Vegetarische Alltagsgerichte - Westasiatische Kochtraditionen
Seit Mai bietet „Out’n Tisch” in Elberfeld vegane und vegetarische Küche mit mediterranen Einflüssen. Die bunten Wochenmenüs folgen dem Konzept: Täglich frisch, gesund und günstig.
Es ist bereits geschlossen, als Gülay Türk die Tür zu ihrem Lokal öffnet. Der Raum empfängt in einem sonnigen Gelbton, die Besitzerin schiebt schnell noch einen Apfelkuchen in den Ofen. Die Mischung aus antiken Stühlen mit Wiener Geflecht, die sie selbst restauriert hat, und orientalischen Motiven weckt Fernweh.
Die 36-Jährige arbeitete früher in der Nähe und ging häufig bei dem Vormieter „Mangi Mangi“ essen. Noch vor einem Jahr war die studierte Sozialarbeiterin als Referentin für politische Bildungsarbeit tätig und als Hobbyköchin schon lange für ihre Einladungen unter Freunden bekannt. Zunehmend kam bei ihr der Wunsch auf nach einer körperlich aktiven Arbeit möglichst weit weg von Theorie und Computer. Zwischen September, als sie sich zum ersten Mal nach dem Mietpreis erkundigte, und der Eröffnung Ende Mai vergingen gerade mal knapp zehn Monate.
2013 floh Gülay Türk aus der Türkei nach Deutschland, ihre Eltern blieben zurück. Den Mumm und nicht zuletzt ihre Kochkünste verdankt sie ihren Eltern: Als Gülay 16 war, durfte sie zusammen mit ihren Geschwistern in die nahegelegene Stadt im Süd-Westen der Türkei ziehen, um auf eine höhere Schule gehen zu können. „Ich bin meinen Eltern für diese Chance sehr dankbar“, erzählt sie. Alleine leben hieß auch kochen. Die Familie besaß einen eigenen Gemüsegarten und Olivenbäume – Vielfalt im Essen war für die Kinder klare Sache.
Gülay Türk kocht mit viel Kreativität, Bauchgefühl und Liebe. „Ich bin mit einer sehr dominanten Fleischkultur aufgewachsen“, sagt Türk, aber in ihrem Lokal wollte sie bewusst darauf verzichten – „in türkischen und arabischen Restaurants wird viel Fleisch angeboten und dabei haben wir so viele andere coole Sachen. Diese Gerichte wollte ich sichtbar machen.“ Dazu gehören neben gefüllten sonnengetrockneten Auberginen auch gefüllter Weißkohl, Linsenfrikadellen oder Augenbohnensalat. Die bunten Kreationen aus Gemüse und Hülsenfrüchten werden täglich frisch zubereitet, vom Einfrieren und Fast Food hält die Köchin nichts. Eventuelle Reste stellt das Team bei der App „Too Good To Go“ rein. Ob überdimensionierter Fleischkonsum oder die Saisonalität beim Kochen — die Lokalbesitzerin will zum Denken anregen. Das Wortspiel im Namen „Out’n Tisch“ ist vielsagend: „Wir bleiben authentisch, kreativ, versuchen nicht, perfekt zu sein.“
Arabische, türkische, kurdische Rezepte fließen in die Küche von „Out’n Tisch“ mit ein, aber Gülay Türk positioniert sie als westasiatisch und wechselt damit den Blickwinkel: „Von Europa aus gesehen ist es der Nahe Osten. Dort, wo ich herkomme, ist es Westasien.“ Außer kulinarischer Vielfalt birgt ihre Heimatregion auch viele politische Konflikte, aber Türk glaubt, dass Essen auch versöhnende Wirkung haben kann: „Wenn wir unsere Küche miteinander gestaltet haben, dann schaffen wir das auch bei anderen Dingen.“ Zu den Herausforderungen, die sie persönlich zu stemmen hatte, gehörte mitunter Bürokratie. Rund ein halbes Jahr dauerte es, bis sie zuletzt ihren Aufenthaltstitel bei der Ausländerbehörde verlängern konnte, und ohne gab es keine Bankkredite für das Lokal. „In der Wirtschaft kommt man mit solchen Wartezeiten nicht weit. Wenn meine Freunde nicht da gewesen wären, hätte ich meinen Plan nicht realisieren können.“
Text: Evgenia Gavrilova