Nische gefunden - Frauen auf die Tanzfläche
Die Wuppertalerinnen Anna Schumacher-Stolina und Andrea Rücker hatten vor eineinhalb Jahren die Idee zum Eventformat „Mama geht tanzen“. Mittlerweile funktioniert ihre Partyreihe als Franchisesystem in über 100 Städten, nicht nur in Deutschland.
Wie kamen Sie auf die Idee von „Mama geht tanzen“?
Schumacher-Stolina: Es war ein grauer Novemberabend im Jahr 2022, Corona war weitgehend vorbei, wir wollten wieder tanzen gehen, aber nicht erst nach Mitternacht starten. Unsere mittlerweile insgesamt fünf Kids sind wie viele Altersgenossen Frühaufsteher und da sind verkaterte Morgen mit zu wenig Schlaf die Pest.
Was war der Plan?
Schumacher-Stolina: Wir sind einfach mal zu den Betreibern des benachbarten Clubs in Wuppertal gegangen und haben gefragt, ob wir dort eine Party veranstalten könnten, die um 20 Uhr beginnt und nach 180 durchtanzten Minuten um 23 Uhr endet. Unsere Zielgruppe damals wie heute: Mütter und Frauen, die mal wieder tanzen gehen wollen, und das am liebsten abends und nicht erst spätnachts. Beim ersten Mal war unser Ziel, das kostendeckend umzusetzen, und wir haben mit ein paar Dutzend Freundinnen gerechnet, aber es kamen gleich 260. Da haben wir uns gedacht: Okay, es gibt einen Markt, das könnten wir professioneller aufziehen.
Sie haben noch „richtige“ Berufe, wie klappt so ein Job als Eventmanagerin „nebenbei“?
Rücker: Klasse. Wir erhalten eine Menge Unterstützung, auch von unseren Männern. Das Netzwerk an Frauen, die die Organisation in anderen Teilen Deutschlands übernommen haben, wächst. Aber tatsächlich bleibt noch einiges an uns hängen, von der Buchhaltung bis zum Marketing und wir tauschen uns auch regelmäßig mit den Franchisenehmerinnen aus, insofern ist das schon eine Herausforderung. Wir wollen aber einerseits unsere Berufe als Sozialarbeiterin und Bauingenieurin nicht aufgeben, andererseits ist unser Geschäftsmodell ausbaufähig – wir erhalten mittlerweile Anfragen nicht nur aus der Schweiz und Österreich, sondern auch aus Spanien.
Vieles wirkt sehr professionell und durchdacht, das Logo etwa, stand das von Anfang an?
Anna Schumacher-Stolina: Ja. Wir haben einfach im erweiterten Bekanntenkreis gefragt, wer uns helfen kann, und da bot sich dann hier eine Grafikerin an, da ein Bankberater, und so kam eins zum anderen und plötzlich wurde aus Mama geht tanzen ein großes Ding.
Warum funktioniert das Format so gut und hat sich in Windeseile weit über Wuppertals Grenzen etabliert?
Andrea Rücker: Wir wissen aus etlichen Gesprächen, dass es einfach vielen, vor allem ‚jungen Müttern‘, so geht, dass sie gern ab und zu ausgehen und tanzen wollen – gute Musik hören in einem coolen Ambiente, ein leckerer Drink mit oder ohne Alkohol dazu, unterwegs sein mit den Freundinnen und eine Auszeit nehmen vom Familientrubel. Und das eben vor Mitternacht. In genau diese Marktlücke sind wir gesprungen, eher durch Zufall, denn es war nie unser Plan, eine Firma zu gründen. Es hat sich einfach ergeben.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der Selbstständigkeit gemacht?
Andrea Rücker: Im Grunde nur gute. Okay, für ein paar Versäumnisse mussten wir Leergeld zahlen, da hatten wir uns nicht gut genug informiert, aber wir sind offen, dazu zu lernen … Die Partys in NRW bestreiten wir nach wie vor selbst. An allen anderen Standorten sind Franchisenehmerinnen am Start, die das auf eigene Tasche machen. Bedeutet für uns auch: Dadurch, dass wir uns einfach getraut haben, diese Idee umzusetzen und wachsen zu lassen, arbeiten mittlerweile über 30 andere Frauen selbstständig und verdienen ihr eigenes Geld damit. Zusätzlich haben wir ein kleines Team auf Minijob-Basis angestellt, etwa für die Buchhaltung und das Backoffice.
Wie viel verdienen Sie mit „Mama geht tanzen“?
Andrea Rücker: Das wissen wir vermutlich erst am Ende diesen Jahres, weil wir dann einen aussagekräftigen Kassensturz machen können. Bisher zahlen wir uns jede 500 Euro pro Monat aus. Was für den Aufwand, den wir betreiben, noch nicht der Hit ist. Aber wir gehen davon aus, dass am Ende mehr übrig bleibt. Wir kalkulieren vorsichtig. Auch, weil noch viele Unbekannte im Spiel sind. Die Vergnügungssteuer etwa wird in jeder Stadt anders gehandhabt. Andererseits betonen wir auch unseren Franchisenehmerinnen gegenüber immer wieder: Es darf und soll auch Geld verdient werden, wir machen das nicht ehrenamtlich.
Was können Sie Anderen, die eher hadern anstatt zu „machen“, mit auf den Weg geben?
Schumacher-Stolina: An die eigene Idee zu glauben, wenn sie gut ist, und sich von keinem da-von abbringen zu lassen. Uns haben viele gesagt: Das kann so nicht funktionieren. Aber wir haben es gemacht – und es läuft. Natürlich sind wir auch offen für Kritik, führen nach jeder Party noch ein Feedbackgespräch, tauschen uns mit unserem Team alle drei Monate online und Ende Juli auch mal live in Wuppertal aus. Und selbstverständlich ist uns auch klar, was wir an einander haben, dass wir beide einfach als Team sehr gut funktionieren. Und das ist sicher eine der Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Aus unserer Erfahrung heraus können wir aber sagen: Vertraut auf euer Bauchgefühl!
Bisher über 350 Partys mit über 100.000 Teilnehmenden, Aufmerksamkeit für Sie beide in vielen auch überregionalen Medien, eine riesengroße Community auf Instagram, was kommt als nächstes?
Rücker: Wir gehen davon aus, dass das Format noch eine gute Zeit lang funktioniert, wir sind ja gerade erst auf dem ‚Sprung‘ ins Ausland, und es bleiben auch noch einige Städte, die bisher nicht gecovert werden konnten. Zusätzlich würden wir tatsächlich in Richtung Workshops und Beratung von Frauen bei Neugründung gehen. Anna würde gern ein Tagesfestival auf die Beine stellen, aber da sind wir noch in der Findungsphase.
Was mögen Sie im Bergischen besonders gern?
Schumacher-Stolina: Die Abwechslung! Man kann stundenlang durch stille Wälder wandern und gleichzeitig bietet die Region auch Großstadtflair.
Haben Sie einen Geheimtipp im Bergischen?
Beide: Natürlich unsere „Mama geht tanzen“-Partys, die gibt es mittlerweile in fast allen großen Städten. Die nächsten Events etwa im Live Club Barmen, wo alles begann, und im Maku in Solingen sind schon geplant.
Das Gespräch führte Liane Rapp.