125 Jahre Kalkwerke Oetelshofen - Was die Wirtschaft braucht
Es war der 27. Februar 1900, der gleich doppelt in die Geschichte eingehen sollte. Zum einen wurde der FC Bayern München gegründet, zum anderen die Kalkwerke Oetelshofen in Wuppertal. Einblicke in einen der bedeutendsten Kalkproduzenten der Region.
Das heute in fünfter Familiengeneration geführte Unternehmen ging aus einem landwirtschaftlichen Hof hervor, der bereits in alten Karten von 1750 eingezeichnet ist und einen kleinen Steinbruch benachbarte. „Das war ganz typisch für die Zeit, dass jeder Hof seinen Kalk selbst gebrannt hat, den er für seinen Betrieb benötigte“, erklärt Geschäftsführer Till Iseke. Noch heute erinnert das Gelände an die Anfänge. Fachwerkhäuser und große Wiesen grenzen an den Steinbruch, ein großer Teil der Eigentümerfamilie lebt hier, anliegend gibt es viele Mitarbeiterwohnungen. „Diese Verbundenheit zur Region und dieses familiäre Miteinander ist bis heute in unserer DNS“, so Iseke.
Heute ist Oetelshofen Kalk das einzige unabhängige Familienunternehmen der Branche in der Region, das es aus der Blütezeit des 19. Jahrhunderts noch gibt. „Die Kalkwerke sind zusammen mit der Eisen- und Stahlindustrie im Ruhrgebiet groß geworden. Es gab viele Steinbrüche und Kalkwerke und Zusammenschlüsse der einzelnen Betriebe unter den Dächern der Stahlkonzerne“, erklärt der 35-Jährige.
„Ein Sprichwort lautete damals: „Entweder man arbeitet bei den Aktien – oder beim Bauern, sprich bei uns.“ 100 Mitarbeiter hat das Unternehmen derzeit, Auszubildende zu Industriemechanikern und Elektronikern werden für 2026 gesucht.
Rund 100 Hektar ist das Gelände groß, die „Grube Osterholz“, so die offizielle Bezeichnung, nimmt davon knapp 70 Hektar ein. In ein bis zwei Sprengungen pro Woche wird das Festgestein dort herausgelöst und anschließend aufbereitet. Zum einen zu Kalk in verschiedenen Korngrößen. Dieser findet sich dann beispielsweise im Beton oder in Asphaltdecken wieder. „Oder der Kalk wird als feingemahlenes Kalksteinmehl zur Rauchgasreinigung in Verbrennungsanlagen genutzt.“
Das Kerngeschäft jedoch ist das Herstellen von Brandkalk, wofür der gewonnene Kalkstein auf 1.200 Grad erhitzt wird. „Brandkalk ist ein Grundstoff und es gibt kaum einen industriellen Prozess, in dem dieser nicht benötigt wird. Ob in der Glas, Papier-, Eisen-, Stahl- oder Chemieindustrie“, erklärt Till Iseke. „Der Brandkalk steht am Anfang vieler industrieller Wertschöpfungsketten.“ Aber auch in Baustoffen, wie Mörtel oder Putz, ist dieser zu finden. „Eine ganz wichtige Aufgabe hat er im Umweltschutzanwendungen, da er die Eigenschaften von Löschpapier hat und ungewünschte Stoffe bindet und ausfiltert.“ So wird Brandkalk beispielsweise auch in der Trinkwasseraufbereitung genutzt.
Zwei Millionen Tonnen Material werden jährlich aus dem Steinbruch gewonnen. Darunter auch sogenanntes Nebengestein, das auf Abraumflächen neben dem Steinbruch aufgehaldet wird. „Es handelt sich um unbelastetes Gestein. Nach und nach werden diese Flächen renaturiert, so dass sich die Halden irgendwann in das Landschaftsbild einfügen und nicht mehr als solche erkennbar sind“, so Iseke.
Zu den größten Herausforderungen zählen die Themen Energie und CO2-Ausstoß. „Wir beschäftigen uns mit biogenen Brennstoffen als Alternative zu den fossilen. Zudem sind wir eine sehr CO2-intensive Produktion. Unter anderem haben wir daher bereits in zwei hocheffiziente Brennöfen investiert. Die globalen Veränderungen sind für uns schwierig und unplanbar. Nicht nur, was uns direkt betrifft, auch unsere Kunden, wie zum Beispiel die Auswirkungen der Automobilindustrie auf die Eisen- und Stahlindustrie. Negative Entwicklungen treffen am Ende auch uns“, so Iseke, der das Unternehmen gemeinsam mit Arnd Heringhaus führt, dem ersten externen Mitglied innerhalb der Geschäftsführung.
Doch auch Themen abseits der Kalkgewinnung sind für das Familienunternehmen wichtig. Dazu zählt vor allem der Artenschutz. „Wir haben kürzlich die Plakette als ‚Amphibienfreundlicher Betrieb‘ verliehen bekommen“, so der Geschäftsführer. „Uns ist es wichtig zu zeigen, dass unser Steinbruch auch ökologische Benefits bietet. Viele wissen gar nicht, dass der Steinbruch ein Ersatzhabitat für die Flora und Fauna ist.“ Die Tiere und Pflanzen, die dort angesiedelt sind, können auf der Internetseite eingesehen werden.
Text: Desirée Brünger