Guatemala - 48 Schulen gebaut

Der Wuppertaler Martin Müller gründete vor 30 Jahren den Verein APEI und brachte damit Bildung in die bitterarme Ixil-Region in Guatemala.

Wie kamen Sie vor 30 Jahren auf die Idee, APEI (Asociacion Amigos para las Escuelas Ixiles) gemeinsam mit Ihrer Frau und zwei Einheimischen zu gründen?

Vor 35 Jahren, noch während des Bürgerkriegs, haben meine Frau und ich uns auf einer Urlaubsreise in Guatemala „verliebt“. Da entstand die Idee, Menschen in Guatemala irgendwie zu unterstützen. In den nächsten Jahren engagierte ich mich in einem bestehenden Projekt in der Ixil-Region. Als der englische Leiter des Projekt alles beenden wollte, starteten wir zu viert ein eigenes Projekt im Bereich Grundschulen.

Warum helfen Sie gerade in der Ixil-Region?

Die Ixil Region ist eine ziemlich abgelegene, damals sehr unterentwickelte Region Guatemalas, die vom Bürgerkrieg 1960 bis 1996 am schlimmsten betroffen war. Es gab damals Zehntausende indigene Tote, fast alle durch Massaker des Militärs. Zehntausende flüchteten, die meisten kleinen Dörfer wurden zerstört. Schulen gab es nur in den größeren Orten, rund 95 Prozent der Bevölkerung waren Analphabeten. Eine Verbesserung der Schulbildung sahen wir als wirkungsvollste Möglichkeit an, langfristig gesellschaftliche Verbesserungen zu erreichen.

Wie ist Ihr Bezug zu Guatemala?

Ich fühle mich dem Land und den Guatemalteken sehr verbunden. Ich gehöre in Deutschland zur guatemaltekischen Community. Der Konsul lädt mich immer zu Feiern ein. Mit dem Botschafter habe ich schon in Berlin eine Veranstaltung gemacht. Und ein Botschafter hat mich 2015 offiziell geehrt.

Sie haben in 48 oft sehr entlegenen Dörfern Schulen aufgebaut. Wie funktionierte das?

Wir begannen mit Unterricht nur in Dörfern, wenn die Bewohner uns von sich aus darum gebeten hatten, und die Eltern bereit waren, mit unseren Lehrern zu kooperieren. Voraussetzung für den Bau von massiven Schulgebäuden war die schriftliche Verpflichtung der Erwachsenen, bei den Bauarbeiten und beim Materialtransport zu helfen, ohne Bezahlung, aber mit Lebensmittelversorgung. Wir suchten dann qualifizierte Lehrer mit der Muttersprache Ixil, die bereit waren, mindestens montags bis freitags in den Dörfern zu leben. In manchen Dörfern ging es nur mit Unterricht von durchgehend drei Wochen pro Monat.

Kamen die Kinder dann auch in den Unterricht?

Die Eltern wollten unbedingt, dass ihre Kinder lesen und schreiben lernten. Und die Kinder sind auch mit Lust in die Schule gegangen. Am Anfangs wollten allerdings viele nur ihre Jungs schicken. Es war schwierig, den Eltern zu vermitteln, dass auch die Mädchen zur Schule kommen sollten. In den letzten Jahren ist der Schulbesuch für Mädchen selbstverständlich geworden. Die weiterführende Schule besuchen sogar überwiegend Mädchen und viele von ihnen wollen einen technischen Beruf ergreifen – das wäre vor 30 Jahren völlig undenkbar gewesen.

Wie reagierte der Staat?

Unsere Strategie war es, funktionierende Grundschulen aufzubauen und dann in die Verantwortung des Staats zu übergeben. Ziel war die flächendeckende Versorgung aller Dörfer mit Schulen im staatlichen Schulsystem. Nach staatlicher Übernahme von Schulen begannen wir in bis dahin unversorgten Dörfern. So haben wir in insgesamt 48 Dörfern unterrichtet, und dabei 18 neue massive Schulgebäude gebaut. Unser Ziel erreichten wir Anfang 2023, als die letzte APEI-Schule vom Staat übernommen wurde.

Was für Herausforderungen gab es dabei?

