- Freude, Schmerz, Erinnerungen
Der ambulante Hospiz- und Palliativberatungsdienst Lebenszeiten feiert Jubiläum. 30 Jahre Sterbebegleitung – ein großer Erfolg, der einzig und allein durch ehrenamtliches Engagement geschultert wird.
An Weihnachten gehen alle Türen auf. Dann gibt es kein Zurückhalten mehr – Freude, Schmerz und Erinnerungen bahnen sich ihren Weg an die Oberfläche. Vor allem Erinnerungen an emotionale Erlebnisse aus vergangenen Tagen, sagt Ingrid Janschek. „Jeder Mensch hat Weihnachtserinnerungen, positive wie negative.“ Janschek ist seit 2016 beim Wuppertaler Hospizverein Lebenszeiten und bildet zusammen mit Addy Brückner-Winkels, Benjamin Richarz, Christina Steppan und Georgia Räder den Vorstand.
Ingrid Janschek hat auch die hauseigene Theatergruppe WIR gegründet, die sich mit den unerfüllten Wünschen von Menschen am Lebensende auseinandersetzt. Aus ihrer Erfahrung heraus ist die Weihnachtszeit besonders emotional aufgeladen, sowohl für die Begleiteten als auch für die Begleiter:innen. „Viele Menschen wissen, dass dies wahrscheinlich die letzten Weihnachten sind, die sie erleben.“ Das sei einerseits belastend, andererseits sorge es dafür, dass die Menschen sich mehr öffnen und mehr Nähe zulassen. Für die rund 65 Hospizbegleiter:innen, die für Lebenszeiten im Stadtgebiet unterwegs sind, sei das immer eine herausfordernde Zeit. Aber auch eine, die zu besonderes intensiven Begegnungen führe. So sei es nicht unüblich, dass die Ehrenamtlichen auch an Heiligabend und den anderen Feiertagen Zeit bei den Patient:innen verbringen.
„Das ist schon eine absolut einzigartige Arbeit“, sagt Rita Witt, die als eine von vier Koordinatorinnen die Abläufe im Blick hat. Man brauche eine ordentliche Portion Mut, sich darauf einzulassen. Aber nicht nur das. Alle Ehrenamtlichen müssen, bevor sie den unheilbar kranken und sterbenden Menschen zur Seite stehen, einen sogenannten Befähigungskurs absolvieren. In diesem lernen die zukünftigen Hospizbegleiter:innen vor allem eines: sich selbst kennen. Rita Witt bezeichnet den Kurs auch gerne als eine „Reise zu sich selbst“. Im Rahmen des Kurses werden Fragen behandelt wie: Was passiert beim Sterbenden im Körper? Wie gehe ich mit der eigenen Ohnmacht um? Welche Beziehung habe ich zum Tod? Auch nach dem Start in die Hospizbegleitung steht der Verein den Ehrenamtlichen vertrauensvoll zur Seite. Austausch ist von zentraler Bedeutung. Ob bei den monatlichen Treffen in den Vereinsräumen oder auch im persönlichen Gespräch unter vier Augen. Niemand wird alleingelassen.
Der Wuppertaler Verein bietet grundsätzlich kostenfreie Begleitung für alle Menschen – unabhängig von Alter, Herkunft, Religion oder Weltanschauung und dort, wo der oder die Sterbende lebt. Das kann das eigene Zuhause sein, das Pflegeheim oder das Krankenbett in der Klink. Darüber hinaus bietet der Verein regelmäßig sogenannte Letzte-Hilfe-Kurse an, richtet sich mit dem Programm „Hospiz macht Schule“ auch an die jüngere Generation und informiert zu wichtigen Themen wie „Patientenverfügung“. Die Teilnahme am Trauercafé, an individuellen Trauergesprächen oder -spaziergängen sowie an der oben genannte Theatergruppe WIR steht allen Interessierten offen.
Im kommenden Jahr will das Team das 30-jährige Bestehen des Vereins feiern. „Das 25-jährige Jubiläum mussten wir wegen der Corona-Pandemie ja leider ausfallen lassen“, so Janschek. Umso umfangreicher sei das jetzt geplante Programm, das sowohl Veranstaltungen für Mitglieder als auch für interessierte Wuppertaler:innen bereithält. So zum Beispiel eine szenische Lesung von André Hellers berührendem Buch „Uhren gibt es nicht mehr“. Das Buch dokumentiert die letzten intimen Gespräche des Autors mit seiner 102 Jahre alten Mutter Elisabeth Heller. Ein einzigartiger Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt einer sterbenden Frau.
Mitte Mai wird es ein Death Café in der Luisenviertel-Kneipe beatzundkekse geben. Dort treffen sich Interessierte in gemütlicher Runde, um bei Kaffee und Kuchen ganz offen und ungezwungen über das Thema Tod zu sprechen. Die Teilnehmenden werden mit gezielten, teils provokanten Fragen konfrontiert, die vor Ort auf den Tischen ausliegen. Zum Beispiel: Hast du schon deinen Sarg ausgesucht? Was kommt nach dem Tod? Wie willst du beerdigt werden? Was willst du einem geliebten Menschen noch sagen? Der Hospizverein will damit einen Raum schaffen, um sich frei über die eigene Vergänglichkeit, den Tod und das Sterben auszutauschen. „Wir möchten Mut machen, dem Leben jeden Tag eine Chance zu geben, ohne das Sterben zu verdrängen“, sagt Ingrid Janschek. Sie findet: „Am Ende sollte man doch so lebenssatt wie möglich sterben können.“ Das gesamte Programm zum Jubiläumsjahr wird demnächst auf der Website des Vereins einsehbar sein.
Für Ende Juni ist außerdem ein großes Straßenfest mit musikalischem Rahmenprogramm für die gesamte Nachbarschaft geplant. Ein Großteil der Events, wie die oben genannte Lesung, wird übrigens in den Vereinsräumen in der Luisenstraße 13 stattfinden. „Wir haben ja jetzt endlich genug Platz, um uns auch vor Ort treffen zu können“, sagt Ingrid Janschek. Am alten Standort in der Schusterstraße auf dem Ölberg wäre das aus Platzgründen nicht denkbar gewesen. Erst mit dem Umzug im Sommer 2023 in die neuen Räume erhielt der ansonsten ambulant tätige Hospizdienst auch einen festen Anlaufpunkt mitten in der Stadt. „Aufgrund der zentralen Lage kommen jetzt auch spontan Menschen zu uns.Darüber freuen wir uns sehr“, sagt Ingrid Janschek.