen Spielplatz für die Jüngsten wurde gedacht.
Besonders ist auch der Mirker Bahnhof in Elberfeld, ein denkmalgeschütztes Gebäude. Es gilt als kulturelles Zentrum der Nordstadt: In dem alten Bahnhofsgebäude befindet sich das Café Hutmacher, das drinnen und draußen Platz bietet. Die Theke ist aus Büchern gebaut, die Wände sind fast alle unverputzt, um den Charme des denkmalgeschützten Bahnhofs zu erhalten. Hier finden regelmäßig verschiedene Veranstaltungen statt – von Lesungen über Konzerte bis hin zu Themenabenden. Seit 2011 befindet sich im Bahnhof die sogenannte Utopiastadt, ein Kreativnetzwerk mit Büros, Ateliers und Coworking – ein fortwährender Stadtentwicklungskongress, wie es heißt. „Aus der Wuppertaler Szene ist das Café nicht mehr wegzudenken“, sagt Angelika Schott. Für Radfahrerinnen und Radfahrer außerdem eine gute Sache: Hier ist eine kleine Fahrradwerkstatt untergebracht; wer also eine Panne hat, kann vorbeischauen, samstags sind die ehrenamtlichen Tüftlerinnen und Tüftler der Mirker Schrauba anzutreffen. Außerdem können hier kostenlos Fahrräder über Utopiastadtrad (Öffnungszeiten: utopiastadt.eu/utopiastadtrad/) oder Lastenräder (genannt Fienchen) gebucht und ausgeliehen (fienchen-wuppertal.de/) werden.
Fast am Ende, Richtung Wichlinghausen, befindet sich das Café Nordbahntrasse. Direkt an der Skatehalle „Wicked Woods“ gelegen, bietet es einen Panoramablick über die Stadt mit Gasometer und die Nordbahntrasse. Im Sommer ist die schöne Gartenterrasse geöffnet. Das Café ist ein gemeinnütziges Projekt, in dem arbeitslose Frauen und Männer Beschäftigung und Qualifizierung in der Gastronomie erhalten. Es wird betrieben von der Wichernhaus Wuppertal gemeinnützige GmbH. Hier ist wieder an die radelnden Menschen gedacht worden: In der Fahrradmeisterei Wuppertal können Fahrräder und E-Bikes ausgeliehen werden.
Wer nun am Bergischen Plateau angelangt ist, kommt über die Schwarzbachtrasse – mit Wegen durch die Stadt – zur Balkantrasse. Der Name übrigens stammt von Namen „Balkanexpress“ – so wurde die ehemalige Bahnlinie zwischen Leverkusen-Opladen und Remscheid-Lennep genannt. Der Bahnhof Remscheid-Lennep liegt am historischen Stadtkern mit seiner schönen, typischen bergischen Altstadt und denkmalgeschützten Häusern und lohnt einen Abstecher. Und auch der Besuch des Deutschen Röntgen-Museums ist interessant. Ganz anders als die Nordbahntrasse wirkt die Balkantrasse, denn sie ist eher ländlich, führt aus Lennep heraus an Wiesen und Feldern entlang und durch Waldgebiete. Richtung Leverkusen begeistert dann der Blick ins Rheintal. Hier geht`s recht steil bergab – immerhin rund 300 Höhenmeter. Hier gilt keine Ausrede, denn zurück kann das Angebot des Bergischen Fahrradbusses von Leverkusen-Opladen nach Marienheide entlang des Panorama-Radwegs Balkantrasse und des Bergischen Panorama-Radwegs wahrgenommen werden. 16 Fahrräder haben hier Platz. Auch die Mitnahme von E-Bikes ist möglich. Zusätzlich können bis zu vier Fahrräder im Bus abgestellt werden. Deshalb ist diese Strecke auch für Kinder und Ungeübtere kein Problem. Möglich ist es auch, die Tour am Bahnhof Lennep zu beginnen und bis Leverkusen Opladen zu fahren. Hier fährt dann der Zug bis ins 29 Kilometer weit entfernte Lennep zurück.
