Aufträge für die Verteidigung - Chancen und hohe Anforderungen

Dr. Markus Doumet vom Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Corporate Governance der Bergischen Universität nennt Voraussetzungen, die Unternehmen erfüllen müssen.

Herr Dr. Doumet, sind die vorgesehenen hohen Verteidigungsausgaben ein lang ersehntes Mittel gegen die Schwäche der deutschen Wirtschaft?

Mit dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen von 2022 leitete der Bund eine sicherheits- und industriepolitische Wende ein. 2025 folgte mit der Änderung der Artikel 109 und 115 GG ein weiterer Schritt: Verteidigungsausgaben über ein Prozent des BIP können seither dauerhaft kreditfinanziert werden – außerhalb der Schuldenbremse. Diese Investitionen wirken sich positiv auf die deutsche Rüstungsindustrie und ihre zahlreichen Zulieferbranchen aus. Die konjunkturellen Effekte sind jedoch selektiv, zeitlich begrenzt und haushaltspolitisch nicht ohne Risiko. Ein nachhaltiger wirtschaftlicher Impuls hängt maßgeblich davon ab, wie die Mittel verwendet wer-den und wer davon profitiert.

Wie schätzen Sie das ein?

Bislang gingen große Beschaffungen – etwa F-35-Kampfjets, Arrow-3-Abwehrraketen und CH-47-Hubschrauber – überwiegend an ausländische Hersteller. Zwar erfolgen Teile der Fertigung in Deutschland, doch der Großteil der Wertschöpfung bleibt im Ausland. Der akute Bedarf und der schlechte Zustand der Bundeswehr machten kurzfristig verfügbare Lösungen notwendig – zulasten inländischer Entwicklungsprojekte. Mittel- bis langfristig wäre eine strategische Vergabe an deutsche und europäische Unternehmen sinnvoll, um resilientere Lieferketten aufzubauen und spilloverähnliche Effekte auf die zivile Industrie zu ermöglichen – etwa durch Technologietransfer und Dual-Use-Innovationen. Kritisch bleiben jedoch die komplexen Vergabeverfahren. Aus industriepolitischer Sicht braucht es hier mehr Tempo und weniger Bürokratie – ohne sicherheitsrelevante Standards zu vernachlässigen.

Für welche Branchen ist das Thema überhaupt relevant?

Die Rüstungsindustrie ist ein klassisches Querschnittsfeld, das eine Vielzahl von Branchen betrifft. Relevanz haben etwa der Maschinen- und Anlagenbau, die Elektronik-, IT- und Werk-stofftechnik, Luft- und Raumfahrt, Logistik sowie spezialisierte Dienstleister. Gefragt sind Fertigungskompetenz, Systemintegration, Cybersicherheit und technologische Innovationen – zu-nehmend auch von Start-ups.

Wie ist das Potenzial für die hiesigen Unternehmen realistisch einzuschätzen?

Es gibt durchaus Potenzial für Unternehmen in der Region, von den steigenden Verteidigungsausgaben zu profitieren. Das Bergische Städtedreieck verfügt über eine solide industrielle Basis, insbesondere in der Metallverarbeitung, im Werkzeug- und Maschinenbau, in der Oberflächentechnik sowie in der Elektro- und Chemieindustrie – alles Felder mit Anschlussfähigkeit zur wehrtechnischen Zulieferung. Auch IT-Dienstleister und Ingenieurbüros könnten vom steigenden Bedarf profitieren. Voraussetzung ist jedoch eine gezielte strategische Ausrichtung. Allerdings darf ein Aspekt nicht übersehen werden: Rüstung war in Deutschland über Jahrzehnte ein sen-sibles Thema – und das aus guten historischen Gründen. Nicht jedes Unternehmen ist bereit, diesen Schritt zu gehen und sich öffentlich als Zulieferer im Verteidigungsbereich zu positionieren. Auch viele Finanzdienstleister zeigen nach wie vor Zurückhaltung, wenn es um die Finanzierung entsprechender Investitionen geht.

Wie müssen sich Unternehmen aufstellen, die zuvor noch nie im Defense-Bereich tätig waren?

Zunächst ist zu unterscheiden, ob ein Unternehmen als direkter Vertragspartner der Bundes-wehr oder als Zulieferer für ein Rüstungsunternehmen tätig werden will. Wer unmittelbar mit der Bundeswehr zusammenarbeitet, muss sich mit dem öffentlichen Vergaberecht, dem e-Vergabeportal und den Anforderungen des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr vertraut machen. Voraussetzung sind in der Regel Eignungsnachweise sowie bei sicherheitsrelevanten Projekten auch Sicherheitsüberprüfungen nach Verschlusssachen-Vorgaben. Technisch gelten häufig die üblichen Normen der zivilen Industrie, etwa ISO 9001, ergänzt um bundeswehr- oder NATO-spezifische Richtlinien. Deutlich einfacher ist meist der Einstieg als Zulieferer eines etablierten Rüstungsunternehmens. Viele Anforderungen – etwa Dokumentationspflichten, Qualitätssicherung oder IT-Sicherheit – gelten hier allerdings indirekt, da sie durch den Hauptauftragnehmer weitergereicht werden.

Das Gespräch führte Daniel Boss.

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