Buchhandel im Wandel - Kundenbindung und Beratung

Der stationäre Buchhandel hat zuletzt mehr Umsatz gemacht – deutschlandweit 4,08 Milliarden Euro. Grund dafür sind aber nicht gestiegene Absatzzahlen. Den Buchhändlern der Region geht es gut, sie kennen jedoch die Herausforderungen für den Buchhandel.

„Wir können für uns sagen, dass unsere Zahlen stabil sind. Wir halten unseren Umsatz“, sagt Ingo Klaus, Inhaber der Schatzinsel in Solingen. Die Menge der Kassenbons gehe zwar ein wenig zurück, der Wert sei jedoch gestiegen. Etwas, das auch die Zahlen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels belegen: Für 2024 bewegte sich das Absatzminus bei 2,2 Prozent, der Durchschnittspreis der verkauften Bücher nahm um 3,1 Prozent zu. „Endlich haben die Verlage das gemacht, was wir Buchhändler schon seit Jahren fordern. Sie haben die Preise erhöht“, so der 60-Jährige. „Ich habe mir selbst schon nicht mehr zuhören können, wenn ich das bei Verlagsvertretern angemerkt habe. Aber es wurde einfach Zeit, dass genau das passiert.“ Seit 20 Jahren sei er selbstständig mit seiner Buchhandlung vor Ort, eine Zeit, in der diesbezüglich nichts passiert sei. „Überall haben sich in den Jahren die Preise erhöht. Nur im Buchhandel hat es keine Entwicklung gegeben. Dabei steigen für uns Händler die Kosten in allen Bereichen und wir müssen das auch irgendwie auffangen“, erklärt Ingo Klaus mit Blick beispielsweise auf die steigenden Energiepreise, Versicherungen und Personalkosten, um nur einige zu nennen.

„Ich habe damals Hardcover-Bücher für 54 DM verkauft, die kosten heute 28 Euro. Daran kann man die Stagnation gut erken­nen.“ Preisdiskussionen vor Ort habe er jedoch so gut wie gar nicht, auch wenn die Preise durchaus sprunghaft angestiegen seien. „Der ein oder andere schluckt vielleicht kurz, wenn er die höheren Preise bei den Taschenbüchern oder den Hardcovern sieht, am Ende verstehen es die Kunden aber.“

Arndt Halbach, Sprecher der Bergischen Buchhandlung R. Schmitz in Remscheid-Lennep, geht sogar noch einen Schritt weiter. „Es gab endlich eine Preiserhöhung, aber es ist noch nicht die, die wir Buchhändler wirklich bräuchten, um die vielen Preissteigerungen in anderen Bereichen auszugleichen.“ Trotzdem freue man sich, dass es überhaupt diesen Schritt gab. „Wir sind da ja aufgrund der Buchpreisbindung auf die Verlage angewiesen. Wir selbst können die Preise für die Bücher nicht erhöhen.“ Auch der Börsenverein betont, dass die Lage auf dem Buchmarkt, wie in der gesamten Wirtschaft, weiterhin stark angespannt sei. Trotzdem könne die Buchbranche in diesen schwierigen Zeiten an die positiven Umsätze des Vorjahres anknüpfen.

Und in diesen durchaus turbulenten Zeiten hat Kerstin Hübner den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Vor einem Jahr, im August 2024, hat sie die Buchhandlung Laurenz & Luise am Wuppertaler Laurentiusplatz eröffnet. „Ja, man muss schon ein wenig verrückt sein, um das zu machen“, sagt die 47-Jährige, die ihre Leidenschaft für Bücher zum Beruf gemacht hat. „Eigent­lich wollte ich Medizin studieren. Verschie­dene Gründe haben aber dazu geführt, dass ich eine Ausbildung zur Buchhändlerin gemacht habe und ich mich am Ende dafür entschieden habe, in diesem Beruf zu bleiben. Obwohl ich später die Chance bekommen habe, das Medizinstudium zu beginnen.“

Lange hat die dreifache Mutter im Angestelltenverhältnis gearbeitet. „Als ich dann im Jahr 2022 mit 44 Jahren Oma wurde, habe ich mich gefragt, ob es das jetzt war“, sagt sie mit einem Lächeln. Sie hat die Augen offengehalten und bekam dann die Chance, am Standort der alteingesessenen Buchhandlung „Klaus v. Mackensen“ neu zu gründen. „Ich habe hier ein allgemeines Sortiment, aber mit einem Schwerpunkt auf Kinder- und Jugendbüchern“, erklärt sie ihr persönliches Konzept. „Ich möchte gerne gemeinsam mit den Familien wachsen, quasi als Lebensbegleiter.“ Gerade auch mit Blick auf die „schwindende Lesekompetenz“ in Deutschlands Haushalten. „In maximal 35 Prozent der Haushalte wird heute noch vorgelesen. Dabei bekommen die Kinder gerade dadurch ein Gefühl für Sprache“, bedauert sie.

Die aktuellen Zahlen des Börsenvereins machen hier jedoch Hoffnung: Gerade junge Menschen zwischen 16 und 29 Jahren griffen immer häufiger zum Buch. Diesen Trend können auch die heimischen Buchhändler, wie Kerstin Hübner, bestätigen. Zwar sei bei ihr der Umsatz eher in der Altersgruppe danach, bei der klassischen Belletristik stark, der sogenannte Young Adult-Bereich sei jedoch „ein regel­rechter Hype“, der etwa vor fünf bis sechs Jahren begonnen habe. „Das muss ich als Buchhändlerin natürlich beobachten und ich schaue auch, dass ich die aktuellen Sachen vorrätig habe. Die Themen sind aber mitunter schon schwierig und ernst und müssen genau betrachtet werden. Grundsätzlich bin ich aber froh, dass junge Menschen so wieder mehr ans Lesen kommen.“ Wie viele aus der Generation dann den Sprung in die „normale Belletristik“ schaffen, müsse man sehen.

