Die USA unter Donald Trump - Chancen und Risiken
Mit Sorge blicken Politik und Wirtschaft in Europa, Deutschland und im Städtedreieck über den Atlantik. Nicht zuletzt das Thema Strafzölle sorgt für Unsicherheit. Doch es gibt auch gelassene Stimmen.
Vera Bökenbrink, Geschäftsführerin des Wuppertaler Handwerkzeugherstellers Stahlwille, geht davon aus, dass die erneute Wahl von Donald Trump „erhebliche Auswirkungen“ auf das USA-Geschäft von deutschen Unternehmen haben wird. Stahlwille im Speziellen hatte zwar während Trumps erster Amtszeit keine signifikanten Probleme, die direkt aus der US-Wirtschaftspolitik resultierten. „Das aber könnte diesmal anders werden“, befürchtet sie. Denn Trump werde seine Idee von „America first“ mit noch mehr Nachdruck als bisher verfolgen.
Ein großes Risiko liegt ihrer Ansicht nach in der Unberechenbarkeit der Person Trump selbst. „Gleichzeitig wird aber immer klarer erkennbar, welche Absichten er verfolgt: Im Mittelpunkt steht die amerikanische Wirtschaft – auch zu Lasten bisheriger Partner. So erwarten wir, dass sich die Pläne zur Entlastung von US-Unternehmen, beispielsweise von Berichtspflichten sowie Erleichterungen bei Krediten, als klarer Marktvorteil gegenüber Unternehmen aus Europa und Asien erweisen werden.“
Zudem sei bereits bekannt, dass Trump für die EU flächendeckende Importzölle in Höhe von 10 bis 20 Prozent plant (kurz vor Redaktionsschluss fiel seine Entscheidung für Sonderzölle auf alle Stahl- und Aluminium-Einfuhren ab dem 12. März). „Sollte die EU mit Vergeltungszöllen auf US-Importe antworten, droht ein Handelskrieg mit weiter eskalierenden Zöllen und mit Umsatzrückgängen im europäischen Exportgeschäft. Gerade hier in Deutschland sehen wir aber auch Risiken vor der eigenen Haustür. Dazu gehören hohe Energiepreise, hohe Personalkosten und überbordende Bürokratie – Probleme, mit denen wir uns auch ohne einen neuen US-Präsidenten auseinandersetzen müssten.“
Bei Stahlwille (weltweit 670 Mitarbeiter, 97 Millionen Euro Umsatz) bereitet man sich auf verschiedene Szenarien vor, um flexibel reagieren zu können. „Trumps protektionistische Wirtschaftspolitik könnte Exporte in die USA spürbar verteuern. Zugleich wird der Druck erhöht, Produktionskapazitäten in den USA aufzubauen oder zu erweitern.“ Das Wuppertaler Unternehmen hat bereits eine eigene Produktion vor Ort. „Hier können wir die Kapazitäten bei Bedarf ausbauen – das ist ein strategischer Vorteil, der uns wirklich helfen kann.“
Der Werkzeugspezialist sieht in den USA nach wie vor ein großes Potenzial für seine Produkte „made in Germany“, insbesondere für seine Drehmomenttechnik. „Im Vergleich zu asiatischen Alternativen und technisch weniger fortschrittlichen US-Produkten bietet Stahlwille wettbewerbsfähige Lösungen, die mit einem hohen Mehrwert und signifikanten Kosteneinsparungen punkten. Wir sind überzeugt, dass sich insbesondere unsere Premium-Produkte auch bei steigenden Zöllen am US-Markt behaupten werden.“ Und: „Die US-Wirtschaft könnte unter Donald Trump ein starkes Wachstum erfahren. Das würde der deutschen Wirtschaft auch Chancen eröffnen und neue Möglichkeiten bieten. Deshalb sind wir gut beraten, wenn wir den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern positiv denken und uns den Herausforderungen stellen, auch wenn wir dabei gewohnte Pfade verlassen müssen“, so Bökenbrink.
