- Herausforderung Arbeitsschutz
Schutz und Gesundheit am Arbeitsplatz sind wichtig – keine Frage. Aber mit dem neuen Arbeitsschutzgesetz wächst die Bürokratie für Unternehmen weiter. Wie kann man den Mehraufwand am besten bewältigen?
Mehr Dokumentationspflichten, strengere Kontrollen, engere Zusammenarbeit mit den Behörden – das neue Arbeitsschutzgesetz 2024 macht Unternehmen das Leben nicht gerade leichter. Arbeitgeber müssen der Arbeitsschutzbehörde, der Zollverwaltung und den Sozialversicherungsträgern umfangreiche Informationen zu ihren Beschäftigten liefern. Dazu gehören nicht nur
Namen und Einsatzorte, sondern zum Beispiel auch Daten zu Staatsangehörigkeit und der Branche. Die neuen Regeln sind seit letztem Sommer in Kraft und gelten für alle Unternehmen, unabhängig von Branche oder Größe.
regelt seit 1996 die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von Beschäftigten am Arbeitsplatz. Es verpflichtet Arbeitgeber, Risiken zu minimieren und Arbeitsbedingungen sicher zu gestalten. Ziel der jüngsten Änderungen ist es, den Schutz der Arbeitnehmer weiter zu verbessern – Kritiker sehen jedoch vor allem eine neue Bürokratie-Welle. Wie können Unternehmen die neuen Pflichten effizient umsetzen, ohne sich im Verwaltungsaufwand zu verlieren?
In diesem Artikel werden wir uns damit beschäftigen, welche neuen Anforderungen jetzt gelten – und wie man den Mehraufwand in Grenzen halten kann.
Mit dem neuen Arbeitsschutzgesetz müssen Unternehmen jetzt detailliertere Angaben zu Namen, Einsatzort, Staatsangehörigkeit, Branchenzugehörigkeit und Unternehmensstruktur an die Arbeitsschutzbehörden melden. Je nach Branche und Tätigkeit sind dafür unterschiedliche Dezernate zuständig. Um die neuen Anforderungen möglichst effizient umsetzen zu können, lohnt es sich, die unternehmensinternen Abläufe anzupassen.
Wer immer noch ausschließlich mit Papierakten arbeitet, sollte spätestens jetzt auf eine digitale Lösung umsteigen. Mit moderner HR-Software können Unternehmen die Personaldaten automatisch erfassen und leicht auf dem aktuellen Stand halten. Einige Programme bieten sogar direkte Schnittstellen zu Behörden, sodass die geforderten Meldungen mit wenigen Klicks digital erfolgen können.
Je nach Unternehmensgröße lohnt sich der Einsatz von automatisierten Meldesystemen. Viele Lohnbuchhaltungsprogramme und ERP-Systeme bieten bereits die Funktion, um Beschäftigtendaten strukturiert zu exportieren und zu übermitteln. Wer mit einem Steuer- oder Lohnbüro zusammenarbeitet, sollte prüfen, ob diese die neuen Anforderungen übernehmen können.
Statt jede Behörde einzeln mit Daten zu versorgen, ist es sinnvoll, alle relevanten Informationen zentral an einer Stelle zu pflegen. Oft lassen sich die Anforderungen der Arbeitsschutzbehörde, des Zolls und der Sozialversicherungsträger in einer Meldung zusammenfassen. Das reduziert doppelten Aufwand und spart wertvolle Arbeitszeit.
Im Übrigen sollten Personaldaten nicht nur bei der Einstellung erhoben, sondern beispielsweise halbjährlich oder quartalsweise überprüft werden. Eine einfache Checkliste oder eine Erinnerung im HR-System kann dabei helfen, die Datenbank up to date zu halten.
Da die neuen Meldepflichten auch sensible Daten der Mitarbeitenden umfassen, müssen Unternehmen auch den Datenschutz im Auge behalten. Zum Beispiel sollte kommuniziert werden, warum diese Daten erhoben und wie sie verarbeitet werden.
