FAB Region - Städte versorgen sich selbst
In welchem Umfang kann eine Region das produzieren, was sie vor Ort konsumiert? Wie können Ressourcen vor Ort identifiziert und in kreislaufwirtschaftliche Geschäftsmodelle integriert werden?
Seit Beginn des Jahres sind acht Initiativen und wissenschaftliche Institutionen aus dem Bergischen Städtedreieck damit befasst, anschauliche Projekte für eine konsequente Kreislaufwirtschaft in der Region zu identifizieren. Das Projekt FAB Region Bergisches Städtedreieck folgt dem Prinzip einer „Fab City Global Initiative“, einer Stadt oder Region, die ihre eigenen Konsumgüter herstellt. Das Bergische Städtedreieck ist derzeit Fab Region *in the making und wird sich der gleichnamigen globalen Initiative anschließen. Weltweit gehören über 50 Städte und Regionen zum Fab City-Verbund, so auch Barcelona, Paris, Boston und Mexico City, in Deutschland sind es bisher die Städte Hamburg und Augsburg. Nun soll mit dem Bergischen Städtedreieck die erste deutsche Region hinzukommen. Im Oktober hat das Projekt mit der Unterzeichnung des Memorandum of Understanding seine Anwärterschaft als Mitglied der Fab-Community unterzeichnet. Diese Mitgliedschaft bedeutet zukünftig viel Austausch und Inspiration, ist aber gleichermaßen auch eine Verpflichtung auf eine gemeinsame Vision und den Willen zum Austausch von Wissen.
Lokale Produktion mit selbstversorgenden Städten – das ist eine der Visionen hinter dem Namen Fab City. Auf dem Weg dahin muss viel Grundlagenarbeit erfolgen: Lernprozesse für ein besseres Verständnis für Produktions- und Konsumsysteme müssen organisiert werden, genauso wie die Möglichkeiten, Projektansätze auszuprobieren und zu qualifizieren – zusammen mit Bürgern, Unternehmen und Wissenschaft. Bereits in 2.000 solcher Fab Labs auf der ganzen Welt werden gemeinschaftlich kreative, innovative und technische Entwicklungen erdacht, probiert und umgesetzt. Mit neuen Produktionsverfahren, mit offen zugänglichen Werkstätten, einer neuen digitalen Infrastruktur und einer umfassenden Teilhabe der Menschen in ihren jeweils eigenen Bioregionen.
Das Städtedreieck ist ein gewachsener Produktionsstandort. Zur DNA der Unternehmenslandschaft gehört es, sich immer wieder engagiert neu zu erfinden. Zwei Eigenschaften, die unter anderem dafür ausschlaggebend waren, eine Förderung aus dem EFRE-Programm Regio.NRW–Transformation zu bekommen. Für das Projekt Fab Region waren schnell die passenden Partner gefunden, die zum einen als Innovationsorte dienen und zum anderen eine wissenschaftliche Begleitung stellen.
Einer dieser Orte ist die Innovations- und Gründerschmiede Remscheid. Hier kümmert sich Nicole Haas um die Umsetzung der Fab-City-Ansätze. Sie ist in der Unternehmenslandschaft und insbesondere in der Gründerszene bestens vernetzt. Mit ihrer „Draufsicht“ bringt sie Start-ups und Unternehmen zusammen. Neue Ideen werden produziert: „Ich arbeite zusammen mit den Gründern an der Ursprungsidee und versuche gemeinsam mit ihnen, sowohl in die Produktidee als auch in die Produktion den Kreislaufgedanken einzubringen. Wie kann Recycling stattfinden? Wer kann Produktteile weiternutzen? Ein gutes Beispiel: Ein Unternehmen setzt ausgemusterte analoge Wasserzähler instand und kann sie weiterverkaufen. Eine neue Geschäftsidee, die genau den Kreislaufgedanken bedient.“ Ein gutes, anschauliches Beispiel, ein erster Schritt. Aber schon vorher, bei der Berufsausbildung, sollte der Kreislaufgedanke platziert werden. So hat Nicole Haas zum Beispiel Kontakt zu den Berufskollegs aufgenommen, um zu überlegen, wie das Thema Teil der Ausbildung werden könnte. Die Idee, vielschichtige Lernprozesse zu erzeugen und Lernformate zu entwickeln, gehört zum Gesamtpaket einer Fab City. Es geht auch um einen gemeinsamen, weltweiten Lernprozess. Der fortwährende Austausch erfolgt über Kongress-, Workshop- und Plattformformate. Ansonsten wird in der Region kein neues Netzwerk errichtet. „Wir versuchen, all das, was bereits existiert, miteinzubeziehen“, sagt Nicole Haas.
So ist mit Gut Einern in Wuppertal ein Partner gefunden worden, der bereits Grundlagen für eine landwirtschaftliche Produktion in der Stadt und am Stadtrand erprobt hat. Im Rahmen von Fab Region „drehen“ die Partner ihre Experimente weiter. Wie können zum Beispiel Miniaturkreisläufe für die Lebensmittelproduktion installiert werden – biodiverse Produktion vertikal und auf engstem Raum? Dazu sind nachhaltige „Anbausäulen“ in der Entwicklung. Auch dieses Lab setzt auf Beteiligung, Vermittlung und Mitnahme von vielen Menschen: Zum Beispiel mit einem mobilen Makerspace, einem Lernbus. Er soll bestückt werden mit verschiedenen Fertigungsmodulen und Technologieangeboten, von einer Textilwerkstatt über eine KI-Entwicklungsstation bis zur Produktionsstätte für Upcycling. Zudem ist ein ähnlicher Makerspace vor Ort bereits im Entstehen. Beides stellt eine Einladung an jegliche Kreativität dar und befördert damit das Ausprobieren und im günstigsten Fall gemeinschaftliche Prozesse.
„Was wir zusätzlich zu den konkreten Vorhaben erreichen möchten, ist, dass eine Community entsteht, die den Nachhaltigkeits- und Kreislaufgedanken in alle Ebenen trägt, in die Schulen, die Ausbildung und die Unternehmen. Das Ziel ist, dass sie alle das Fab Region-Prinzip leben und umsetzen“, so Oliver Francke von der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH. Er hat die Projektidee ins Bergische Städtedreieck gebracht. Zu den Projektbeteiligten gehören auch einige wissenschaftliche Institutionen, die die angestoßenen Prozesse und Projekte begleiten und auswerten – eine gute Grundlage, um auch in den internationalen, vergleichenden Austausch zu gehen.
„Laborhaft arbeiten, ausprobieren, vielleicht auch mal scheitern“, so nennt es Stephan A. Vogelskamp, Geschäftsführer der Bergischen Gesellschaft. „Dass die Landesregierung mit dem Projekt Fab Region so viel Vertrauen in die Entwicklungskraft des Bergischen Städtedreiecks setzt, freut uns. So können wir auch teilweise die Ansätze des Projektes ‚Urbane Produktion‘ auf ein nächstes Level bringen.“
Gemeinsam mit den Innovationsorten Gründerschmiede (RS), Gut Einern (W) und Gläserne Werkstatt (SG) wird das Projekt von der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH, dem Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP), dem Institut Arbeit und Technik, dem Start-up Center der Bergischen Universität Wuppertal sowie dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie getragen.
Das Projekt „FAB Region Bergisches Städtedreieck – Transformation hin zu einer co-kreativen Kreislaufwirtschaftsregion“ wird bis Ende 2026 aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Text: Anette Kolkau