Verkaufsoffener Sonntag - Gut fürs Image von Handel und Stadt

Der verkaufsoffene Sonntag bleibt ein viel diskutiertes Thema. Eine aktuelle IHK-NRW-Umfrage hat deutlich gemacht, wie wichtig diese Möglichkeit für Handel und Innenstädte ist. Und das hat Gründe.

„Ich kann die Vorteile der Sonntagsöffnun­gen gar nicht unbedingt an den Umsatzzahlen festmachen. Aber es ist und bleibt nun mal ein wichtiges Marketinginstrument“, erklärt dazu Frauke Pohlmann, Vorstandsmitglied der Ohligser Werbe- und Interessengemeinschaft. „Denn am Sonntag haben die meisten Menschen nun mal mehr Muße und überlegen sich dann vielleicht einmal dahin zu fahren, wofür sie sonst im Alltag keine Zeit haben.“ Dadurch entstehen weitere Kontakte, aus denen manchmal auch erst später ein Geschäft resultiert. Ein Beispiel: Ein Ehepaar besucht die Goldschmiede von Frauke Pohlmann. Der Ehemann kommt ein paar Wochen später, um das Schmuckstück zu kaufen, das seiner Frau so gefiel. Insofern lasse sich der Umsatz nicht nur an dem einen verkaufsoffenen Sonntag erkennen.

„Hinzu kommt, dass wir als Stadt und Ortsteil auf uns aufmerksam machen; wir werden wahrgenommen, hier findet etwas statt.“ Laut Ladenöffnungsgesetz muss ein verkaufsoffener Sonntag etwa verbunden sein mit einer großen Veranstaltung. Aus Sicht Pohlmanns profitieren dann beide Seiten: „Ich bin überzeugt davon, dass der verkaufsoffene Sonntag einem Stadtteilfest zusätzliche Zugkraft verleiht. Er ist eben ein Magnet für die Menschen. Viele lokale Akteure wie der Turnverein, die Freiwillige Feuerwehr oder der Jugendtreff beteiligen sich immer wieder gerne daran. Und, ehrlich gesagt, ist ein Fest, das vor verschlossenen Geschäften stattfindet, nur halb so schön“, findet die Goldschmiedin.

Kritik, dass die Angestellten durch die Sonntagsöffnungen zu wenig Privatleben haben könnten, kann sie nicht nachvollziehen: „Wir teilen uns doch die vier möglichen Tage im Jahr; und es macht auch Spaß, denn ich finde, die Kunden sind an so einem Tag viel entspannter.“ Offene Sonntage einmal im Monat oder sogar wöchentlich hält sie hingegen für nicht sinnvoll. „Der verkaufsoffene Sonntag hat dann doch seinen Reiz völlig verloren.“

All diese Aussagen spiegeln sich in der Umfrage der IHK NRW wider: Über 260 Interessen- und Werbegemeinschaften aus ganz NRW nahmen an der Umfrage teil. Anlass dafür sind unter anderem Klagen gegen Sonntagsöffnungen, die deren Durchführung oder bereits die Beantragung verhindern.

Mehr als 50 Prozent geben den Stellenwert von Sonntagsöffnungen als „sehr wichtig an“, knapp 30 Prozent als „wichtig“ an. Und genauso wie es Frauke Pohlmann erklärt, steht bei den Einzelhändlern nicht unbedingt der Mehrumsatz im Vordergrund, sondern die Chance, Einkaufsbereiche zu präsentieren, das Image zu stärken und langfristig neue Kunden zu gewinnen. Wobei gut 45 Prozent der Befragten dennoch angeben, „überdurchschnittlichen“ Umsatz zu machen.

Die Sichtbarkeit eines Standortes betont auch Björn Musiol. Er ist Geschäftsführer des Handelsverbandes Nordrhein-Westfalen – Rheinland e. V. / Regionalleitung Kreis Mettmann & Bergische Region: „Es geht darum, eine Stadt erlebbar und überörtlich sichtbar zu machen. Eine Veranstaltung mit Strahlkraft und ein verkaufsoffener Sonntag machen Werbung für den Wohn- und Gewerbestandort, und dazu gehört eben auch der Handel.“

Björn Musiol erklärt, wie wichtig eine gute Beantragung der verkaufsoffenen Sonntage ist. Grundsätzlich ist versucht worden, das Ladenöffnungsgesetz NRW für die Beantragung und Genehmigung zu vereinfachen. Meist sind es Werbe­gemeinschaften, Stadtmarketing oder die Wirtschaftsförderung, die zunächst den Antrag auf eine bestimmte Anzahl von verkaufsoffenen Sonntagen stellen. Diese sollten etwa im Zusammenhang mit ört­lichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen stehen. Es müsse eine plausible Grundlage für den Antrag geschaffen werden.

