Produkte rund um die Erste Hilfe - Vom Verband zur Kompresse
Vor 100 Jahren legte Fritz Holthaus mit einer Weberei den Grundstein für die heutige Holthaus Medical GmbH & Co. KG in Remscheid-Lennep. Verbandmaterial war das erste medizinische Produkt, das er herstellte. Seither hat das Unternehmen die Produktpalette stetig erweitert.
Kontakt mit Produkten der Firma Holthaus Medical hatte wohl fast jeder: wenn sie sich verletzt haben und ihre Wunden verbunden wurden. Das Unternehmen produziert Waren für die Erste Hilfe, die auch von Laien angewendet werden können – Kompressen, Mullbinden und andere Verbandmittel. „Der Marktanteil in diesem Segment ist erheblich, der Name Holthaus genießt einen hohen Bekanntheitsgrad“, sagt Andreas Holthaus. Er und sein Bruder Alexander Holthaus führen die Firma, in der rund 100 Mitarbeiter beschäftigt sind, in dritter Generation als geschäftsführende Gesellschafter. Eine Schwester leitet den Einkauf, sein Sohn ist Vertriebsleiter – ein klassisches Familienunternehmen. Angefangen hat alles vor 100 Jahren in Lüttringhausen. „Unser Großvater Fritz Holthaus hat sich 1924 selbstständig gemacht und an Barmer Bandwebstühlen eigene Produkte hergestellt“, sagt Andreas Holthaus.
Wie gelingt es, ein Unternehmen 100 Jahre erfolgreich durch Krisen und Veränderungen zu manövrieren? Patentrezepte gebe es nicht, so die Chefs. „Wir glauben aber, dass Ausdauer, Hartnäckigkeit und das kluge Wahrnehmen von Gelegenheiten zu unserem Erfolg beigetragen haben. Außerdem war der Mix aus eigenen und Handels-Produkten die richtige Entscheidung“, sagt Alexander Holthaus. Den ersten Schritt in die Medizinbranche wagte Fritz Holthaus 1930, als er die Bandweberei auf Mullband umstellte – und damit den Grundstein für die Verbandmittel legte.
Gerhard Holthaus erweiterte in der Folge die Produktpalette. So wurden ganze Sets verkauft, etwa Verbandkästen für Autos nach DIN-Norm. Später wurde das Sortiment um Artikel wie Ohrstöpsel und Schutzbrillen, Fingerpulsoximeter, Masken, Handschuhe, Desinfektionsmittel, Untersuchungsliegen und Rettungsdecken erweitert. „Eine dieser erwähnten Gelegenheiten war, als 1970 die Verordnung zur Mitführpflicht von Verbandkästen in Autos in Kraft trat“, blickt Andreas Holthaus zurück. Der Artikel bilde bis heute die umsatzstärkste Sparte.
Holthaus Medical beliefert Autohersteller wie Mercedes, BMW, Porsche, Bentley und VW Gruppe direkt. Wer sich einen Neuwagen zulegt, kaufe die Verbandtasche gleich mit. Holthaus: „In diesem Huckepackverfahren werden unsere Produkte weltweit vertrieben.“ Alle fünf Jahre werde im Austausch mit Notärzten geprüft, ob der Inhalt ergänzt werden muss. Zu den Kunden gehöre außerdem der Pharmagroßhandel, der Apotheken, Sanitäts- und Krankenhäuser beliefert. Auch hängen in vielen Produktionsstätten Erste Hilfe-Kästen oder Augenspüleinrichtungen von Holthaus Medical.
Die Chance einer Veränderung bot sich in den 90er Jahren. „Wir haben nach der Wende drei branchenverwandte Unternehmen aufgekauft, später an einem Standort gebündelt und das Firmengebäude in Lüttringhausen verkauft“, so Alexander Holthaus. Vor acht Jahren zog die Firma an die Karlstraße 8 um. Dort sind Verwaltung, Vertrieb, Einkauf und Qualitätsmanagement untergebracht. Produziert wird in Bischofswerda in Sachsen auf 150 hochautomatisierten Schweizer Textilmaschinen. Das Werk Temedia GmbH umfasse 12.500 Quadratmeter Produktions- und Lagerflächen.
„Alles, was zum Fixieren spezieller Wundauflagen benötigt wird wie Verbände, Binden, Kompressen stellen wir noch selbst her“, ergänzt Andreas Holthaus. Das Label „Made in Germany“ stehe weltweit für Qualität. Außerdem habe sich die Standorttreue in Zeiten von Lieferengpässen und steigenden Transportkosten bezahlt gemacht. „Unser Geschäftsmodell funktioniert noch, aber Überregulierung wie durch das Lieferkettengesetz macht uns zu schaffen. Verordnungen aus Brüssel drängen Innovationen zurück“, beklagen die Firmenchefs. Aber ihr Blick in die Zukunft bleibe optimistisch.
Text: Sólveig Pudelski