Litzen und Bänder - Sechste Generation Textilindustrie
Escher Textil stellt seit 175 Jahren in Oberbarmen Kordeln und Bänder her. Das Unternehmen beliefert weltweit alle großen Modemarken.
Die Flechtspulen tanzen wie eh und je auf den Riementischen, Kordeln und Litzen fließen in langen Strömen von den Tischen. Das Rattern der Maschinen in der Produktionshalle der Escher Textil GmbH & Co. KG übertönt jedes Wort. Anders als früher läuft jedoch vieles automatisch ab: Nur noch acht Mitarbeitende überwachen den Maschinenpark, nachts produzieren die Automaten in einer Geisterschicht alleine. Gab es in den Hochzeiten über 1.000 Textilunternehmen in Wuppertal, so ist Escher dort heute einer von nur noch sehr wenigen Produzenten für die Bekleidungsindustrie. In sechster Generation führt die Familie jetzt seit 175 Jahren das Unternehmen. Ein Erfolg, der der Bereitschaft zum steten Wandel zu verdanken ist.
„Wir haben uns immer den Märkten angepasst und unsere Nische in der Mode gefunden“, sagt Geschäftsführer Christian Escher. Kordeln für Hoodies, Zugbänder für Hosen und Schmuckbänder für Oberteile sind die am meisten nachgefragten Produkte. Escher fertigt für edle Marken wie Hugo Boss ebenso wie für die Massenmarken. „Wir sind in Europa einer der führenden Hersteller von modischen Bändern“, erklärt Christian Escher. Der große Vorteil der Wuppertaler: „Wir sind schnell und flexibel und liefern auch in kleinen Stückzahlen. Außerdem erfüllen wir Sonderwünsche aller Art“, betont Geschäftsführer Ralph Grimm. „Die Stückzahlen sind kleiner geworden, die Vielfalt dafür größer.“ Sorge bereitet dem Team allerdings die Insolvenzwelle bei Kunden und Lieferanten.
Das Team ist eng in Kontakt mit den Kunden, hört, was diese brauchen. Dafür hat Escher extra ein Büro in Hongkong aufgemacht, weil viele Kunden und Lieferanten in Asien sitzen. So entfällt der Umweg über Europa. Hat ein Modeunternehmen eine Idee, liefert Escher innerhalb weniger Tage ein exakt passendes Muster dafür. Neuerdings immer häufiger auch rein digital. „Dann wird das Muster nicht mehr genäht, sondern nur noch virtuell verschickt. Wir arbeiten gerade daran, unser Angebot digital abzubilden – eine Herausforderung ist es allerdings, dabei auch das Haptische abzubilden“, erklärt Grimm. Statt mit dem Flechten von Garnen beschäftigt er sich immer mehr mit Computersoftware.
Die Flexibilität hat Escher auch in der Corona-Zeit gerettet: Als plötzlich wenig neue Garderobe nachgefragt wurde, dafür aber Gesichtsmasken, erstellte das Unternehmen innerhalb von zwei Wochen einen kompletten Katalog für Gummibänder und Nasendrähte für die Masken. Die Nachfrage war so groß, dass nebenan eine zusätzliche Halle angemietet werden musste.
Selbstverständlich bedient Escher auch das Thema Nachhaltigkeit. Zum Angebot gehören Produkte aus kompostierbarem Garn. Allerdings greifen viele Kunden im Moment aus Kostengründen dann doch zum nicht-recycelbaren Garn. Baumwolle aus chinesischen Uiguren-Regionen hingegen verwendet Escher im Einklang mit den Kunden gar nicht mehr. Einen Aufwand bedeute es allerdings, solche Herkunftsdetails für alle Garne nachzuverfolgen. „Wir müssen das bei der Einlagerung dann genau dokumentieren“, erklärt Ralph Grimm. Dass sich die Produktion auf die beiden Standorte in Wuppertal und Debrecen in Ungarn aufteilt, macht die Sache nicht einfacher.
60 Mitarbeitende hat Escher weltweit, 30 davon in Wuppertal. „Gutes Personal zu finden ist eine unserer größten Herausforderungen“, sagt Christian Escher. Regelmäßig bildet das Unternehmen deshalb Maschinen- und Anlagenführer Textil aus. Denn Fachexpertise ist den Geschäftsführern wichtig; auch wenn sie merken, dass diese bei vielen Kunden nachlässt. Doch in 175 Jahren Textilindustrie hat die Familie eines gelernt: Ihr Qualitätsanspruch hilft dabei, resilient zu bleiben und Veränderungen zu bewältigen.
Text: Tanja Heil