Dabei hilft eine sogenannte Anwendungshilfe: Um Kommunen, den Handel und andere Beteiligte in dem Prozess der Beantragung von verkaufsoffenen Sonntagen zu unterstützen, steht auf Grundlage des aktuellen Gesetzes und einschlägiger Rechtsprechung von der Landesregierung eine Anwendungshilfe zur Verfügung. Hier geht es um den Hintergrund der Regelungen zu verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen und bestimmte Anwendungskonstellationen. „Diese Unterlagen werden dann beim Ordnungsamt eingereicht, das diese für das Abstimmungsverfahren an unterschiedliche Stellen wie IHK, Handelsverband und Verdi leitet. Sie formulieren eine Stellungnahme zum Antrag.“ Wenn diese Stellungnahmen vorliegen, stimmt der Stadtrat darüber ab.

Bei Klagen der Gewerkschaft Verdi gehe es in der Regel um den Schutz des Personals. „Das ist mir teilweise viel zu pauschal, denn oft sind die Inhaber selbst vor Ort im Betrieb, um an dem verkaufsoffenen Sonntag teilnehmen zu können.“ Insofern sei der Personalaufwand überschaubar, so Musiol. Die positiven Effekte überwiegen demnach: „Es ist spannend zu sehen, ob sich Betriebe ein kreatives Angebot für den Sonntag haben einfallen lassen“, so Björn Musiol weiter. So gab es in einer Stadt eine Tütenaktion; hier bekamen die Kunden für den Sonntag passend gestaltete Einkaufstaschen. Andere halten ein Angebot für Kinder vor, damit die Eltern in Ruhe die Veranstaltung besuchen und shoppen können. Andere Händlerinnen und Händler stellen den Tag unter ein bestimmtes Motto. „Letztlich geht es darum, die Stadt, den Stadtteil mit seinem Angebot und seiner Lebendigkeit vorzustellen.“ Deshalb präsentieren sich oft auch die Ortsvereine während eines Events.

Der Umsatz stehe an solchen Tagen nicht im Fokus, sondern das Gefühl der Kundschaft, dass sie bestimmte Dinge auch im Ort bekommen und nicht nur im Online-Handel. „Die gesetzlich festgelegte Maximalzahl von acht verkaufsoffenen Sonntagen nehmen wir hier im Bergischen und Kreis Mettmann gar nicht wahr, sondern wir beschränken uns meistens auf vier Termine. Bei alledem ist auch hier die Planungssicherheit wichtig; wenn durch eine Klage kurzfristig alles abgesagt werden muss, ist das teuer und wirkt sich negativ auf die Stadt aus“, sagt Musiol.

Genau auf diese Planungssicherheit legt auch IHK-Vizepräsidentin und Regionalvorsitzende des Handelsverbandes Rheinland, Bärbel Beck, Wert: „Für die Händlerschaft ist sie grundlegend: Wenn kurzfristig der verkaufsoffene Sonntag ausfällt, ist das für alle Beteiligten und die Menschen, die einen Besuch geplant hatten, ärgerlich.“ Grundsätzlich hält sie die verkaufsoffenen Sonntage sowohl für den Einzelhandel als auch die Gastronomie für sehr wichtig, denn vor allem dann besuchen Menschen entspannt einen Stadtteil, den sie vielleicht vorher noch nicht kannten. „Da der verkaufsoffene Sonntag immer anlassbezogen mit historischen Festivitäten stattfindet, nehmen dies Freunde und Bekannte zum Anlass, sich vor Ort zu treffen.“ Deshalb findet sie auch die fixen und planbaren Termine wichtig. „Menschen erleben ihren eigenen Stadtteil wieder neu. Das Zusammenleben und -treffen wird wieder gefördert. Gerade in den Zeiten des Online-Handels ist das so ein positiver Effekt!“

Und das will attraktiv gestaltet sein; der Einzelhandel sollte sich etwas Besonderes für den Tag einfallen lassen, findet Bärbel Beck: Möglich ist es zum Beispiel, sich an der IHK-Kampagne „Gemeinsam Heimat shoppen“ zu beteiligen: Dabei sollen die Innenstädte als zentrale Kommunikations- und Begegnungsorte für die gesamte Stadtgesellschaft gestärkt werden. Und gerade für die kleineren Städte im Bergischen sieht Bärbel Beck eine gute Chance, sich mit den vielen Vorzügen bekannt zu machen: „Unsere Städtchen haben so viel Charme - meist mit historischem Stadtkern; viele Menschen kommen sogar aus Düsseldorf. Ich denke, das liegt auch daran, dass wir nicht so viele Konzerne, sondern inhabergeführte Geschäfte haben“, sagt sie. Künftig hofft Bärbel Beck, dass nicht nur die historischen Feste die verkaufsoffenen Sonntage möglich machen, sondern auch neue Festivitäten, die sich erst noch etablieren müssen.

