IHK-Wahl 2025 - Wahl und Auswahl
Im Januar wird die Vollversammlung der Bergischen IHK neu gewählt. Präsident Henner Pasch und Hauptgeschäftsführer Michael Wenge erklären die Zusammensetzung der VV, die Geschichte der IHK und appellieren an alle Mitglieder, Einfluss zu nehmen.
Die Frist für die Kandidatur zur kommenden Wahl der Vollversammlung beginnt jetzt. Warum sollten Unternehmerinnen und Unternehmer sich zur Wahl aufstellen?
Henner Pasch: Gerade in Zeiten, in denen politische Unsicherheit herrscht, in denen Vertrauen in Verwaltung und Politik erodieren, ist es wichtig, dass die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger unserer Gesellschaft jemanden haben, mit dem sie konstruktiv zusammenarbeiten können. Dafür steht die Industrie- und Handelskammer. Gerade in unserer Region. Die IHK lebt vom Mitmachen. Wer mit Entwicklungen in der Wirtschaft nicht zufrieden ist und etwas verändern möchte, der hat in der Vollversammlung die Chance, sich an wichtigen Stellen einzubringen. Michael Wenge: Für mich ist Wahl auch Auswahl, zu einer hohen Wahlbeteiligung kommt es nur mit einer großen Anzahl von Kandidatinnen und Kandidaten. Unternehmer sind keine geübten Wahlkämpfer, aber oft stehen sie doch für unterschiedliche Positionen und das zeigen sie heute mehr als früher. Ziel sind 140 Kandidatinnen und Kandidaten für die 80 Plätze. Gerade für den Mittelstand gilt, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Vollversammlung Entscheidungen treffen können, die sie allein nicht treffen könnten. Oder auch, dass sie in Kontakt zu Politik und Verwaltung kommen – bis hin zu den Oberbürgermeistern und Abgeordneten – und ihre Anliegen vorbringen können.
Gut 40.000 IHK-Mitglieder sind aufgerufen, bei der kommenden VV-Wahl zu wählen. Warum ist das wichtig?
Wenge: IHK-Wahlen können sich in der Regel nicht mit politischen und öffentlichen Wahlen vergleichen, was die Wahlbeteiligung angeht. Aber wir sind im Bergischen mit gut 15 Prozent unter den Top 10 in Deutschland. Bei uns bedeutet das, dass von den im Handelsregister eingetragenen Firmen 25 bis 30 Prozent wählen und von den Kleingewerbetreibenden 8 bis 10 Prozent. Große IHKs in der Nachbarschaft haben insgesamt unter 10 Prozent Beteiligung. Die Wirtschaft zeigt also Interesse daran, was die Repräsentanten tun. Henner: Die demokratische Legitimation macht die IHK stärker als etwa Branchenverbände. Bei uns werden auch Mindermeinungen berücksichtigt und transportiert. In Politik und Verwaltung sind wir daher hoch angesehen. Man traut uns zu, notwendige Beiträge zu leisten, etwa in der aktuellen Transformation. Daher ist es für jede und jeden wichtig, das Wahlrecht zu nutzen.
Woher kommt die Idee, die Wirtschaft durch ein demokratisches Gremium zu repräsentieren? Wann wurde die Idee eingeführt, wann im Bergischen umgesetzt?
Wenge: Die Bergische IHK ist die älteste deutsche IHK nach modernem Verständnis, sie ist 1830 gegründet worden als Kammer von Elberfeld und Barmen. Die Kammer unterscheidet sich insofern von noch älteren IHKs, als die Kaufleute selbst gesagt haben, sie wollen ihre Angelegenheiten besprechen und regeln. Daran haben sich alle anderen Kammern im Land orientiert. Dann bis dahin war in den Kammern der Präsident von der Politik bestimmt worden. In Wuppertal war es ein frei gewählter Unternehmer. Die IHK hat immer diese Mittlerfunktion eingenom-men zwischen Wirtschaft und Staat. Wir sind Körperschaft des öffentlichen Rechts, arbeiten aber für die Wirtschaft.
Warum werden die Sitze nach Wahlgruppen und Städten eingeteilt?
Wenge: Die Einteilung auf drei Städte war ein Beschluss der Vollversammlung. Die Einteilung in Wahlgruppen dient als Spiegel der regionalen Wirtschaft. Da gibt es Kriterien wie Gewerbeertrag, Beschäftigtenanzahl und Betriebsanzahl. Das wird alle vier Jahre überprüft und angepasst. In unserem Bereich hat sich der Anteil der Industrie mit den Jahren reduziert zugunsten der Dienstleister. Pasch: Es gibt aber auch Wahlgruppen, die über die Städte hinweg laufen – Banken, Versicherungen und Verkehrsgewerbe.
