Frische Qualität - Einkaufen auf dem Wochenmarkt

In allen Ortszentren gibt es Wochenmärkte mit Obst und Gemüse, Käse und Fleischwaren. Doch die Markthändler kämpfen mit der Bürokratie und haben Schwierigkeiten, Nachfolger zu finden.

In der Auslage locken rote Tomaten und schwarze, gelbe und grüne. Große und kleine, längliche, runde und die wulstigen Ochsenherz-Tomaten. „Die Zuckertomaten sind besonders süß“, empfiehlt der Verkäufer. Bunt und vielfältig ist das Angebot auf dem Wochenmarkt, und das nette Gespräch gibt es gratis obendrein. In allen drei Städten des Bergischen Städtedreiecks locken Wochenmärkte – samstags in allen wichtigen Ortszentren, an einigen Orten auch etwas kleiner an weiteren Tagen. Neu sind Feierabendmärkte, die erst am Spätnachmittag beginnen, während die Wochenmärkte traditionell vormittags verkaufen.

Oft empfängt die Einkaufenden schon von weitem der Blick auf Blumen und Pflanzen. Ob der farbenfrohe Strauß fürs Wohnzimmer, Geranien und Fuchsien für den Balkon oder ein kleines Zucchini-Pflänzchen fürs Hochbeet: Wer früh genug kommt, findet eine breite Auswahl vor. Tipps für die Pflanzung erhält man außerdem. Am Käsestand dürfen die Kunden neue Käsesorten probieren, und am Wurststand bekommen Kinder wie immer schon eine Scheibe Wurst auf die Hand.

Die breite Auswahl am Gemüsestand lässt sofort Ideen für Gemüseaufläufe, Pasta-Saucen und Eintöpfe sprießen. „Am Wochenende gehe ich essen, aber am Dienstag komme ich wieder“, entschuldigt sich eine Stammkundin für Samstag bei ihrer Lieblingshändlerin. Viele Kundinnen werden mit Namen angesprochen, man plaudert übers Wetter und die Enkel, und oft weiß die Verkäuferin von alleine, wie viele Trauben oder Möhren ihr Gegenüber haben möchte.

Manchmal sind es Landwirte der Region, die persönlich auf dem Wochenmarkt ihre Produkte verkaufen. Wie der Wuppertaler Martin Dahlmann, der selbst Käse aus der Milch seiner Kühe herstellt und diesen samstags auf dem Wochenmarkt in Barmen verkauft. Die meisten sind jedoch Markthändler, die ihre Waren auf dem Großmarkt holen. Sie verbringen ihr halbes Leben am Marktstand. „Wir fahren um 23.30 Uhr zum Großmarkt, um dort einzukaufen. Bis dann alles verladen ist, dauert es. Gegen 3 Uhr morgens sind wir hier und bauen auf und verkaufen dann bis 14 Uhr. Danach kommt noch die Büroarbeit“, erzählt Heike Lengemann, die mit ihrem Mann Klaus seit 25 Jahren mit einem Obst- und Gemüsestand auf dem Wochenmarkt am Rathaus Barmen steht.

Die langen Arbeitstage schrecken junge Menschen ab. Viele Markthändler haben Probleme, Nachfolger zu finden. Oft genug geben Händlerinnen weit im Rentenalter ihr Geschäft auf und hinterlassen eine Lücke auf dem Markt. „Aber auch sonst wird es immer schwieriger. Alleine die E-Rechnung sorgt für deutlich höhere Kosten“, sagt Heike Lengemann. Unfair findet sie auch, dass sie seit Jahresbeginn Maut für ihren Lkw bezahlen muss, während Handwerker und Schausteller davon befreit sind. „Das sind über 170 Euro im Monat! Uns werden lauter Knüppel zwischen die Beine geworfen.“

Nur noch rund 1,1 Prozent ihrer frischen Lebensmittel kaufen die Verbraucher auf Wochenmärkten ein, haben Marktforscher von GfK ermittelt. Laut einer Umfrage von YouGov unter knapp 3.000 Erwachsenen besuchen 30 Prozent nie einen Wochenmarkt und weitere 38 Prozent seltener als einmal im Monat. Nur 15 Prozent kaufen jede Woche dort ein.

Rund 25 Stände locken an den Samstagen auf den Wochenmarkt nach Barmen. Neben Obst und Gemüse, Fleischwaren und Käse sind dort auch Stände für frischen Fisch, Feinkost, Gewürze und Honig zu finden. Manchmal kommt außerdem ein Messerschleifer. Wer mit offenen Augen über den Markt schlendert, findet immer wieder Unerwartetes: Birnenkraut im Glas, seltene Apfelsorten, Sträußchen frischer Minze, Packen mit Heu für Kleintiere. Dienstags besteht der Markt nur aus dem Gemüsestand von Lengemanns und einem Stand mit Fleisch- und Wurstwaren.