Mit den neuen Regelungen im Arbeitsschutzgesetz wird es auch häufiger Kontrollen der zuständigen Arbeitsschutzbehörden geben. Die Bezirksregierungen in NRW prüfen nun verstärkt, ob Unternehmen ihre Meldepflichten erfüllen, die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsschutzmaßnahmen umsetzen und Gefährdungsbeurteilungen regelmäßig aktualisieren. Auch der Zoll (FKS – Finanzkontrolle Schwarzarbeit) und die Sozialversicherungsträger sind in die Überwachung eingebunden. Verstöße können zu Bußgeldern und Auflagen führen. Wie können Unternehmen sich auf derartige Kontrollen vorbereiten?
Ein guter Rat ist es, Gefährdungsbeurteilungen, Unterweisungsprotokolle und Nachweise über Schutzmaßnahmen immer griffbereit zu haben. Idealerweise werden die Dokumente gleich digital hinterlegt, um sie bei einer Prüfung schnell zur Hand zu haben. Mithilfe von internen Arbeitsschutz-Checks können Mängel frühzeitig erkannt und behoben werden. Eine einfache Checkliste mit den wichtigsten Punkten, etwa ob alle Schutzmaßnahmen aktuell sind oder ob Gefahrstofflagerungen korrekt erfolgen, kann dabei helfen.
Arbeitsschutzkontrollen beinhalten oft Mitarbeiterbefragungen. Beschäftigte sollten daher wissen, welche Sicherheitsmaßnahmen im Betrieb gelten. Kurze, praxisnahe Schulungen oder E-Learning-Module können dabei helfen, das Wissen aktuell zu halten. Besonders wichtig ist, dass Mitarbeitende wissen, wo Sicherheitsanweisungen und Notfallpläne zu finden sind.
Oft gibt es keinen festen Verantwortlichen für Arbeitsschutzfragen. Das kann bei einer Kontrolle zu Problemen führen. Selbst wenn offiziell kein Sicherheitsbeauftragter vorgeschrieben ist, sollte ein Ansprechpartner im Betrieb benannt werden, der sich um Dokumentation, Schulungen und Behördenkommunikation kümmert.
Mit den neuen Vorgaben wächst auch die Pflicht zur lückenlosen Dokumentation. Unternehmen müssen nicht nur Gefährdungsbeurteilungen und Unterweisungen festhalten, sondern auch detailliert nachweisen, dass Schutzmaßnahmen umgesetzt und regelmäßig überprüft werden. Wer hier die richtigen Strategien nutzt, kann den Aufwand in Grenzen halten.
Der größte Fehler ist, Dokumentationen erst dann zu erstellen, wenn eine Kontrolle kurz bevorsteht. Das stresst alle Beteiligten und birgt das Risiko, wichtige Nachweise nicht mehr auffinden zu können. Idealerweise sind relevante Dokumente bereits fest im Arbeitsalltag integriert. Zum Beispiel können Formulare und Protokolle direkt dort bereitgestellt werden, wo sie benötigt werden. Das können etwa digitale Checklisten für Sicherheitsbegehungen sein oder automatische Erinnerungen im firmeninternen Kalender für anstehende Schulungen. So entsteht eine laufende Dokumentation und die hektische Aufholjagd am Jahresende entfällt.
Ein echtes Problem ist eine überbordende Zettelwirtschaft. Wer Arbeitsschutzmaßnahmen in Papierordnern sammelt, verliert schnell den Überblick. Digitale Dokumentationssysteme oder cloudbasierte Lösungen bieten hier eine enorme Erleichterung. Sie ermöglichen nicht nur eine zentrale Ablage, sondern erleichtern auch den Zugriff für alle
Verantwortlichen. Wer hier einmal ein durchdachtes System aufsetzt, spart sich in Zukunft viel Arbeit – und kann bei einer Kontrolle mit wenigen Klicks alle geforderten Nachweise vorlegen.
Klar ist: Wer frühzeitig Sicherheitsmängel erkennt, kann nicht nur Unfälle verhindern, sondern auch krankheitsbedingte Ausfälle reduzieren. Außerdem gibt eine vollständige und stets aktuelle Dokumentation im Ernstfall rechtliche Sicherheit – sei es gegenüber den Aufsichtsbehörden oder im Falle eines Arbeitsunfalls vor Gericht.