Die geopolitische Komponente betont Dr. Markus Doumet, wissenschaftliche Leitung des Wuppertaler Instituts für Unternehmensforschung und Organisationspsychologie (WIFOP): „Trump hat bereits im Wahlkampf gefordert, dass Deutschland sowie andere europäische NATO-Staaten ihre Verteidigungsausgaben auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben. Zur Durchsetzung dieser Forderung könnte er mit einem möglichen Austritt der USA aus der NATO drohen, um zusätzlichen Druck auf die europäischen Partner auszuüben. Dies würde Deutschland zu höheren Verteidigungsausgaben zwingen, was sich wiederum auf die öffentlichen Investitionen in andere Bereiche auswirken könnte.“ Zusätzlich gerate Deutschland – als einer der größten Waffenlieferanten weltweit – unter Druck, da die USA eine Reduzierung ihrer Ukraine-Hilfen angekündigt haben.
Die Auswirkungen der Trump’schen Politik auf die globale Wirtschaft – insbesondere auf den Wirtschaftsstandort Deutschland – müssten aus einer multidimensionalen Perspektive betrachtet werden. Ein zentrales Thema sei die bereits im Wahlkampf angekündigte Einführung neuer Strafzölle auf europäische Importwaren. „Die Vereinigten Staaten gehören laut dem Statistischen Bundesamt zu den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands. Im gesamten Jahr 2023 wurden Waren im Wert von rund 157,9 Milliarden Euro in die USA exportiert, was einem Anteil von zehn Prozent an allen deutschen Exporten entspricht.
Bezogen auf alle Staaten der Europäischen Union ist die Bedeutung der USA als Handelspartner noch größer. Hier betrug der Wert aller exportierten Waren in 2023 rund 503,8 Milliarden Euro, was einem Anteil von 20 Prozent entspricht.“ Demnach sind die USA der wichtigste Handelspartner der Europäischen Union. „Sollten diese Strafzölle umgesetzt werden, hätte dies erhebliche Konsequenzen für die deutsche Exportwirtschaft. Eine sinkende Nachfrage nach deutschen Produkten könnte nicht nur die Gewinnmargen der Unternehmen belasten, sondern auch das gesamtwirtschaftliche Wachstum und damit das Bruttoinlandsprodukt negativ beeinflussen.“
Marc Herbrand, wissenschaftlicher Mitarbeiter des WIFOP, stellt heraus: „In der Summe tragen diese Faktoren dazu bei, dass die Investitionsbereitschaft deutscher Unternehmen in den kommenden Jahren gehemmt werden könnte. Die Kombination aus handelspolitischen Unsicherheiten, geopolitischen Spannungen und steigenden Verteidigungsausgaben stellt eine erhebliche Herausforderung für den Wirtschaftsstandort Deutschland dar.“
Um einschätzen zu können, welche Auswirkungen die Wirtschaftspolitik der Trump-Administration – womöglich – konkret auf die Heute Maschinenfabrik GmbH & Co. KG haben wird, muss man zunächst das Geschäftsmodell der Solinger verstehen. Das Traditionsunternehmen mit rund 40 Mitarbeitern hat zwar einen Ruf als führender Hersteller von Schuhputzmaschinen, wie sie unter anderem in Hotels zu finden sind.
Seit gut 15 Jahren sind allerdings „mechanische Sauberlaufzonen für Produktions- und Logistikhallen“ das Hauptprodukt. Unter dem Namen „ProfilGate“ erwirtschaftet man damit inzwischen etwa 80 Prozent des Gesamtumsatzes von zuletzt etwa 15 Millionen Euro. Der geschäftsführende Gesellschafter Christian Löwe beschreibt sie bildhaft als „Fußmatte für Förderfahrzeuge“. Das Prinzip: Gabelstapler, „Ameisen“ oder ähnliche Fahrzeuge bringen bei ihren Touren von außen nach innen ungewollt Staub in Lagerräume und Produktionshallen. Beim Passieren von Flächen mit rüttelnden Bürsten fällt der Schmutz durch ein Gitterrost in Auffangbehälter und kann später abgesaugt werden.
„Unsere Kunden für dieses Produkt kommen aus der Großindustrie“, erklärt Löwe. Typische Branchen sind Automotive, Elektroindustrie und Anlagenbau. „Die Lebensmittelindustrie spielt ebenfalls eine wichtige Rolle als Abnehmer. Hier findet eine nasse Reinigung der Räder unter Einsatz von Desinfektionsmitteln statt.“
Heute vertreibt ProfilGate weltweit. „Unser Exportanteil liegt bei 70 Prozent“, so Exportleiter Malte Ottmann. Die USA machen davon 15 Prozent aus. Insgesamt liegt der Umsatzanteil auf dem nordamerikanischen Markt bei zehn Prozent – Tendenz steigend. „Wir sehen ein großes Potenzial in den USA“, betont Ottmann. Erst im vergangenen Jahr gab es einen „Super-Auftrag“ für ein Autowerk in South Carolina.
