Bühnenkunst - Durch den Mixer gedreht

Hörspiel-Klassiker neu zusammengewürfelt und auf die Bühne gebracht: Mit diesem Rezept hat sich das Wuppertaler Vollplaybacktheater in ganz Deutschland einen Namen gemacht. Vor der neuen Tour waren wir zu Besuch im Proberaum.

Ein Proberaum in einer alten Industriehalle an einem trüben Junitag im Wuppertaler Osten: „Doch, Britta, das wird super, wenn du dann jeden Abend live auf der Bühne von der Leiter fällst“, ruft David J. Becher und muss dabei schmunzeln. Besagte Britta Lemon ist nämlich keineswegs auf den Kopf gefallen und entgegnet schlagfertig: „Das können wir aber auch gut vorher drehen und auf der Leinwand zeigen. Dann muss ich nur einmal von der Leiter stürzen. Sonst brauche ich irgendwann im Verlauf der Tour einen Sturzhelm.“ Das Argument verfängt noch nicht, die Diskussion geht weiter. Wer beim Besuch einer Probe des Vollplaybacktheaters pantomimenhafte Stille erwartet hat, wird nach wenigen Momenten eines Besseren belehrt. Ein heilloses Stimmengewirr herrscht im Raum. Gemeinsam feilt das Ensemble an einer Szene des neuen Stücks, das im Herbst Premiere feiert. „John“ heißt es, trägt den Untertitel „Den rechten Fuß vor, das linke Bein nachziehen“ und verspricht „666 Prozent mehr Spaß“. Wie die ohnehin urkomischen Stücke des Vollplaybacktheaters noch witziger werden sollen, mag man sich fragen. Doch eingefleischte Fans wissen: Jedes Jahr schafft es das Ensemble, einen draufzulegen – und das bereits seit 1997!

Was ist nun aber ein Vollplaybacktheater genau, was machen die da und wie kann man das erklären? Ein Versuch: Das Wuppertaler Vollplaybacktheater (VPT) ist eine Theatergruppe, die sich auf die Aufführung von Playbackshows spezialisiert hat. Dabei spielen die Schauspielerinnen und Schauspieler bekannte Hörspielklassiker wie „Die drei ???“, „TKKG“ oder eben „John Sinclair“ nach. Doch da die Kassettenkinder der 1980er Jahre die meisten Folgen der Reihen selbst mitsprechen können, werden noch bekannte oder auch aktuelle Filme, TV-Serien oder Musicals in die Stücke eingearbeitet und alles zu einer gigantischen Show zusammengeschnitten. Das VPT hat sich im deutschsprachigen Raum einen Namen gemacht. Die drei Premierentermine sind wie in jedem Jahr Monate im Voraus ausverkauft.

Mitsprechen dürfen alle Ensemblemitglieder bei der Entwicklung der Stücke, bei den Kulissen, die allesamt eigenhändig gebaut werden. Verboten ist das gesprochene Wort hingegen auf der Bühne, denn: „Wir spielen Theater, sprechen aber nicht selbst, sondern der Ton kommt aus der Box. Wir bewegen die Lippen synchron dazu und spielen das, was die Leute hören. Das ist im Grunde, was wir tun“, hat Mitglied Christoph Landwehr das Prinzip VPT einmal erklärt.

Bei den Proben kommt die Lippen-Synchronität allerdings erst nach und nach. Zwar wird im Sommer, also knapp fünf Monate vor der Premiere, bereits nahezu täglich mehrere Stunden probiert. Doch da stehen Komposition und Inszenierung der Szenen im Vordergrund.

Später geht es noch an den Bau der Requisiten und Bühnenbilder. Für die „… das linke Bein nachziehen“-Tour experimentiert das Ensemble derzeit mit Staubsauger-Robotern und Bobbycars. „Wir bringen eine Kirmes auf die Bühne und da darf schließlich ein Autoscooter nicht fehlen“, erklärt Becher und Dokter Thomas fügt hinzu: „Wichtig ist uns dabei, dass sich das Publikum denkt: Ach, guck mal, hab’ ich ja auch alles zuhause. Ich bau‘ mir gleich morgen einen Autoscooter aus meinem Saugroboter.“ Und so vereint das Wuppertaler VPT nicht nur die Lieblingshörspiele der Millennials auf der Bühne, sondern ist zudem ein reisendes Yps-Heft – in wechselnder Besetzung. Aktuell gehören zum Ensemble neben Britta Lemon, David J. Becher und Dokter Thomas noch Christoph Landwehr sowie Sven Blievernicht. Als Gast dabei ist für das neue Stück Michael Baute, der im Bergischen Land vor allem durch sein jahreslanges Engagement im Wuppertaler TiC-Theater bekannt ist.

Gemeinsam geht es im Oktober auf Deutschlandtour. Bis dahin ist viel zu tun. Vor allem muss entschieden werden, ob Britta nun jeden Abend live von der Leiter fallen wird. Wer das wissen will, bekommt zwar keine Premierentickets mehr, hat aber die Chance, das VPT im Februar 2025 bei zwei Zusatzterminen zu erleben. Und da auf Tour hier und da auch noch an der ein oder anderen Szene geschraubt wird, kommt das Beste beim VPT zum Schluss. In diesem Sinne: Den rechten Fuß vor, das linke Beim nachziehen!

Text: Daniela Ullrich

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