Neue Stadtspitzen im Bergischen - Frische Impulse
Prof. Detlef Sack forscht an der Bergischen Universität Wuppertal zu Demokratietheorie und Regierungssystemen. Er glaubt, dass die neuen Führungskräfte den Städten gute Impulse geben können.
Wir haben jetzt relativ junge Oberbürgermeister, zumindest in Solingen und Wuppertal. Was erwarten die Wähler davon?
Junge Bürgermeister und Bürgermeisterinnen haben den großen Vorteil, dass sie nicht lange in der öffentlichen Verwaltung sozialisiert worden sind und neue Impulse und Ideen einbringen können in die Verwaltung, in die Politik, aber natürlich auch in die Kommunalparlamente. Trotzdem werden sie im Oberbürgermeisteramt natürlich auch sozialisiert. Das ist zunächst mal eine große Verwaltung, der sie vorstehen – in Wuppertal sind das rund 5.000 Leute, die organisiert werden müssen. Da müssen sie ihre Ideen, ihre Inspirationen zunächst ein Stück weit hintenan stellen gegenüber den Routinen, die eine Verwaltung nun mal auch hat.
Auch ohne persönlich bekannte Kandidierende gab es einen starken Zuwachs der AfD – was sagt das über die Region und die Wählenden?
Unsere Region liegt damit im Landesdurchschnitt. Das Bergische Städtedreieck kann sich ja nicht entkoppeln von der allgemeinen Stimmung. Die AfD ist erfolgreich in einem Milieu von Modernisierungsverlierern wie aber auch Mittelschicht, die einfach ihre Interessen und chauvinistischen Haltungen verteidigen will. Und bei Personengruppen, denen es relativ gut geht, die aber einer Erzählung folgen, die in düsteren Zukunftsszenarien einmündet. Anfällig für die AfD sind sozioökonomische Problemlagen mit schlechter Infrastruktur. Dabei spielt auch eine Rolle, wie über die Stadtviertel geredet wird.
Die Parteien der Mitte haben verloren, die am Rand dazugewonnen. Was bedeutet das für die Handlungsfähigkeit der Kommunalparlamente?
Die Handlungsfähigkeit der Kommunalparlamente wird hergestellt darüber, dass die Parteien der demokratischen Mitte gemeinsam miteinander über Probleme reden müssen und darin initiativ werden müssen. Sie müssen Impulse setzen. Das ist auch die Herausforderung für die jungen OBs, dass sie ausbalancieren zwischen neuen Impulsen und der Aufrechterhaltung guter Verwaltung und dass sie es schaffen, die Ratsmitglieder mitzunehmen. Wichtig ist, dass sie konkrete Initiativen für bestimmte Problemlagen haben und sich nicht verkämpfen in starren Koalitionen.
Also sollten sie die Leute mit Überzeugungen hinter sich versammeln?
Ja, und man kann durchaus sagen, vielleicht auch in einer Minderheitskoalition im Modus des Einladens. Dann werden die Themen immer wieder neu diskutiert. Die Parteien verlieren derzeit aus meiner Sicht mit starren Koalitionen.
Was für eine Wirtschaftspolitik ist jetzt mit diesen Stadträten zu erwarten?
Hoffentlich eine unterschiedliche, weil sie ja unterschiedliche politische Farben haben. Das sollte auch in unterschiedliche wirtschaftspolitische Programme münden. Sonst müsste man nicht wählen. Trotzdem ist das Bergische Städtedreieck eine Region, in der man sich durchaus gemeinsam über Wirtschaftspolitik verständigen muss. Die IHK bietet dabei eine Plattform für die Wirtschaft, um Problemlagen zu benennen und sie bei OBs und Stadträten dringlich zu machen. Am besten möglichst konkret. Es liegt eine Chance darin, dass die neuen Leute den Input aus Verbänden, von Stakeholdern, aber auch aus der Wissenschaft hier in der Region mitnehmen. Also eine Neupositionierung des Bergischen Städtedreiecks in einer europäischen Ökonomie. Gleichzeitig müssen die Kernaufgaben erledigt werden, die üblichen Klassiker wie Baugenehmigungen, Energie, Digitales, KI … Es geht aber auch um Fragen wie: Wie verändern wir Bildungs- und Ausbildungsstrukturen? Wo kommen die Fachkräfte in der Region her? Wie ist das Verhältnis von Neugründungen zu Betriebsübergaben? Es ist eine wichtige Aufgabe der Kommunalpolitik, bei all diesen Problemen zu unterstützen.
Das Gespräch führte Tanja Heil.