Unternehmenskultur anpassen - Väter ernst nehmen

Christine Jentzsch, Fachreferentin beim Kompetenzzentrum Frau und Beruf Bergisches Städtedreieck berät Unternehmen rund um das Thema Vereinbarkeit.

Frau Jentzsch, Sie sind Fachreferentin für Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Pflege beim Kompetenzzentrum Frau und Beruf Bergisches Städtedreieck (Bergisch Competentia). Wenn noch mehr Männer Elternzeit nähmen, inwieweit wäre das aus Ihrer Sicht ein wichtiger Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter?

Erst einmal ist es ja ein wunderbarer Anlass, wenn Paare zu Eltern werden. Derzeit ist es so, dass überwiegend Frauen Elternzeit nehmen. Zunehmend mehr Väter möchten aber gerne Elternzeit für mehr als zwei Monate nutzen. Darüber hinaus möchten 40 Prozent der Väter längerfristig ihr Arbeitspensum reduzieren, über die Elternzeit hinaus. Und das ist der entscheidende Punkt: Elternsein beziehungsweise Vatersein endet nicht nach der Elternzeit. Im Gegenteil – jetzt geht das Thema „Vereinbarkeit“ erst richtig los! Die Kinder müssen betreut werden. Tagesmütter, Kindertagesstätten, Schulen haben begrenzte Öffnungszeiten, Schließtage, Ferien – von Notbetreuung möchte ich gar nicht erst anfangen. Unternehmen müssen erkennen, dass die Väter ihre Rolle heute ernster nehmen. Arbeitgeber, die Vätern entsprechende Angebote machen - zum Beispiel flexiblere Arbeitszeiten oder die Möglichkeit zum Homeoffice - geben ein wichtiges Signal. Nämlich: Wir schätzen dich als Arbeitskraft und unterstützen dich darin, Familie und Beruf zu vereinen, damit nicht eine Seite zu kurz kommt.

Statistiken zeigen, dass immer mehr Väter in Elternzeit gehen. Entspricht das auch Ihrer Wahrnehmung im Bergischen Städtedreieck?

Richtig. Statistisch gesehen gibt es seit Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 bundesweit einen konstanten Anstieg von Vätern, die Elternzeit nehmen. Laut Bundesfamilienministerium waren es im Jahr 2024 zuletzt 46,2 Prozent der Väter mit Kindern unter drei Jahren, die Elterngeld beziehen. Das Bergische Städtedreieck bildet da sicherlich keine Ausnahme, auch im Hin-blick auf unterschiedliche Branchen. Da gilt: Generell ist der Anteil der Männer in Elternzeit im öffentlichen Dienst und im Dienstleistungsbereich höher als im produzierenden Gewerbe. In kleinen und mittleren Unternehmen ist das Fehlen von Fachkräften schwieriger aufzufangen, weil die personellen Möglichkeiten geringer sind. Aber die Abwesenheit der Mütter muss auch aufgefangen werden und das funktioniert ja auch.

Gibt es bei den hiesigen Firmen ein Bewusstsein für das Thema? Inwieweit wird es für die Gewinnung von Mitarbeitern immer wichtiger?

Aus Gesprächen mit Unternehmen wissen wir, dass es ein Umdenken gibt und dass Väter, die Elternzeit nehmen wollen, oft unterstützt werden. Leider gibt es aber auch noch Unternehmen, die Vätern mehr oder weniger deutlich machen, dass der Beruf immer Vorrang habe. Um die Kinder könne sich doch die Mutter kümmern. Gleiches gilt für den Wunsch nach einer Reduzierung der Arbeitszeit. Väter erleben häufiger als Mütter ein geringes Entgegenkommen von Arbeitgebern und Führungskräften. Fakt ist aber: Die Vätergeneration von heute sucht sich den Arbeitgeber oft nach Arbeitgeberbewertungen im Hinblick auf familienfreundliche Angebote, flexible Arbeitszeitmodelle und gute Balance von Beruf und Familie aus. Eine Prognos-Befragung aus dem Jahr 2022 ergab, dass rund 450.000 Väter bereits ihren Arbeitgeber zugunsten besserer Vereinbarkeitsbedingungen gewechselt haben. Weitere 1,7 Millionen Väter dachten zumindest darüber nach. Unternehmen sollten also versuchen, den Wünschen und Vorstellungen der Paare zu entsprechen, und nach Lösungen suchen.

Was sollten Unternehmen tun, um junge Väter zu ermutigen, Elternzeit zu nehmen und sich familiär einzubringen? Gibt es in den Firmen Strukturen, die das torpedieren?

Entscheidend ist sicherlich die gesamte Unternehmenskultur. Dazu gehört auch, dass Führungskräfte selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Generell ist es wichtig, wenn Arbeitgeber und Mitarbeitende im Gespräch bleiben – vor, während und auch nach der Elternzeit. Was brauchst du, um gut arbeiten zu können? Die Antworten können so individuell und vielfältig sein, dass es sich nur schwer verallgemeinern lässt.

Das Gespräch führte Michael Bosse.

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