Gründungsgeschichten - Tina, Karin, Susanne und Mia
First Class Secondhand in der Friedrich-Ebert-Straße gibt es seit über 30 Jahren. Genau genommen sind es sogar schon 40. Ein Rückblick.
Pre-Loved, Pre-owned oder einfach Vintage. Mit diesen Begriffen verkaufen immer mehr Modeketten bereits getragene Kleidung. Secondhand ist wieder im Trend. Aus Gründen der Nachhaltigkeit, aus finanziellen Gründen – und wohl auch, weil die Suche nach schönen Einzelstücken den Jagdinstinkt aktiviert. Besonders wenn es sich um eigentlich unbezahlbare Designerware handelt. Bei First Class Secondhand kann man sich bereits seit über 30 Jahren auf die Jagd machen. Und das in persönlicher und familiärer Atmosphäre, denn in dem Laden in der Friedrich-Ebert-Straße arbeiten drei Generationen unter einem Dach. Die Inhaberinnen Karin Heydorn, ihre Tochter Tina Heydorn und ihre Nichte Susanne Schlagmann-Titze kümmern sich zusammen mit der Enkelin Mia Heydorn, die hier als Aushilfe ihr studentisches Auskommen aufstockt, um die modebegeisterten Kundinnen. Wie kam es dazu?
Im Jahr 1991 übernahmen Karin Heydorn und Susanne Schlagmann-Titze das in der Briller Straße ansässige Geschäft von Ingeborg Boecker, die unter gleicher Firmierung bereits seit sieben Jahren aktiv war. 1994 zog First Class Secondhand dann in die Friedrich-Ebert-Straße 79.
Die Räume wurden seitdem zweimal grundlegend renoviert. Ein weiteres Make-over haben sich die Inhaberinnen 2021 anlässlich ihres 30-jährigen Jubiläums mitten im damaligen Corona-Lockdown selbst geschenkt. „Wir waren ziemlich traurig darüber, dass wir dieses Jubiläum nicht mit unseren Kundinnen feiern konnten. Zudem fühlte es sich zu der Zeit schrecklich an, mehr oder weniger zum Nichtstun gezwungen zu sein. Da sind wir aktiv geworden und haben beschlossen, den Laden nochmals zu verschönern.“
Über die Jahre haben sich zahlreiche herzerwärmende Geschichten im Laden abgespielt. An eine erinnert sich Tina Heydorn noch heute sehr gut. „Zu uns kam einmal eine Frau, die uns ein elegantes schwarzes Abendkleid mit transparenten Spitzenärmeln anbot. Es fiel ihr sichtlich schwer, sich von dem Kleid zu trennen. Sie selbst mochte es, doch das Kleid gefiel ihrem Mann wohl nicht so gut, weshalb es weiterverkauft werden sollte.“ Das kaum getragene Kleid fand nach kurzer Zeit eine neue Besitzerin, die sich entschlossen hatte, dieses Kleid bei ihrer standesamtlichen Trauung zu tragen. Als die Verkäuferin davon erfuhr, war sie erleichtert. „Sie war total gerührt von der Geschichte und freute sich, dass ihr Schmuckstück Teil eines solchen Ehrentages sein würde. Wir konnten mit dem Verkauf dieses Kleides zwei Menschen glücklich machen. Das war ein schönes Gefühl und so etwas bleibt in Erinnerung.“
Solche Geschichten zeigen, wie persönlich es bei First Class Secondhand oft zugeht. Kein Vergleich zum Alltag in einer normalen Modeboutique. „Wir ordern ja nicht, darum ist jede neue Lieferung wie eine Überraschungstüte. Man weiß nicht, was sich darin verbirgt. Das ist jedes Mal total spannend.“ Secondhand, also zweite Hand, bedeutet eben auch, dass Kleidungsstücke zwei Leben begleiten statt nur eines. So gesehen hätten sicher viele der Stücke bei First Class Secondhand spannende Geschichten zu erzählen. Dementsprechend wundert es nicht, wenn Mutter und Tochter bei unserem Treffen von ihrem Laden als Herzensprojekt sprechen. Es geht ihnen um die Menschen und Geschichten. Damit sind nicht nur die Kundinnen gemeint.
„Ich bin mit dem Laden erwachsen geworden, habe seit meinem 15. Lebensjahr immer wieder mitgeholfen“, erzählt Tina Heydorn. „Während meines Designstudiums habe ich natürlich auch hier ausgeholfen.“ Und weil sich Geschichte wiederholt, tut es ihr Tochter Mia heute gleich. „Unsere Stammkundinnen kennen sie schon, seit sie ein Baby war, haben sie quasi aufwachsen sehen.“ Gerne steht die heute 20-Jährige inzwischen selbst hinter der Theke und berät die Kundinnen. Auch wenn der geplante Karriereweg ein anderer ist. Wie die Mutter strebt sie eine Laufbahn als Designerin an. Design spielt auch heute noch eine Rolle für Tina Heydorn. Ihr ist es wichtig, dass alles zusammenpasst. Sie kümmert sich in Eigenregie um die Schaufenstergestaltung, Marketing, Werbung, den Instagram-Kanal und das Design der Marke.
Die Verbundenheit der Frauen zum Familienunternehmen geht auch einher mit einer Begeisterung für den Standort Luisenviertel, das längst mehr ist als nur Arbeitsplatz. Es ist eine Heimat und darin befindet sich ein ganz eigener Mikrokosmos an Freundschaften. Besonders gut kann man das erleben, wenn es wieder heißt: Das Viertel leuchtet. Die gleichnamige Aktion, bei der zahlreiche Einzelhändler und Galerien bis 22 Uhr ihre Türen öffnen und die Straßen und Geschäfte in Laternenlicht tauchen, ist seit 2014 zu einem weiteren Herzensprojekt der Heydorn-Damen geworden. „Die Menschen nehmen sich mehr Zeit und man kommt ins Gespräch“, sagt Tina Heydorn.
Und ihre Mutter Karin ergänzt: „Wir lieben das Luisenviertel und diesen Mix aus inhabergeführten Geschäften, Gastronomie und Galerien. Und wir genießen den Austausch und das freundschaftliche Miteinander.“
von Marc Freudenhammer