Regulierungen - Hauptproblem ist die Umsetzung

Dr. Markus Doumet vom Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Corporate Governance an der Bergischen Universität zieht den Vergleich mit Skandinavien.

Herr Dr. Doumet, stellen wir uns mal kurz eine Waage für Bürokratie vor: Wie schwer wiegt die Belastung der Unternehmen tatsächlich?

Die Ergebnisse unserer kürzlich durchgeführten Umfrage zur Bürokratiebelastung bei Unternehmen im Bergischen Städtedreieck zeigen ein besorgniserregendes Bild. Branchenübergreifend gaben 37 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie die Bürokratiebelastung als „hoch“ empfinden, während weitere 25 Prozent diese sogar als „sehr hoch“ bewerten. Dies zeigt, dass viele Unternehmen in der Region mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert sind, die durch komplexe Vorschriften und administrative Anforderungen entstehen. Die Wahrnehmung der Bürokratiebelastung hängt stark von verschiedenen Faktoren wie Unternehmensgröße und -branche ab. Zwar verfügen größere mittelständische Unternehmen oft über mehr Personal und Fachwissen, um mit diesen Anforderungen umzugehen. Gleichzeitig müssen sie aber auch umfangreichere Berichtspflichten erfüllen. Dies kann dazu führen, dass die wahr­genommene Bürokratiebelastung insgesamt höher ist, auch wenn die nötigen Ressourcen zur Bewältigung vorhanden sind.

Wo liegen die größten Probleme?

Die größte Herausforderung für Unternehmen in Deutschland liegt weniger in der Regulierungsdichte, also in der bloßen Anzahl an Vorschriften, als vielmehr in der Art und Weise, wie diese umgesetzt und durchgesetzt werden. Obwohl einige europäische Länder, insbesondere Skandinavien, eine ähnlich hohe Regulierungsdichte aufweisen, wird die Bürokratiebelastung dort als deutlich geringer empfunden. Die Verwaltung in den skandinavischen Ländern agiert insgesamt serviceorientierter und wirtschaftsfreundlicher: Dort arbeiten Behörden als Partner von Unternehmen und Bürgern, handeln effizient und lösungsorientiert und fördern durch eine positive Fehlerkultur kontinuierliche Verbesserungen.

Kommune, Land, Bund, EU – wo sehen Sie den größten Änderungsbedarf?

Die größten Änderungsbedarfe bestehen aus Sicht der von uns befragten Unternehmen vor allem auf Bundes- und EU-Ebene. Die Vielzahl an Vorschriften, die aus Brüssel und Berlin kommen, wird häufig als komplex und wenig an die Bedürfnisse der Wirtschaft angepasst empfunden. Auf kommunaler Ebene könnte aber ebenfalls ein wesentlicher Beitrag zum Bürokratieabbau geleistet werden. Die Verwaltung muss effizienter und serviceorientierter werden. In Deutsch­land ist zudem der Nachholbedarf bei der Digitalisierung der Verwaltung gravierend, da wir hier den Anschluss an andere Industrienationen verloren haben.

Ohne gewisse Regeln und Vorschriften ist ein gutes Zusammenleben nicht möglich – welche Art der Bürokratie brauchen wir also?

Eine funktionierende Gesellschaft erfordert zwar Regeln und Vorschriften, doch die Art und Weise, wie wir diese umsetzen, ist entscheidend. In Europa neigen wir oft dazu, komplexe Sach­verhalte durch noch kompliziertere Vorschriften bis ins Detail zu regulieren. Dieser Ansatz führt nicht selten zu Überregulierung und einer unnötigen Bürokratiebelastung. Stattdessen wäre es wünschenswert, den betroffenen Stakeholdern mehr Eigenverantwortung zu übertragen. Dies fördert nicht nur die Flexibilität, sondern auch das Vertrauen in die Fähigkeit der Akteure, Lösungen zu finden und Entscheidungen zu treffen. Wo Markt- und Preismechanismen effizient funktionieren, sollten wir ihnen Vorrang einräumen gegenüber starren, kodifizierten Vorschriften. Der Markt hat oft die Fähigkeit, schneller und adaptiver auf Veränderungen zu reagieren, als es durch regulatorische Maßnahmen möglich ist.

Was können Unternehmen selbst tun, um sich das Leben ein bisschen leichter zu machen?

Sie haben durchaus Handlungsspielraum, um die Bürokratiebelastung zu senken. Auch wenn die Verwaltung noch nicht vollständig digitalisiert ist, können sie intern digitale Tools nutzen, um Prozesse zu standardisieren und zu vereinfachen. Besonders durch die Implementierung von Softwarelösungen, die Meldungen und Berichte automatisieren, lassen sich Zeit und Ressourcen sparen. Eine weitere Möglichkeit ist der gezielte Austausch mit anderen Unternehmen zu aktuellen Regulierungsthemen. Gerade hier im Bergischen Städtedreieck wird dies aktiv praktiziert, wodurch Betriebe voneinander lernen und gemeinsam Strategien entwickeln können, um neue regulatorische Anforderungen effizient zu meistern.

Das Gespräch führte Daniel Boss.

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