In Remscheid-Lennep passt der kleine Wochenmarkt perfekt zwischen die historischen Schieferhäuser. Einladende Cafés und Restaurants säumen den Platz, auf dem samstags ab 7 Uhr Salat, Erdbeeren und Wurst über die Theke gehen. „Die Lenneper schätzen diesen Markt“, sagt Edmund Joska, Gastronom des Gasthauses König von Preußen und seit sieben Jahren Marktleiter. Bei jedem Wetter kommen die Anwohner, um hier frische Zutaten fürs Mittagessen zu holen. Zum großen Bedauern der Markthändler hat der Blumenhändler allerdings vor kurzem aus Altersgründen aufgehört. Jetzt sucht der Lenneper Wochenmarkt dringend Ersatz. „Ein Blumenstand ist optisch sehr wichtig für den Markt“, findet Edmund Joska. Im Laufe der vergangenen Jahre wurde der Markt immer kleiner. Anbieter von Milchprodukten und Käse, Eier und Hühnerfleisch, Fisch – sie alle blieben irgendwann weg. Dann wurden die Marktzeiten von zweimal pro Woche auf einmal reduziert.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Das Restaurant Wuppertaler Hof hat während der Pandemie angefangen, fertig gekochte Gerichte aus dem Wagen heraus auf dem Markt zu verkaufen. Das kommt auch heute noch gut an. „Sowohl Senioren schätzen dieses schnelle, leckere Essen als auch junge Leute im Homeoffice“, erklärt die Restaurant-Chefin Tordis Schmalbein. Es empfiehlt sich allerdings eine Vorbestellung: Um 10 Uhr ist ihre Auslage am Samstag bereits fast leer. Rinderroulade mit Kartoffeln, Spitzkohlgemüse oder Hähnchengeschnetzeltes in Currysauce waren offenbar beliebt. Alle Angebote der Woche veröffentlicht der Lenneper Wochenmarkt seit Neuesten auf Facebook. Damit ist er der einzige Wochenmarkt der Region, der auf Social Media vertreten ist.

Auch die Zeiten haben sich verändert, erzählt Brigitte Johnen, die ihren Gemüseladen seit Jahrzehnten auf dem Platz hat und samstags auch Stände davor aufbaut. „Früher hatten wir hier um sieben Uhr die Leute stehen – jetzt kommen sie nur noch zwischen zehn und halb eins.“ Um auch Spätaufsteher anzusprechen, gibt es jetzt regelmäßig Feierabendmärkte ab 17 Uhr abwechselnd auf den Remscheider Marktplätzen. Neben den Ständen sorgen dabei Live-Musiker für gute Stimmung.

Die geänderten Gewohnheiten bemerken auch die Händler auf dem Wochenmarkt in Solingen-Ohligs. „Morgens gibt es einen Schub, dann wird es ruhiger und die meisten kommen ab 9 oder 10 Uhr“, berichtet Blumenhändler Holger Köllges. Eine Stammkundin jedoch käme jeden Samstag pünktlich um 6.30 Uhr zum Stand, um eine Rose zu kaufen. Überhaupt steht der soziale Austausch in Ohligs stark im Fokus: Neben einem Kaffeestand sind Bänke aufgebaut. Hier sitzen die Menschen und gucken sich das Treiben an, wer sich zufällig trifft, lässt sich hier auf einen Kaffee nieder.

Seit 2015 sind die Wochenmärkte in Solingen privatisiert. Franz-Josef Padberg, der jahrelang den Zöppkesmarkt organisiert hat, kümmert sich seitdem nebenberuflich als Marktmeister um die Wochenmärkte. Die Stadtteile hätten dabei unterschiedliche Bedürfnisse, erzählt er: In Mitte seien die Besucher sehr preisbewusst, da läge der Fokus auf Obst- und Gemüseständen. Ohligs sei der Markt mit dem breitesten Angebot, hier gibt es auch Fisch und Käse. Dieser Markt sei auch bei jüngeren Menschen und Familien sehr beliebt, ein Anziehungspunkt für die ganze Region und immer voll. Deshalb ist Padberg froh, dass auch die Stadtverwaltung hinter dem Markt steht und ihm den Vorrang vor Sonderveranstaltungen gibt. Die 17 Markthändler in Ohligs seien eine eingeschworene Gemeinschaft und unterstützten sich auch gegenseitig. So wie der in Rente gegangene Händler, der jetzt samstags bei einem Kollegen aushilft.

Einmal im Monat organisiert Padberg zusätzlich Feierabendmärkte mit Musik. Da seien jedoch vor allem Essensstände gefragt. Die Gemüsehändler, die spätestens um 3 Uhr morgens beim Großmarkt sind, wollen am Abend auch nicht mehr verkaufen. Auf dem Wochenmarkt sind neben Erdbeerwein, seltenen Kartoffelsorten oder Kibbeling auch Miederwaren, Zöppkes und Flaschenbürsten erhältlich. Und Pferdewurst, eine Solinger Spezialität.

Text: Tanja Heil

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