Welt-Aids-Tag - HIV im Berufsleben
Obwohl Medikamente ein normales Leben ermöglichen, trauen sich Betroffene selten, ihre HIV-Diagnose bekannt zu machen. Daniel Viebach von der Aidshilfe Wuppertal erklärt die Hintergründe.
Wie haben sich die HIV-Infektionszahlen in den vergangenen Jahren entwickelt?
In Deutschland lebten 2023 rund 97.000 Menschen mit der Diagnose HIV, was im europäischen oder internationalen Vergleich eine niedrige Prävalenz bedeutet. Darin enthalten ist eine Dunkelziffer von knapp unter zehn Prozent. Bei diesen „Late Presentern“ wird eine HIV-Infektion oft erst im Stadium einer Aidserkrankung zum Teil zufällig bei Routine-Untersuchungen festgestellt. Zu den neuen Herausforderungen bei unserer Arbeit gehört die Unterstützung von zugewanderten oder zu uns geflüchteten Menschen. Menschen in der Ukraine sind häufiger mit HIV infiziert, können aber in ihrer Heimat auf weniger Unterstützungsstrukturen zurückgreifen. Darauf haben wir mit ukrainischsprachigen Info-Materialien reagiert und versuchen, unsere Angebote, etwa die Möglichkeit eines kostenlosen HIV-Tests, stärker zu kommunizieren.
Wie wirkt sich eine HIV-Infektion auf den beruflichen Alltag aus?
Grundsätzlich gilt, dass ein Mensch mit HIV-Infektion dank entsprechender Medikamente, die das Auftreten von Aids unterbinden, ein gutes und langes Leben führen kann. HIV ist sowohl im beruflichen als auch privaten Alltag nicht übertragbar – dank der Medikamente auch nicht bei sexuellen Kontakten oder bei Schwangerschaften.
Wie wird von Seiten der Arbeitgeber mit HIV umgegangen?
Rund 250 Unternehmen und öffentliche Arbeitgeber haben die Deklaration #positivarbeiten unterzeichnet und setzen sich für einen diskriminierungsfreien Umgang mit HIV-positiven Menschen im Arbeitsleben ein. Neben Größen, wie dem Technologiekonzern Bosch oder der Deutschen Bahn, engagiert sich auch die Stadt Wuppertal für einen selbstverständlichen Umgang mit HIV. Ich wünsche mir, dass weitere Akteure aus dem Städtedreieck diesem Beispiel folgen. Denn laut der Studie „Positiv leben“ trauen sich 75 Prozent der mit HIV lebenden Menschen nicht, ihre Infektion öffentlich zu machen. Die Gründe sind unverändert geblieben: Vorbehalte, Schuldzuweisungen und die unbegründete Angst einer Ansteckung. Betroffene ziehen sich aufgrund eigener Diskriminierungserfahrungen zurück, haben diese bei anderen erlebt oder in der Familie erfahren.
Wie versucht die Aidshilfe diese Situation zu ändern?
Mit Aufklärung: Wir beginnen bereits in den Schulen, in denen wir über HIV und Aids aufklären und Sexualität generell thematisieren. Wir haben Bildungsangebote, etwa für Auszubildende im Gesundheitssystem. Auch sprechen wir mit Führungskräften und Personalvertretungen über diese Themen. Mit der Aktion „WAT’ne Pause“, angelehnt an den Welt-Aids-Tag, kurz WAT, haben wir ein Angebot geschaffen, das ein Pausenpaket mit Snacks sowie einem Quiz und Infomaterial zu unseren Themen umfasst. Darüber hinaus besuchen wir Unternehmen für Kurzvorträge, zu denen man uns gerne ansprechen kann.
Vor welchen Herausforderungen steht die Aidshilfe?
HIV und Aids sind nach den großen Kampagnen der 1980er und 1990er Jahre im Bewusstsein der Menschen verblasst. Präsent geblieben sind die Risiken und die Lebensgefahr einer HIV-Infektion sowie die Überzeugung, Menschen mit HIV seien selbst schuld an ihrer Infektion. Dabei gibt es dank der Medikamente weder Gründe für Vorbehalte noch für Scham. Die fehlende Themenpräsenz lässt auch die Spendenbereitschaft für uns sinken. Nun plant das Land NRW (Stand Ende Oktober 2024, Anm. d. R.), das neben der Stadt Wuppertal unsere Arbeit finanziert, die Zuschüsse für alle Aidshilfen im Landeshaushalt um 35 Prozent zu kürzen. Das wird gravierende Auswirkungen auf unsere Arbeit haben. Viele Angebote, etwa „Das positive Frühstück“, zu dem wir Menschen mit HIV sowie deren Freunde und Angehörige einladen, können dann nicht mehr fortgesetzt werden. Das sind wichtige Angebote, die sich auch gegen Einsamkeit richten.
Wie können Unternehmen und Einzelpersonen die Arbeit der Aidshilfe unterstützen?
Durch Spenden, vor allem langfristige, da sie den dauerhaften Erhalt von Angeboten ermöglichen. Weiter kann man uns mit einer Mitgliedschaft in unserem Verein unterstützen. Auch freuen wir uns über neue Ehrenamtler, die uns etwa bei der Umsetzung bestehender Angebote und der Entwicklung neuer Formate oder durch Mitarbeit im Vorstand unterstützen.
Das Gespräch führte Martin Wosnitza.