Cloud-Infrastruktur - Die Gefahr ist real
Tobias Meisen, Professor für Technologien und Management der Digitalen Transformation an der Bergischen Universität Wuppertal, fordert europäische Datensouveränität und kritisiert fehlende Weitsicht bei Investitionen in Schlüsseltechnologien.
Wie sehen Sie die Gefahr, dass der amerikanische Staat auf deutsche Daten in US-Clouds zugreift?
Durch den US Cloud Act können US-Behörden per Gerichtsbeschluss auf Daten zugreifen, die von US-Unternehmen oder deren Tochtergesellschaften kontrolliert werden – auch wenn die Server in Europa stehen. Zwar gibt es seit 2023 das EU-US Data Privacy Framework, doch dessen Belastbarkeit ist umstritten. Selbst Microsoft hat 2025 eingeräumt, dass ein vollständiger Ausschluss von US-Zugriffen nicht garantiert werden kann. Die Gefahr ist also real.
Wie wichtig ist deutsche oder europäische Datensouveränität?
Ich halte Datensouveränität für essenziell. Das Bewusstsein für die Risiken, wenn Daten außerhalb Europas liegen, ist deutlich gestiegen. Zwar basiert das deutsche Datenschutzrecht weitgehend auf europäischem Recht, doch die Umsetzung und der Vollzug unterscheiden sich innerhalb der EU, wodurch Unterschiede beim Datenschutzniveau resultieren. Im Cloud-Bereich gibt es mittlerweile verbindliche EU-Richtlinien sowie mit Gaia-X eine europäische Initiative, die ein vertrauenswürdiges, interoperables Datenökosystem schaffen will.
Warum hinkt Deutschland beim Cloud-Angebot den USA hinterher?
Der europäische Markt ist stark fragmentiert. Es fehlen Skalierungseffekte, wie sie US-Unternehmen durch Risikokapital und frühe Globalisierung nutzen konnten. In Deutschland war die Risikobereitschaft geringer – sowohl bei Investoren als auch bei Kunden. Viele Unternehmen waren anfangs zurückhaltend gegenüber der Cloud. Zudem fehlte lange die nötige Infrastruktur, etwa beim Breitband. Auch heute sind unsere Rechenzentren oft nicht auf dem Niveau der US-Hyperscaler. Das wirkt sich auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Cloud-Angebote aus.
Welche Rolle spielt die Politik dabei?
Es ist schon viel passiert in den letzten Jahren. Es wurden Leitplanken gesetzt wie die Datenschutz-Grundverordnung DSGVO und der AI Act. Es ist richtig und wichtig, dass wir uns in Europa frühzeitig mit ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen digitaler Technologien auseinandersetzen. Diese politische Debatte schafft Vertrauen und klare Leitplanken, verzögert aber auch, weil viele Interessen berücksichtigt werden müssen. Gaia-X ist ein gutes Beispiel: sinnvoll in der Idee, aber langsam in der Umsetzung. US-Unternehmen konnten deutlich schneller agieren, weil sie früh kompromisslos auf Wachstum und Marktanteile gesetzt haben.
Was kann der Staat tun?
Weniger Stückwerk, mehr strategische Ausrichtung. Wir brauchen eine starke europäische Cloud-Infrastruktur europäischer Anbieter statt vieler Einzelinitiativen. Hierbei sollte die öffentliche Verwaltung als Vorbild vorangehen – mit klaren Strategien und mehr Mut zu Innovation.
Was für einen Einfluss haben Universitäten?
Einen sehr großen. Viele Tech-Giganten sind aus Universitäten hervorgegangen – nicht durch staatliche Fördermittel, sondern durch den Zugang zu Infrastruktur, Netzwerken und Talenten. Auch in Deutschland ist die Forschungslandschaft exzellent, etwa im Bereich Künstliche Intelligenz. Was jedoch oft fehlt, ist der erfolgreiche Transfer dieser Forschung in marktfähige Produkte. Das liegt unter anderem an geringer Risikobereitschaft, bürokratischen Hürden und der noch zu schwachen Verbindung zwischen Wissenschaft und Unternehmertum. Universitäten könnten hier eine viel stärkere Rolle als Innovationsmotor spielen.
Das Gespräch führte Tanja Heil.