Was bewirken die Mitglieder der VV?
Pasch: Die Vollversammlung ist das wesentliche Organ für alle wichtigen Aspekte der Kammer-arbeit. Sie ist Souverän der beiden weiteren Organe – des Präsidenten und des Hauptgeschäftsführers. Gleichzeitig wählt die VV das Präsidium. Die VV ist zudem der Souverän des Präsidiums, Präsidenten und Hauptamts. Die Menschen, die sich in die VV wählen lassen, bringen ihre Erfahrung und Expertise aus den beruflichen Kontexten ein und teilen sie miteinander. Für jede und jeden individuell kann das eine spannende, kostengünstige Weiterbildungsmaßnahme sein. Wenge: Das gilt natürlich auch für diejenigen, die nicht auf Anhieb in die VV gewählt werden. Allein die Kandidatur sorgt schon für eine gewisse Nähe, auf der man aufbauen kann. Auch die Ersatzmitglieder sind in zahlreiche Ausschüsse und Veranstaltungen eingebunden.
Was sind die Aufgaben von Präsident und Präsidium?
Wenge: Das Präsidium und der Präsident sind ehrenamtlich tätig. Im Rahmen dessen ist der Präsident der höchste Repräsentant der IHK, aber gleichzeitig im Zusammenwirken mit dem Hauptgeschäftsführer auch operativ tätig. Denn er kann Themen setzen und nach vorne bringen. Im Idealfall ergänzen sich beide Organe zum Wohle der IHK-Arbeit. Der Präsident arbeitet dabei auf drei Ebenen mit dem HGF zusammen, in der Region, im Land und im Bund bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Die Vizepräsidentinnen und -präsidenten beraten den Präsidenten – und leiten etwa auch die Bezirks- und Fachausschüsse zusammen mit dem Hauptamt. Pasch: Das Präsidentenamt bei uns in der Region ist hoch angesehen. Das Gewicht der Kammer kommt vor allem auch daher, dass meine Vorgänger über Generationen hinweg gewirkt haben. Auf die Oberbürgermeister, die Räte, die Verwaltungen. Das nehmen die Menschen auch wahr. Deswegen sagen die Unternehmerinnen und Unternehmer uns bei den Firmenbesuchen auch: Mischt euch ein, kümmert euch. Man traut uns das zu.
Erinnern Sie sich an Glanzstunden / besondere Entscheidungen des Gremiums, welche waren das?
Pasch: Da gab es viele. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit gab es das Hochwasser – und in der Folge eine unglaubliche Solidarität aus der VV mit den Flutopfern. Die Schäden, aber auch die Spendenbereitschaft werde ich nie vergessen. Ebenso gab es noch direkte Auswirkungen der Pandemie, als ich ins Amt gewählt worden bin, und in den digitalen Sitzungen der VV ergreifende und bedrückende Beschreibungen der wirtschaftlichen Folgen. Ähnlich war es beim Thema Energie zu Beginn des russischen Ukraine-Krieges. Unsere Schalte zum Beginn des Kriegs zu den AHK-Chefs in Russland und in der Ukraine wird mir ebenso in Erinnerung bleiben. Es war eine beklemmende Situation, die sie beschrieben haben. Vor allem der Kollege in Moskau musste offensichtlich seine Worte sehr abwägen. Dazu gab es viele Diskussionen zu inhaltlichen Fragen: Wie stehen wir zum Outlet? Wie gehen wir mit der AfD um? Wie gehen wir mit dem de-mografischen Wandel um, mit dem Fachkräftemangel? Zuletzt haben etwa mit dem griechi-schen AHK-Chef gesprochen über die 6-Tage-Woche dort.
Haben Sie einen Appell an die Unternehmerinnen und Unternehmer?
Pasch: Für die IHK gilt wie für alle demokratischen Prozesse: Dabei sein ist alles. Nicht dabei sein ist zu wenig in den heutigen Zeiten. Es gibt die Chance, Einfluss zu nehmen. Der Pflichtbeitrag schafft Einfluss, wenn man mitgestalten möchte. Dazu sind alle eingeladen - als Wählende, als Kandidierende, als Beteiligte. Dann wird die Organisation wirkmächtig.
Das Gespräch führte Eike Rüdebusch.