Zusammenmontiert wird die Technik in Solingen. Auch die einzelnen Komponenten sind „made in Germany“. So kommen die Bürsten aus dem Stuttgarter Raum und die Gitterroste aus dem Münsterland. „Unser Fokus liegt auf der Beratung, der Planung und dem Vertrieb insgesamt“, sagt Löwe. Während Deutschland, Österreich, Frankreich und seit kurzem auch Polen direkt vom Bergischen aus betreut werden, arbeitet man in über 40 Industrieländern mit Händlern zusammen. Pro Land gibt es dafür einen festen Partner. Speziell ist die Situation in den USA. Seit 2012 ist ProfilGate jenseits des Atlantiks präsent. Anfang 2024 wurde das Team in Jacksonville / Florida neu aufgestellt. Die Heute Inc., eine Tochtergesellschaft, wird nun von Löwes Sohn Wolf geleitet, der vorher drei Jahre in Mexiko tätig war.
Für das Nischenprodukt gebe es keine echte Konkurrenz. „Entweder setzen Firmen unsere Technik ein, oder sie gehen auf alte Weise mit Reinigungsmaschinen gegen verschmutzte Hallenböden vor. Dazwischen gibt es nichts.“ Wenn im Sinne von „America first“ tatsächlich neue Industrieanlagen – mit zu reinigenden Hallen – im großen Stil entstehen sollten, könnten sich dadurch auch die Auftragsbücher in Solingen füllen. „Klar, wenn die Zölle erhöht würden, würden sich natürlich auch unsere Technik auf dem amerikanischen Markt verteuern. Aber eine billigere Konkurrenz müssen wir zumindest nicht fürchten“, so Ottmann. Daher blicke man – in wirtschaftlicher Hinsicht – vergleichsweise entspannt auf die kommenden vier Jahre. „Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber. Von daher sollten wir nicht immer direkt von einem Worst Case-Szenario ausgehen. Auch sollten wir nicht über jedes Stöckchen springen, das uns hingehalten wird.“ Diese Meinung vertritt Stefan Bahns, Geschäftsführer der Burgvogel Cutlery GmbH (18 Mitarbeiter, drei Millionen Euro Umsatz). „Der Schlüssel für Unternehmen liegt darin, nicht überzureagieren und gleichzeitig Notfallstrategien für Veränderungen zu entwickeln.“ Der Messer-Spezialist verkauft in den USA über einen Importeur. „Mit ihm sind wir in ständigem Austausch und besprechen zusammen Maßnahmen, die erfolgen können. Gleichzeitig bereiten wir uns auch darauf vor, weniger Umsatz in den USA zu tätigen.“
Nach Ansicht von Bahns kommt es jetzt darauf an, wie sich die EU und die Bundesregierung verhalten. „Trump ist ein knallharter Geschäftsmann, er macht nichts ohne Gegenleistung. Wenn Europa den USA jetzt etwas anbietet, kann dieses auch von Vorteil gegenüber China sein.“ Für sein Unternehmen sieht er momentan – auch nach Rücksprache mit Kunden – noch keine Änderungen. „Momentan laufen die Geschäfte gut.“ Und vielleicht, so sein Gedanke, gehen durch die Politik von Trump auch die Energie- und Lebenshaltungskosten in den USA herunter. „Dadurch würde mehr Geld für Konsumgüter übrigbleiben.“ Das sei eine große Chance. Und das größte Risiko? „Dass Europa keine einheitliche Linie verfolgt und die deutsche Wirtschaft dadurch geschwächt wird.“
Bleibt die Frage nach dem „psychologische Faktor“. Er spielt laut Curt Mertens, Solinger Unternehmer und Vorsitzender des IHK-Außenwirtschaftsausschusses, eine bedeutende Rolle, wenn es um die Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft geht. „Die Unsicherheit, die mit der Trump‘schen politischen Rhetorik und seinen Entscheidungen einhergeht, kann das Vertrauen von Investoren und Unternehmen beeinflussen“, sagt er. Ein Beispiel dafür sei die Angst vor protektionistischen Maßnahmen oder Handelskriegen, die unter seiner Amtszeit zunehmen würden. „Solche Ängste können dazu führen, dass Unternehmen zögern, Investitionen zu tätigen oder neue Projekte zu starten, was sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken kann.“
