Spitzen-Handball fürs Städtedreieck - Austausch auf Augenhöhe
Ein Jahr, nachdem der Bergische HC die 1. Handball-Bundesliga verlassen musste, konnte die Mannschaft nun wieder den Aufstieg bejubeln. Das Trainerduo Arnor Thor Gunnarsson und Markus Pütz hat daran einen großen Anteil.
Zum Ende der Saison 2023/2024 übernahmen Sie mehr oder weniger über Nacht das Zepter, wie war das?
Gunnarsson: Zunächst einmal war für mich klar, dass ich es nur zusammen mit Markus mache, und wenn, dann nur als gleichberechtigtes Trainerteam. Ein Modell, das gerade in den skandinavischen Ländern sehr gut funktioniert, hier aber noch nicht so verbreitet ist.
Ein gleichberechtigtes Trainerduo – das ist in der Handball-Bundesliga einmalig. Welche Vorteile bringt diese Teamarbeit mit sich?
Pütz: Dass man sich austauschen kann, die Verantwortung zu zweit trägt. Dafür braucht man aber auch einen Partner, der kritisch ist und gleichzeitig Kritik aushält. Wir teilen uns das im Spiel meist so ein, dass jeder in jeder Halbzeit eine Viertelstunde steht und eine Viertelstunde sitzt. Da hat man dann jeweils einen anderen Blick. Darüber tauschen wir uns nach dem Spiel aus. Ich bin davon überzeugt, dass das ein Modell ist, das sich immer mehr durchsetzen wird, weil die Vorteile auf der Hand liegen. Aber klar, dafür müssen sich zwei Menschen auch sehr gut verstehen und ergänzen.
Gibt es eine Rollenverteilung bei Ihnen beiden?
Gunnarsson: Ja, ich konzentriere mich auf die Offensive, Markus auf die Defensive. So halten wir es in der Spielvorbereitung und im Grunde auch während des Spiels.
Was zeichnet Sie als erfolgreiches Trainer-Duo aus?
Pütz: (lächelt) Das müsste man wohl die Mannschaft fragen. Erst einmal, dass wir uns nahezu perfekt ergänzen und den Erfolg wirklich gemeinsam wollen, auf Augenhöhe. Als Gymnasiallehrer für Sport und Geschichte sowie durch meine jahrelange Arbeit auch im Nachwuchstraining bringe ich eine Menge pädagogische Erfahrung mit. Und ich habe sieben Jahre unter Sebastian Hinze als Co-Trainer gearbeitet, tausche mich auch heute noch oft mit ihm aus. Ich habe zwar auch Handball gespielt, aber nicht auf dem Niveau von Arnor. Insofern kommt vieles, was mit diesem Wissen zu tun hat, das man nur auf dem Platz bekommt, von ihm, weil er sich noch besser in die Köpfe der Spieler hereinversetzen kann. Am Ende zählt für uns beide Teamgeist, eine kontinuierliche Entwicklung und dass wir uns sportlich sehr stark mit dem Verein identifi-zieren.
Gibt es noch andere Erfolgsfaktoren?
Gunnarsson: Ich denke, es liegt auch daran, dass wir im Verein wieder eine andere Art des Zusammenarbeitens gefunden haben. So eine Mannschaft ist ein schwieriges soziales Gebilde. Da geht es auch darum, alle mit reinzuholen, viele Gespräche zu führen und viel zu kommunizieren. Ich denke, der Erfolg war auch möglich, weil wir von Anfang an alle hinter dem einen Ziel vereinen konnten, und das war der Aufstieg.
Wie lautet Ihre Strategie?
Pütz: Für mich ist die gezielte Förderung der Spieler ein Schlüssel des Erfolgs. Dies muss man mit Geduld und Konsequenz angehen, vor allem bei neuen und besonders jungen Spielern. Da-für nutzen wir eine detaillierte Analyse, auch mit Videos, um Schwachstellen zu identifizieren und das Spiel zu verbessern.
Wie wichtig ist Taktik für Ihr Spiel?
Pütz: Sehr wichtig. Im Grunde basiert vieles auf mathematischen Grundlagen. Ein Handballspiel ist auch vergleichbar mit einem Schachspiel. Es geht einfach darum, sich einen Vorteil gegen-über seinen Gegenspielern zu verschaffen, oft auch im Eins-Eins-Verhalten. Da muss man takti-sche Entscheidungen treffen und die kann man trainieren.
Was passiert, wenn Sie unterschiedlicher Meinung sind?
Gunnarsson: Dann machen wir die Türe zu und diskutieren das aus. Ich nenne das gern unsere „Quality Time“. Dann nehmen wir uns die Zeit, um taktische Ideen auszutauschen und um Prob-leme zu besprechen. Unterschiedliche Meinungen sind da an der Tagesordnung. Aber, wenn wir rausgehen, dann reden wir dieselbe Sprache, weil wir uns geeinigt haben. Und dabei ist es völ-lig egal, wer die bessere Idee hatte. Dann geht es um die Sache, die wir gemeinsam und in Übereinstimmung an die Mannschaft herantragen. Dann wissen alle Bescheid und es gibt keine Missverständnisse.
Konnten Sie miteinander und aneinander wachsen?
Pütz: Ja, auf jeden Fall. Wir lernen auch und vor allem durch Spieler-Feedback und Reaktionen aus dem Umfeld. Aber wir profitieren auch ganz stark von den Erfahrungen des Anderen. Ich kann mein pädagogisches Wissen in die Waagschale werfen, Arnor seine enorme Spielererfah-rung. Das ergänzt sich sehr gut. Und Fabian Gutbrod als Sportlicher Leiter bringt manchmal auch Ideen ein, über die wir beide uns dann austauschen.
Verstehen Sie sich also quasi blind?
Gunnarsson: Ja, das kann man schon so sagen.
Und pflegen Sie auch privat Kontakt?
Pütz: Ja, auf jeden Fall. Wir tauschen uns schon oft aus, auch „nach Feierabend“. Das führt dazu, dass Arnor manchmal mein Anrufkontakt Nummer 1 im Handy ist, noch vor meiner Frau. (lacht)
Und nun geht es wie erhofft in die 1. Bundesliga, mit welchen Gefühlen?
Pütz: Voller Vorfreude. Es wird aber ein ganz harter Kampf werden, sich dort zu behaupten. Denn die Statistik besagt leider, dass in den letzten Jahren nahezu alle Mannschaften, die auf-gestiegen sind, in der nächsten Saison wieder absteigen mussten. Und da wollen wir natürlich gerne wieder die Ausnahme sein. Aber dafür müssen wir von Anfang an viel tun, uns gut vorbereiten, auch, wieder verlieren zu können, ohne den Kopf in den Sand zu stecken. Und da brauchen wir auch die Fans, die uns unterstützen. Gunnarsson: Ja, ich bin sehr stolz auf die Spieler und den Verein, dass wir das zusammen geschafft haben.
Wie lautet jetzt das Ziel für kommende Spielzeit?
Beide: Der Klassenerhalt.
Das Gespräch führte Liane Rapp.