Briefmarken - Ihre Werke reisen um die Welt

Andrea Voß-Acker (56) ist Kommunikationsdesignerin – und entwirft unter anderem Briefmarken. Für sie sind es Kulturbotschafterinnen eines Landes und nicht nur Porto.

Nur ein paar Quadratzentimeter Fläche zum Designen. Was reizt Sie am Klein(st)format?

Andrea Voß-Acker: Ich bin gezwungen, ein Thema auf das Wesentliche zu reduzieren, auf den Punkt zu kommen. Das ist natürlich eine Herausforderung, man will ja doch meistens eher zu viel „unterbringen“. Aber auch hierbei ist weniger oft mehr. Zudem reizt mich natürlich auch die enorme Bandbreite an verschiedensten Themen, in die man sich manchmal völlig neu einarbeiten muss.

Sie haben in Wuppertal Kommunikationsdesign studiert, wie kamen Sie damals aber ausgerechnet auf Briefmarken?

Es gab damals einen Aushang in der Uni. Mein Professor Hans Günter Schmitz, der selbst schon viele Briefmarken entworfen hatte, suchte Studierende für den Wettbewerb für die Marke „Kinder- und Jugendtelefon“. Ich hatte mit Briefmarken vorher noch nie etwas zu tun, habe mir auch nie Gedanken gemacht, wie sie eigentlich „entstehen“. Aber ich bin direkt drauf angesprungen. Für mich war klar, das mache ich. Auch wenn mir durch den Kopf ging, um Himmelswillen, so ein kleines Format.

Ihr jüngster Entwurf zum 75. Geburtstag des Müttergenesungswerks ging im Januar in Druck. Ihre wievielte Briefmarke war das?

Circa 60 sind es seit 2001 geworden. Die Marke fürs Kinder- und Jugendtelefon war die Erste. In diesem Jahr wird es von mir noch eine Ausgabe zum „Tag der Briefmarke“ am 4. September geben und aktuell nehme ich am Wettbewerb für eine Ausgabe zum 100. Geburtstag von Siegfried Lenz teil, die im kommenden Jahr geplant ist.

Wie läuft so ein Wettbewerb ab?

Offizieller Herausgeber der Briefmarken ist ja das Bundesfinanzministerium. Das schreibt dann Designerinnen und Designer, so sieben bis zehn, an, ihre Entwürfe einzureichen. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich eine E-Mail vom Ministerium im Postfach habe (lacht). Man wird nicht reich dadurch, aber ich nehme immer gerne teil. Das ist eine schöne Abwechslung. Die Deutsche Post macht mittlerweile aber auch ihre eigenen Entwürfe, so dass es leider weniger Wettbewerbe gibt.

Von der Auflage ihrer Werke her dürften andere träumen. Können Sie schätzen, wie oft „Ihre“ Marken insgesamt gedruckt wurden?

Das dürfte mittlerweile in den dreistelligen Millionen-Bereich gehen. Die letzte Marke für das Müttergenesungswerk ist zum Beispiel 1,67 Millionen Mal gedruckt worden. In der Vergangenheit sind Entwürfe von mir aber auch in anderen Ländern erschienen, etwa zur Fußball-WM 2002 in Brasilien und Argentinien.

Ihre Themen sind ja recht breit gestreut – von der Fußball-WM über den Weltjugendtag bis zum Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld. Wie bereiten Sie sich dann auf so eine Ausgabe vor?

Das hängst natürlich sehr vom Thema ab. Erstmal viel lesen, recherchieren, sammeln. Beim Thema Siegfried Lenz habe ich mich zum Beispiel an die Stiftung gewandt, die sich um ihn und seine Werk kümmert. Es geht darum, sich ein Bild zu machen, herauszufinden, was ihn auszeichnet und was für ein Mensch er war. Dann muss ich mich entscheiden, worauf es für mich ankommt und was ich kommunizieren will, bevor es dann an die graphische Umsetzung geht.

Sie können sich ja die Themen nicht aussuchen. Macht es die Arbeit manchmal schwieriger?

Ja, aber genau das macht den Reiz ja auch aus. Siegfried Lenz kannte ich natürlich, aber von Magnus Hirschfeld hatte ich zum Beispiel vorher noch nie was gehört. Die völlig neuen Themen entwickeln sich oft zu den spannendsten. Man darf maximal drei Entwürfe einreichen. Das versuche ich dann meistens auch auszunutzen. Manchmal war es dann so, dass nach den ersten beiden Entwürfen kurz vor Abgabe noch ein völlig neuer abstrakterer Entwurf entstanden ist, der dann am Ende gewonnen hat. Bei der Auswahl geht es dann ja auch immer ein bisschen nach dem persönlichen Geschmack (lacht) und der Kunstbeirat des Ministeriums, der die Entscheidung fällt, ist natürlich nicht immer meiner Meinung.

Andere Länder haben schon Marken aus Porzellan, Leder, Holz oder sogar Toilettenpapier herausgegeben. Wäre das auch mal was für Sie?