Natürlich gibt es in der Remscheider Altstadt eine schöne Auswahl an Gastronomie-Betrieben. Direkt an der Trasse aber gibt es noch das Hotel-Restaurant Fischer. Das Fachwerkhaus liegt zwischen Lennep und Lüttringhausen und hat neben Hotelzimmern auch ein Gartenrestaurant. „Viele Radfahrerinnen und Radfahrer machen in unserem Restaurant eine Pause“, erzählt Inhaber Klaus Fischer. Der frühere Gutshof wird nun schon in der dritten Generation als Hotel betrieben. „Vor allem aber haben wir Gäste hier, die Ein- oder Zweitagestouren unternehmen. Sie radeln zum Beispiel von der Wuppermündung über Marienheide, Schloss Burg nach Monheim oder nutzen unser Hotel als feste Station und radeln von hier aus ins Bergische.“ Kritik hat er aber auch: „Ich ärgere mich, dass in Remscheid auf den Radwegen die Lkws parken; ich halte das für unglaublich gefährlich, und ich wünsche mir, dass etwas dagegen unternommen wird.“
Eine Besonderheit an der Trasse ist die Klosterschänke mit verschiedenen Sälen für Veranstaltungen. Vom Bahnhof aus fährt man rund 700 Meter durch den historischen Altstadtkern und biegt ab in eine kleine Seitenstraße. Hier befindet sich die ehemalige Kirche, in der nun auch eine Außengastronomie untergebracht ist.
Der Name ist leicht zu erklären: Die Solinger Trasse windet sich in einigen „S-Kurven“ am historischen Gräfrath und dem Deutschen Klingenmuseum vorbei. Von der Nordbahntrasse aus gelangen Radfahrende von Vohwinkel aus über die Vohwinkeler Straße direkt auf die Trasse; der Weg führt unter der A 46 hindurch. „Auch diese Trasse ist in städtischem Kontext zu sehen und sehr abwechslungsreich“, erzählt Angelika Schott. Denn sie führt vorbei am Botanischen Garten in Solingen und gilt deshalb als schöne Kombination aus Natur und Stadt. Rund 15 Kilometer lang können sich Radfahrerinnen und Radfahrer so durch die Stadt bewegen. Beeindruckend ist der Aussichtspunkt Theegartener Kopf. Möglich ist eine Weiterfahrt nach Müngsten zum Brückenpark oder nach Unterburg. Von hier aus führt die Seilbahn wieder hoch nach Oberburg; interessant dabei ist nicht nur, dass es im Bergischen Land eine Seilbahn gibt, sondern dass sie auch Fahrräder transportiert. Für Kinder oder ungeübte Radelnde ist die Strecke aber nicht so gut geeignet, weil sie doch sehr steil über einen Waldboden hinunter ins Tal führt.
Einen Halt kann man einerseits am Gräfrather Markt einlegen, andererseits am Ende der Trasse, im Südpark bei den Ateliers in den Güterhallen. Den historischen Markt von Gräfrath erreicht man bereits nach rund 500 Metern, die Abfahrt erfolgt auf Höhe des Restaurants „Basti`s“ und man muss nur wenige Meter bergab über Kopfsteinpflaster bewältigen – schon erblickt man den Platz mit dem Brunnen in der Mitte sowie an der Kopfseite dem bekannten „Kaffeehaus“, dem Eiscafé Guilia, vorn die Tischchen, die zum Restaurant „Casa Pedro“ gehören, sowie recht neu seit über einem Jahr die „Maku Weinbar“. Hier gibt es aber nicht nur gute Weine, sondern auch leckere Kleinigkeiten wie Serano Schinken, Oliven, Käseplatte mit Brot und Olivenöl und auch Flammkuchen. Dazu erfrischende und Heiß-Getränke.
Etwa eine halbe Stunde dauert es, bis man nach der Weiterfahrt über Solingen-Wald, entlang des Botanischen Gartens, des „Pfades der Menschenrechte“ mitten durch die City den Südpark erreicht. Auf dem Terrain des ehemaligen Hauptbahnhofes im Südpark angelangt, erkennt man rechterhand einige Ateliers Solinger Künstlerinnen und Künstler sowie am Ende des Gebäudekomplexes das Plagiarius-Museum. Direkt zu Beginn an der Trasse liegt das beliebte „Restaurant Stückgut“, das über einen überdachten Wintergarten sowie eine Terrasse verfügt. Die kreative, mediterrane Küche von Baljindar Singh und seinem Team zeichnet sich durch einen „Schuss Indien“ aus. „Bobbi“ Singh: „Mein Team und ich fühlen uns hier im Südpark in direkter Nachbarschaft zu den Künstlern und Ateliers sehr wohl. Die Güterhallen haben eine tolle Atmosphäre und ziehen nach wie vor viele Gäste an. Der Anschluss an die Korkenziehertrasse sorgt dafür, dass Radler bei uns spontan eine Pause einlegen, um sich zu stärken.“
Ebenfalls im Südpark befindet sich das urige Restaurant des portugiesischen Kulturvereins Associação Portuguesa. Im obersten Geschoss des Gebäudes Alexander-Coppel-Straße 19-21 verfügt es über eine große Terrasse.
Text: Eva Rüther und Liane Rappmann.