Darüber hinaus könne die Wahrnehmung von Stabilität und Vorhersehbarkeit in der politischen Landschaft entscheidend sein. „Wenn Unternehmen das Gefühl haben, dass die politische Situation in den USA unberechenbar ist, könnte dies zu einer vorsichtigen Haltung führen, die sich wiederum in einer zurückhaltenden wirtschaftlichen Aktivität niederschlägt.“
Doch auch ganz nüchtern betrachtet, sei insgesamt mit deutlich erschwerten Bedingungen für deutsche Exporteure zu rechnen. Auch für Mertens keine Frage: „Die zweite Präsidentschaft von Donald Trump wird erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft haben.“ Geplante Zölle von zehn bis zwanzig Prozent auf Importe würden deutsche Exporte in die USA verteuern und die Nachfrage senken. „Der U.S. Reciprocal Trade Act könnte Handelskonflikte eskalieren, während die deutsche Wirtschaft bei zehn Prozent Importzöllen und entsprechenden EU-Gegenzöllen Verluste in Milliardenhöhe erleiden könnte.“ Besonders die Automobil- und Maschinenbau-Industrie wäre gefährdet.
Dem fügt Mertens ein großes „Aber“ an: „Unternehmen haben die Möglichkeit, sich auf alternative Märkte zu konzentrieren, um potenzielle Risiken, die mit einer unsicheren politischen Lage in den USA verbunden sind, zu minimieren.“ Europa und Südamerika böten beispielsweise zahlreiche Chancen, insbesondere wenn man die spezifischen Bedürfnisse und Vorlieben der Zielgruppe in diesen Regionen berücksichtige. „In Europa gibt es eine Vielzahl von gut etablierten Märkten, die für viele Unternehmen attraktiv sind, insbesondere in den Bereichen Technologie, Automobilindustrie und nachhaltige Produkte. Südamerika hingegen kann für Unternehmen interessant sein, die in aufstrebenden Märkten tätig sein wollen, wo es oft weniger Wettbewerb gibt und das Wachstumspotenzial hoch ist.“
Seines Erachtens sei die Diversifizierung der Märkte eine kluge Strategie, um sich gegen Unsicherheiten abzusichern und neue Wachstumschancen zu nutzen.
Diesen Aspekt hebt auch Jasper Rust hervor: „Generell empfehlen wir, sich sowohl im Bezug auf seine Lieferanten als auch auf seine Absatzmärkte resilienter aufzustellen. Dies ist schwierig, aber gerne unterstützen und beraten wir dazu“, sagt der Referent für Außenwirtschaft der Bergischen IHK. „Dazu verfügen wir unter anderem über das exzellente Netzwerk der Außenhandelskammern. Mit über 150 Standorten in 90 Ländern sind sie über die ganze Welt direkt vor Ort verteilt und kennen bestens die örtlichen Gegebenheiten. Dies gilt natürlich auch für die USA.“
Gleichzeitig sollte bei der Diskussion um mögliche Zölle beachtet werden, dass Trump Zölle „als Verhandlungsinstrument einsetzt“. Sprich: Sollte ein „Deal“ zustande kommen, können Zölle auch schnell wieder zurückgenommen werden. Allerdings könnten auch die angedrohten Zölle auf mexikanische oder kanadische Waren die bergische Wirtschaft negativ beeinflussen. „Viele Automobilhersteller produzieren in Mexiko für den US-amerikanischen Markt und beziehen Waren aus dem Bergischen Städtedreieck.“
Wichtig werde in den kommenden vier Jahren sein, wie die Europäische Union verhandeln werde, so Rust. „Dabei gilt es, über die Bundesregierung unsere deutschen und für uns speziell unsere bergischen Interessen in Brüssel zu äußern und zu vertreten.“
Text: Daniel Boss
Redaktionsschluss für diesen Text war Mitte Februar. Die von den USA eingeführten Zölle und evtl. Gegenmaßnahmen konnten nicht vollständig erfasst werden.