Das klingt schon spannend. Und wenn das vom Zusammenhang her Sinn macht, das Thema der Ausgabe also zum Material passt, würde mich das reizen. Ich experimentiere ja gerne.

In der Vergangenheit gab es ja schon einige Briefmarken mit Wuppertal-Bezug, etwa zu Ehren von Pina Bausch, Else Lasker-Schüler oder Johannes Rau. Im kommenden Jahr plant die Post eine Marke zum 125. Geburtstag der Schwebebahn. Gibt es da eine Chance für Sie?

Bei dem Wettbewerb bin ich leider nicht dabei, aber vielleicht ja jemand anderes aus Wuppertal. Es gibt mehrere Designerinnen und Designer von Briefmarken in der Stadt. Wuppertal hat da eine lange Tradition. Ich bin aber aktuell noch im Wettbewerb für eine offizielle 20-Euro-Münze zum Schwebebahn-Jubiläum. Seit etwa drei Jahren nehme auch an Münzwettbewerben teil, für die ein plastische Entwürfe aus Gips eingereicht werden. Gerade bei diesem Thema würde ich natürlich besonders gerne gewinnen.

Briefmarken gehören ja, sagt jedenfalls so mancher, zu einer aussterbenden Gattung. Die Menschen schreiben immer weniger Briefe und auf immer weniger Briefen klebt überhaupt noch eine Marke. Finden Sie das schade oder ist das einfach der Lauf der Zeit?

Aussterbende Gattung kann man aus meiner Sicht so nicht sagen. Eine Briefmarke ist für mich nicht nur Porto, sondern eine Kulturbotschafterin eines Landes und deshalb wichtig. Es wäre sehr schade, wenn das wegfällt.

Aber auch die Sammlerschaft wird älter und kleiner.

Das mag so sein. Ich freue mich aber immer über die Resonanz. Es gibt zum Beispiel einen jungen Sammler, der mich regelmäßig anschreibt, wenn wieder Marken von mir erschienen sind und sich darüber austauschen möchte. Das finde ich schon cool. Wobei man sagen muss, dass die meisten Sammler, die mir schreiben, doch eher etwas älter sind.

Für Sie als Designerin sind Briefmarken aber ja längst nicht alles. Was gehört sonst noch zu Ihrer Arbeit?

Als selbstständige Designerin gestalte ich vorwiegend Printmedien wie Bücher, Broschüren, Plakate und Magazine aber auch Logos und Erscheinungsbilder. In den letzten Jahren habe ich zum großen Teil Medien für die Interne Kommunikation von Unternehmen gestaltet, wie zum Beispiel für Vorwerk oder das Mitarbeiter-Magazin einer Kölner Versicherung.

Wie sehen Sie die Einsatzmöglichkeiten der KI im Bereich Kommunikationsdesign – Chance oder Gefahr?

Beides. Für mich als Designerin bedeutet KI ganz klar eine Bereicherung, weil sie mir Arbeit abnehmen und helfen kann, in einigen Bereichen schneller und effektiver zu arbeiten. Aber KI kann den professionellen Designer eben nicht ersetzen, weil ihr genau das fehlt, was uns ausmacht: Kreativität. Und genau da sehe ich die Gefahr, wenn Menschen denken, KI könne das doch

Briefmarken tragen Ihre Arbeit ja sozusagen in die ganze Welt hinaus. Sie sind aber auch gerne „lokal“ unterwegs.

Auf jeden Fall. Aktuell bin ich dabei, mit der Wuppertaler Oper zusammen Motive für die kommende Spielzeit zu entwickeln. Das ist noch mal etwas ganz Neues, Spannendes für mich. Für Marion Kegelbein, die schon mehrere Bergische Krimidinner-Spiele herausgebracht hat, habe ich unter anderem das Logo entworfen. Und für meine Münzmodelle aus Gips, die ich für die Wettbewerbe einreichen muss, suche ich zum Beispiel noch einen 3D-Druck-Dienstleister im Bergischen Land, der ein sehr feines Relief als Negativform realisieren kann. Wer sich angesprochen fühlt, kann sich gerne melden.

Was gefällt Ihnen im Bergischen besonders gut?

Die Vielfalt! In Wuppertal zum Beispiel die sehr unterschiedlichen Stadtteile mit ihrem jeweils eigenen Charme. Und hier in Ronsdorf habe ich die wunderbare Talsperre fast vor der Haustür und so viel Grün. Mit unserem Hund bin ich einfach sehr gerne im Bergischen unterwegs.

Was ist Ihr Geheimtipp im Bergischen?

Die Ronsdorfer Talsperre ist kein Geheimtipp, oder? Dann empfehle ich die noch nicht veröffentlichten Premieren der Wuppertaler Oper in der nächsten Spielzeit. Das wird ein sehr abwechslungsreiches Programm!

Das Gespräch führte Manuel Praest.

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