Ein Trend, den auch Ingo Klaus in Solingen beobachtet. „Diese Altersgruppe sorgt für Umsatz bei uns. Hier können wir auch noch von unseren jungen Kundinnen und Kunden lernen.“ Diese seien häufig ganz nah dran an den Autorinnen und Autoren, folgten diesen auf Social-Media-Kanälen wie TikTok oder Instagram und seien daher „schon fast besser informiert als wir. Die wissen dann genau, was sie wollen. Hier geht es ja nicht nur ums Lesen, sondern auch um das Haben. Die Bücher sind auch wirklich schön gemacht und da spielt das Drumherum eine ganz große Rolle.“

Er selbst versuche, so gut wie möglich auf dem neuesten Stand zu bleiben. „Ich habe eine Kollegin, die bei TikTok unterwegs ist. Dadurch haben wir einen gewissen Einblick“, sagt der Buchhändler, der sich über diese Entwicklung freut. „Die Altersgruppe kommt in Buchhandlungen, hat keine Berührungsängste und ist offen für den Buchhandel.“

Arndt Halbach aus Lennep beschreibt diese Entwicklung gar als „sensationell“. „Wir merken das total und müssen dieses Genre auch anbieten können. Hier handelt es sich um Sammelprodukte, nicht ‚nur‘ um Bücher für die junge Generation“, bestätigt er die Meinung seiner Kollegen aus den anderen Städten. Er habe zum Glück eben­falls Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in dieser Welt unterwegs sind. „Das ist wichtig, um sich auf die neu gewonnene Zielgruppe einstellen zu können. Da findet dann in den Filialen ein regelrechter Austausch über den Verkaufstresen statt.“ Ein Austausch, der nicht nur im Bereich der Jugendliteratur ein Pfund für den stationären Buchhandel ist. Nicht zuletzt, um sich auch weiterhin erfolgreich gegenüber dem Onlinehandel zu behaupten. „Wir haben auch einen kulturellen Auftrag und schaffen es, junge Familien mitzunehmen und das über Jahre und Generationen. Das schafft ein Onlineanbieter so nicht“, so Arndt Halbach.

Er betont aber auch, dass die Stadtzentren, in denen sich die Buchhandlungen befinden, eine große Rolle spielen. „Ein guter Einzelhandel ist wichtig für uns. Ein Discounter neben uns bringt uns nichts. Eine Parfümerie schon.“ Etwas, das auch Ingo Klaus von der Solinger Schatzinsel so unterschreibt. „Die Stadt als Einkaufsraum ist wichtig für die Kunden. Viele wollen ihre Einkäufe kombinieren. Wenn sie nebenan ein gutes Brot beim heimischen Bäcker kaufen können, gehen sie auch in die Buchhandlung eine Tür weiter.“ Trotzdem betonte auch Ingo Klaus, dass das große A und O die Beratung und Kundenbindung vor Ort ist. „Die muss einfach gut sein. Die Menschen müssen merken, dass man ihnen helfen möchte.“

Kerstin Hübner bezeichnet all diese Benefits als „Einkaufen plus“. Das Gesamtpaket müsse stimmen. Dazu gehörten auch die Schnelligkeit und digitale Erreichbarkeit des heimischen Buchhandels. „Ohne Online-Shop kann heute keiner von uns überleben. Die Menschen wollen auch außerhalb der Geschäftszeiten bestellen. Und viele wissen glaube ich gar nicht, wie schnell wir hier sind. Bücher, die in unseren Online-Shops bis ca. 18:30 Uhr bestellt werden, sind am nächsten Morgen um 9 Uhr in der Filiale vor Ort abholbereit. Und wir reden hier über rund 1,3 Millionen Bücher, bei denen das so möglich ist.“ Etwas, das auch für Solingen und Lennep gilt.

„Der deutsche Buchhandel musste früh rea­gieren. Aber wir sind gut aufgestellt“, so Arndt Halbach. Man merke auch, dass Bestellungen über den eigenen Onlineshop deutlich zunehmen. Den Trend stellt auch Ingo Klaus in Solingen fest. „Den meisten Umsatz machen wir nach wie vor lokal. Aber auch gut zehn Prozent über unseren Onlineshop. Hinzu kommen Bestellungen per Mail. Wir merken, dass die Arbeitszeit dafür deutlich zugenommen hat.“ Es sei einfach wichtig, dass jeder Kunde beim Händler vor Ort so sein Buch kaufen könne, wie er möchte. „Wir waren ja quasi die ersten, die von einem großen Online-Riesen angegriffen wurden. Aber wir sind Dank guter Reaktion stabil geblieben und fürch­ten den Onlinehandel nicht.“ Auch eBooks haben alle drei Buchhandlungen in ihrem Sortiment. „Die galten ja damals als Sargnagel des Buchhandels. Das haben sie nicht geschafft. Wir vermarkten sie, aber eher als Randthema“, so Arndt Halbach. Ähnlich sieht es in Wuppertal und Remscheid aus. „Die machen bei uns vielleicht drei Prozent des Umsatzes aus“, bestätigt Ingo Klaus. Und während Arndt Halbach, der noch weitere fünf Buchhandlungen im bergischen Raum betreut, weiß, dass es auch von Ort zu Ort unterschiedlich ist, was die Menschen lesen, sind sich in einem alle einig, die Wuppertaler, Lenneper und die Solinger: Das Herzstück vor Ort ist und bleibt die Belletristik, deren deutschlandweiter Umsatz im Jahr 2024 ein Wachs­tum von 4,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen hatte.

Text: Desirée Brünger

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