Meine größte Herausforderung war es, immer genügend Geld zu akquirieren. Dafür hielt ich in Deutschland viele Vorträge. Und bei meinen jährlichen Reisen alle Dörfer mit Unterricht persönlich zu besuchen, fast immer zu Fuß. Oft mussten wir mehrere Stunden steil bergauf wandern, um zu den Dörfern zu kommen. Schulbauten waren oft ein sehr großes Problem, weil sämtliche Baumaterialien über weite Strecken in die Dörfer getragen werden mussten. Das dauerte manchmal viele Monate. In den letzten Jahren stockte die Übernahme der Schulen durch den Staat. Letztes Druckmittel blieb nur die ernsthafte Ankündigung von Schulschließungen.

Inzwischen hat der Staat alle diese Schulen übernommen. Was macht APEI jetzt?

Wir führen jetzt noch zwei Projekte weiter im Bereich weiterführende Bildung: Wir bieten Kindern, bevorzugt Mädchen, aus sehr abgelegenen Dörfern die Möglichkeit, die Klassen 7 bis 9 zu besuchen. Dazu haben wir eine Mittelschule mit angeschlossenem Internat, wo sie von den Lehrer montags bis freitags rund um die Uhr betreut werden. Außerdem erhalten Absolventen dieser Schule die Möglichkeit, bis zum Abitur zu kommen. Dazu leben Sie im Hauptort in unserer Wohngruppe zusammen und besuchen den Unterricht in verschiedenen Schulen, je nach geplanter beruflicher Orientierung. Zu dieser Wohngruppe gehören inzwischen auch einige Jugendliche, die zur Uni gehen. Zusätzlich engagieren wir uns für die Verbesserung der Lebensumstände in den Dörfern. Wir haben etwa unterstützt, dass die Familien Herde mit Ofenrohr nach außen anschaffen konnten und nicht mehr auf offenen Feuern im Wohnraum kochen müssen.

Was sind für Sie besondere Erfolgserlebnisse in dem Projekt?

Der größte Erfolg war, dass APEI als eine kleine Gruppe persönlich Engagierter maßgeblich daran beteiligt war, in der Ixil Region flächendeckend allen Kindern Zugang zu Grundschulen zu verschaffen, und das innerhalb von 29 Jahren mit den gleichen Verantwortlichen, die auch Gründer waren. Wunderbar war auch die Möglichkeit, als Ausländer das Leben in abgeschiedensten Dörfern kennenzulernen, Dankbarkeit und Gastfreundschaft zu erfahren. Das hat auch meine Einstellung, was wichtig ist im Leben, verändert. APEI ist meine Lebensaufgabe geworden. Ein Highlight war natürlich, in Esperanza Amakchel einen Dokumentarfilm drehen zu können, in dem einer unserer Schüler portraitiert wird, in der Reihe „199 kleine Helden“ exemplarisch für guatemaltekische Kinder.

Welche Kooperationspartner hat APEI vor Ort?

Wir haben keine Kooperationspartner, pflegen aber zu den lokalen staatlichen Schulbehörden gute Kontakte. Unser Leiter Aroldo als Ixil ist in der Region sehr gut vernetzt. Wichtig ist auch, dass wir gute Beziehungen zu den Eltern und der Verantwortlichen in den Dörfern pflegen.

Wie ist die Situation in Guatemala und in der Ixil-Region heute?

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten gibt es einen progressiven Präsidenten, der ernsthaft daran arbeitet, die Korruption zu bekämpfen. Das macht mich optimistisch. Ich habe beobachtet, dass in den letzten Jahren die Indigenen selbstbewusster geworden sind, und besser organisiert friedlich für ihre Rechte kämpfen. In der Region hat sich die Infrastruktur langsam verbessert. Es zeigen sich gerade bei der jüngeren Generation die Auswirkungen verbesserter Schulbildung. Auch die Rolle der Frau hat sich verändert.

Was gefällt Ihnen im Bergischen besonders gut?

Ich habe immer hier gelebt und liebe die Natur, die vielen Wälder im Bergischen Land. Auch innerhalb der Großstädte gibt es sehr viel Grün. Und die sensationellste Aussicht auf Wuppertal ist für mich der Ausblick aus meiner Wohnung. Von Sonnborn bis Langerfeld liegt mir, bildlich gesprochen, ganz Wuppertal zu Füßen.

Was ist Ihr Geheimtipp im Bergischen?

Mein Geheimtip ist ein spanisches Restaurant: „Marines“ in einem alten Haus an der Ecke Wiesenstraße/Uellendahler Straße. Tolle Atmosphäre mit originaler, alter Holzverkleidung. Kleine Karte, die täglich wechselt. Alles wird frisch gekocht. Entspanntes Publikum. Und wenn die agile Chefin Merry Zeit hat, kann man auch Spanisch mit ihr sprechen.

Text: Tanja Heil

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