In Wuppertal hat es laut Stadt wegen des geforderten Zusammenhangs mit Großveranstaltungen im Jahr 2022 zwei verkaufsoffene Sonntage gegeben – und in den Jahren 2023 und 2024 jeweils einen in Barmen. „Mit der Novellierung des Laden­öffnungsgesetzes 2018 war die Erwartung verbunden, dass die rechtlichen Hürden für die Zulassung von verkaufsoffenen Sonntagen niedriger werden. Die seitdem ergangene Rechtsprechung hat jedoch gezeigt, dass die Öffnung von Verkaufsstellen an Sonntagen nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich ist“, erklärt die Stadt. Dabei täten Handel und Stadtzentren die Öffnung am Sonntag gut. „Nach dem Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt Wuppertal werden verkaufsoffene Sonntage als ein geeignetes Instrument zur zusätzlichen Stärkung der örtlichen Problemlagen in Wuppertal eingestuft“, heißt es seitens der Stadt.

Bei den für die Öffnung nötigen Veranstaltungen muss grundsätzlich darauf geachtet werden, dass sie potenziell mehr Menschen in die Innenstadt ziehen als der verkaufsoffene Sonntag selbst. Das ist bei der Beantragung wichtig, weiß auch IHK-Vizepräsidentin Katrin Becker. Die Center­managerin der City-Arkaden betont: „Der verkaufsoffene Sonntag ist ganz klar ein Marketinginstrument. Der Einzelhandel konkurriert vor allem seit Corona mit dem Online-Handel, der 24/7 erreichbar ist. Auch das Einkaufsverhalten hat sich geändert. Die Menschen kommen oft gezielt am Wochenende in die Stadt. In den letzten Jahren ist die Kundenfrequenz gesunken, aber der Durchschnittsbon deutlich gestiegen.“

An einem Sonntag aber kann der stationäre Einzelhandel seine Fach- und Beratungskompetenz vor Ort zeigen und die positive Stimmung nutzen, um der Kundschaft in Erinnerung zu bleiben. Gerade diejenigen, die sonst lieber in eine andere, größere Stadt fahren, um zu shoppen, stellen vielleicht fest: Hier vor Ort kann ich auch mein Geld für eine Winterjacke ausgeben. „Es ist wichtig, die Menschen an den Standort heranzuführen. Gerade an den verkaufsoffenen Sonntagen ist all das möglich“, so Katrin Becker.

In Wuppertal allerdings gibt es eine besondere Situation: Wegen der vielen Baustellen ist ein größeres Event flächendeckend in der gesamten Innenstadt nicht erlaubt, sondern nur an einzelnen Standorten wie dem Neumarkt oder Von der Heydt-Platz. „Deshalb haben wir seit drei Jahren keinen verkaufsoffenen Sonntag mehr beantragt. Ich hoffe sehr, dass sich die Situation im kommenden Jahr endlich verbessert.“ Auch zu Verdis Kritik der mangelnden Familienfreundlichkeit äußert sich Katrin Becker und betont: „In den City-Arkaden gibt es niemanden, der Probleme hat, Personal zu finden, denn viele freuen sich, wenn sie von 13 bis 18 Uhr gutes Geld verdienen können. Ich halte es für fragwürdig, zum Beispiel Müttern gerade diese Chance zu nehmen.“

Die Gewerkschaft Verdi, die in der Region immer wieder gegen verkaufsoffene Sonn­tage geklagt hatte, verweist vor allem auf den gesetzlichen Schutz des arbeitsfreien Sonntags im Sinne der Beschäftigten - und behalte sich vor, gegen geplante Sonntags­öffnungen zu klagen, wenn der nötige Anlassbezug nicht ausreichend sei. „Viele Beschäftigte sind durch Arbeitszeiten am Abend und am Samstag in ihrem privaten und gesellschaftlichen Leben stark einge­schränkt. Sie brauchen den Sonntag als Tag der Erholung und gemeinsamen Freizeit mit ihren Freunden und Familien“, so die Verdi auf Anfrage. Dazu würde es keine Belege für mehr Umsatz durch Sonntagsöffnungen geben, „da die Kaufkraft nicht steigt, sondern lediglich auf den Sonntag verlagert wird.“

Text: Eva Rüther

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