Auch die Gefährdungsbeurteilung rückt noch stärker in den Fokus. Arbeitgeber sind verpflichtet, sie regelmäßig zu überprüfen, an veränderte Arbeitsbedingungen anzupassen und lückenlos zu dokumentieren. In vielen Unternehmen schlummern allerdings Beurteilungen, die vor Jahren erstellt und seither kaum aktualisiert wurden. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, sie aus der Schublade zu holen.
Eine Gefährdungsbeurteilung ist kein einmaliger Akt, sondern ein dynamischer Prozess. Neue Maschinen, veränderte Arbeitsabläufe oder Regelungen können bestehende Risiken verschieben oder neue Gefahrenquellen schaffen. Wer darauf nicht reagiert, riskiert Beanstandungen bei einer Kontrolle. Überprüfungen werden idealerweise als fester Bestandteil des betrieblichen Ablaufs etabliert – beispielsweise durch regelmäßige Sicherheitsrunden oder kurze Gespräche mit den Mitarbeitenden, die am besten wissen, wo in ihrem Arbeitsbereich Probleme auftreten können.
Besonders heikel wird es, wenn psychische Belastungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Das Gesetz fordert ausdrücklich, dass auch Stressfaktoren, hohe Arbeitsdichte oder fehlende Erholungszeiten in die Gefährdungsbeurteilung einfließen. Wer das versäumt, riskiert im schlimmsten Fall juristische Folgen. Dabei muss die Erhebung gar nicht kompliziert sein: Eine anonyme Mitarbeiterbefragung kann zum Beispiel wertvolle Hinweise liefern, wo Anpassungen nötig sind. Entscheidend ist, dass am Ende daraus konkrete Maßnahmen folgen – sei es durch bessere ergonomische Bedingungen, optimierte Arbeitszeiten oder gezielte Entlastungsangebote.
Arbeitsschutz steht und fällt mit den Menschen, die ihn umsetzen. Die besten Konzepte nützen nichts, wenn die Mitarbeitenden nicht wissen, wie sie sich im Arbeitsalltag richtig verhalten sollen. Deshalb schreibt das Arbeitsschutzgesetz vor, dass Arbeitgeber ihr Personal regelmäßig schulen müssen. Doch in vielen Unternehmen läuft das noch nach dem Prinzip „Haken dran und weiter“. Eine jährliche Unterweisung mit langen Vorträgen, die niemand wirklich verfolgt, mag zwar formell ausreichen, bringt in der Praxis aber wenig. Wirklich wirksam sind Schulungen dann, wenn sie nicht nur Vorschriften abarbeiten, sondern den Beschäftigten konkrete Vorteile für ihren Arbeitsalltag bieten.
Besonders effizient sind Unternehmen, die Unterweisungen in die tägliche Routine integrieren. Statt einmal im Jahr eine Schulung anzusetzen, lassen sich sicherheitsrelevante Themen in kleinere, regelmäßige Einheiten aufteilen – sei es durch kurze Sicherheitsgespräche im Team, interaktive E-Learning-Module oder praktische Übungen direkt am Arbeitsplatz. Gerade digitale Schulungsangebote sind eine Chance, Mitarbeitende zeitlich flexibel und ohne großen Aufwand auf dem neuesten Stand zu halten. Wer seinen Beschäftigten etwa die Möglichkeit gibt, kurze Lerneinheiten per App oder am PC abzurufen, spart nicht nur Zeit, sondern stellt sicher, dass das Wissen frisch bleibt und nicht in kürzester Zeit wieder vergessen wird.
Ein weiteres Problem ist, dass Sicherheitsunterweisungen oft sehr allgemein gehalten sind. Natürlich gibt es grundlegende Regeln, die überall gelten, aber jede Abteilung hat ihre eigenen Risiken und Herausforderungen. Wer hier ins Detail geht und gezielt auf die spezifischen Gefahren in einzelnen Tätigkeitsbereichen eingeht, sorgt dafür, dass sich die Beschäftigten wirklich angesprochen fühlen.
Ja, das neue Arbeitsschutzgesetz bedeutet mehr Pflichten für Unternehmen. Umso mehr lohnt es sich, pragmatische Lösungen zu finden, die sich gut in den Arbeitsalltag einfügen. Wer digitale Tools nutzt, Dokumentationen automatisiert und Schulungen praxisnah gestaltet, kann den Aufwand minimieren. Vieles lässt sich schlanker organisieren, wenn man nicht die Einzelaufgaben betrachtet, sondern klug mit bestehenden Prozessen verknüpft. Gefährdungsbeurteilungen lassen sich beispielsweise direkt mit Unterweisungen koppeln, und regelmäßige Sicherheitschecks können in geplante Meetings integriert werden. Wer einmal durchdachte Strukturen aufsetzt, profitiert langfristig von weniger Stress und mehr Rechtssicherheit.
Nach dem Fehlzeiten-Report 2024 der AOK steuern die Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) auf ein Rekordhoch zu. Hauptursächlich für die Krankschreibungen sind Atemwegs- und Muskel-/Skeletterkrankungen. Zudem hat in den letzten 10 Jahren die Zahl der AU-Tage wegen psychischer Leiden um ca. 47 Prozent zugenommen, was mit langen AU-Zeiten einhergeht. Auch die DAK weist 2024 auf einen Höchststand bei psychisch bedingten AU-Tagen hin. Hauptsächlich verursachen Depressionen, Belastungsreaktionen sowie Anpassungsstörungen diese AU-Tage, wobei die o. g. Diagnosen häufig mit „Burnout“ umschrieben werden.
Dabei beschreibt das Burnout-Syndrom einen besonderen Fall berufsbezogener Erschöpfung. Erstmalig wurde 1969 durch H.B. Bradley dieses allgemeine Erschöpfungssyndrom bei professionellen Helfern beschrieben. Als arbeitsplatzbedingtes Risiko zur Entwicklung eines Burnout findet sich zumeist ein Ungleichgewicht zwischen Leistung und Belohnung (job-person-mismatch), wobei sich Erschöpfungssyndrome zumeist in Umbruchzeiten darstellen (z. B. Industrialisierung, Globalisierung), die mit Verunsicherung und Perspektivlosigkeit einhergehen.
Das Burnout-Syndrom verläuft phasenhaft. Nach einer Anfangsphase (vermehrtes Engagement) findet sich eine Phase mit Abbau dieses Engagements (z. B. Unsicherheit, „Dienst nach Vorschrift“) verbunden mit Symptomen der Demoralisierung (z. B. Hilflosigkeit, Ohnmacht), was in das Endstadium der Verzweiflungsphase (z. B. Sinnlosigkeit, Lebensüberdruß) einmündet.
Burnout und Depression unterscheiden sich in der Konzeption, aber nicht im Erscheinungsbild, das als Depression imponiert. Der konzeptionelle Unterschied ist darauf zurückzuführen, dass sich das psychiatrische Klassifikationssystem ICD-10 an den Symptomen und nicht mehr an deren Ursachen orientiert. Dabei werden die Depressionssymptome in Abhängigkeit vom Schweregrad therapiert. Zudem gibt es nur wenige wissenschaftliche Studien, in denen Methoden zur Therapie und Prophylaxe des Burnout-Syndroms überprüft wurden. Letztlich orientiert sich die Burnout-Behandlung an der individuellen Ausprägung des Syndroms und stellt eine Depressionstherapie dar.
Die mit Psychotherapie kombinierte medikamentöse Behandlung kann anfangs über die erste schwere Zeit hinweghelfen. Zudem helfen Entspannungsverfahren, wobei Zeitmanagement, kollegiale Unterstützung, Coaching und Karriereplanung bei der Bewältigung des Burnouts zu empfehlen sind. Zudem ist die Rolle von Schutzfaktoren am Arbeitsplatz (z. B. adäquates Maß an
Belastung, Einflußmöglichkeiten auf Arbeitsinhalte, Anerkennung, Teamarbeit, sinngebende Arbeit) zu betonen.
Die Klinik Wersbach in Leichlingen unterstützt dabei als Kompetenzzentrum für seelische Gesundheit und bietet einen umfassenden Behandlungsansatz zur Therapie solcher seelischer Leiden.
von Dr. C. Florange, M. Sc.