- Starthilfe für starke Kids
Der Verein Chance_8 fördert die 8samkeitsgruppen der Alten Feuerwache Wuppertal. In denen finden sozial und emotional belastete Kinder eine neue Heimat. Dabei holt Chance_8 auch die Unternehmen aus dem Städtedreieck mit ins Boot.
Die Alte Feuerwache in Wuppertal ist seit über 30 Jahren eine feste Anlaufstelle für Kinder aus einkommensschwachen Familien in der Nordstadt. Dabei geht es nicht nur um materielle Ausstattung wie Kleidung, Wohnung oder Ernährung, sondern auch um die sozialen und emotionalen Aspekte. Im Alltag der betroffenen Familien fehlen zum Beispiel Rückzugsmöglichkeiten aufgrund zu kleiner Wohnungen, kalkulierbare Tagesstrukturen oder sichere emotionale Bindungen. Dadurch weisen etliche der Kinder signifikante Stressbelastungen und hohe Depressionswerte auf. Um dem entgegenzuwirken wurde 2011 in Kooperation mit dem Lions Club Wuppertal-Bergisch Land das Konzept der 8samkeitsgruppen entwickelt – und wissenschaftlich begleitet.
Das Konzept basiert auf Erkenntnissen der Resilienzforschung und der neurobiologischen Wissenschaften, wonach das wirksamste Gegenmittel für derartige Lebenssituationen stabile soziale Beziehungen sind. Dem folgend bieten die 8samkeitsgruppen jeweils acht Kindern einen familienähnlichen Rahmen mit einer kalkulierbaren Tagesstruktur und festen Bezugspersonen. Die Gruppengröße von acht Teilnehmenden folgt dabei den pädagogischen Erfahrungswerten der Alten Feuerwache.
Die Kinder kommen jeden Tag, meist direkt nach der Schule, in die Alte Feuerwache und werden in allen wichtigen Belangen liebevoll unterstützt. Das hilft ihnen dabei, an schulischen Bildungsprozessen teilzunehmen, den Stress zu reduzieren und Konflikte zu bewältigen. Auch die enge Zusammenarbeit mit den Eltern, den Schulen und weiteren Fachstellen gehört fest zum Konzept.
Das Projekt wurde seit dem ersten Tag von einem interdisziplinären Evaluationsrat begleitet und unter entwicklungspsychologischen Aspekten untersucht. In umfangreichen Tests wurden die Kinder vor allem in Bezug auf ihre Stressvulnerabilität, Stressbewältigungsstrategien und ihr Depressionsaufkommen untersucht. Das Ergebnis der Evaluation ließ keine Zweifel aufkommen: Bereits nach zwölf bis fünfzehn Monaten zeigten die Kinder der 8samkeitsgruppe signifikante Verbesserungen in den klinisch relevanten Tests. Das Stress- und Depressionserleben der Kinder nahm deutlich ab und sie konnten positive Bewältigungsmuster in ihrem Alltag etablieren.
Da die Alte Feuerwache zu allen, mittlerweile teils volljährigen Gruppenmitgliedern bis heute Kontakt hat, lässt sich auch die weitere Entwicklung der Kinder gut beurteilen. Nahezu alle Gruppenmitglieder haben den anvisierten Schulabschluss nicht nur erreicht, sondern sogar überholt. Sie befinden sich heute in stabilen Lebenssituationen. Mit Blick auf die hoch belasteten Umstände während der Kindheit war das keineswegs erwartbar. Die 8samkeitsgruppe ist also nachgewiesenermaßen ein echtes Erfolgskonzept.
Für Rainer Giehler, Vorstandsvorsitzender des Vereins Chance_8, war das Grund genug, dieses Vorhaben tatkräftig zu unterstützen: „Ich bin überzeugt, dass die 8samkeitsgruppen eine echte Chance für diese Kinder sind, in ein normales Leben durchzustarten.“ Zahlreiche Mitstreiter teilten seine Überzeugung. Heute engagieren sich insgesamt 138 Mitglieder im Verein.
Zu den wohl bekanntesten zählen die in Wuppertal lebenden Schauspieler Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer, die kurz nach der Gründung die Schirmherrschaft übernommen haben. Das Ehepaar engagiert sich aktiv für die Belange der hochbelasteten Kinder und versteht sich nicht nur als prominentes Aushängeschild des Vereins. Dazu gehören zum Beispiel mehrere TV-Auftritte, die üppige Spendengelder zur Folge hatten, oder auch ganz persönliches Engagement. So zum Beispiel Harald Krassnitzers intensiver Einsatz im Rahmen des Leuchtturmprojekts „Türöffner“ der Chance_8. Aber dazu später mehr.
„Mit dem Projekt Türöffner ermöglichen wir den Kindern niedrigschwellige Einblicke in die Berufswelt, die ihnen ansonsten verwehrt wären“, erklärt Rainer Giehler. Als Türöffner werden jene Unternehmen bezeichnet, die solche Einblicke im Rahmen eines „Schnuppertages“ ermöglichen. Zahlreiche namhafte Unternehmen aus dem Städtedreieck und darüber hinaus haben sich nach dem Start des Projekts im Jahr 2023 bereits angeschlossen und wurden nach erfolgreicher Teilnahme mit dem inzwischen begehrten Türöffner-Award ausgezeichnet. Weitere stehen bereits in den Startlöchern.
Die Türöffner-Tage ermöglichen den teilnehmenden Kindern Einblicke in verschiedenste Berufe und bieten damit eine wertvolle Ressource der außerschulischen Bildung. Im Fokus stehen dabei die Stärkung der Persönlichkeit und des Selbstbewusstseins, das Abbauen von Hemmschwellen gegenüber Arbeitgebern und der Wirtschaft sowie das Wecken von Interesse und Motivation für die eigene berufliche Zukunft. Für die Unternehmen ist es darüber hinaus eine willkommene Möglichkeit, um sich als engagierter Arbeitgeber zu positionieren und das eigene Tätigkeitsfeld potenziellen Bewerber:innen vorzustellen.
Das Projekt wird durch den Fachbereich Soziologie der Bergischen Universität wissenschaftlich begleitet. „Die Kinder haben im Rahmen der Türöffner-Tage die Chance, mit vielen verschiedenen Berufsfeldern in Kontakt zu kommen“, so Vincent Utech, Projektleiter in der Alten Feuerwache und erster Ansprechpartner für die Aktion Türöffner. Utech ist von Anfang an mit im Team der Chance_8 und engagiert sich auf vielen Ebenen. Von der Organisation über den Kontakt zu den Firmen und der pädagogischen Begleitung der Aktionstage bis hin zur externen Kommunikation.
Im Sommer öffnete das Wuppertaler Von der Heydt-Museum seine Türen für die Kinder der 8samkeitsgruppen. Und das nicht nur einen Tag lang, sondern gleich eine ganze Woche. Geplant und begleitet wurde diese Kooperation von Schirmherr Harald Krassnitzer. Thematischer Schwerpunkt war die Interpretation des populären Bildes „Der blaue Fuchs“ des Malers Franz Marc. Vincent Utech: „Die Kinder erlebten Harald Krassnitzer in diesen Tagen als jemanden, der sie zum Nachdenken anregt, sie liebevoll motiviert, ihre Arbeit schätzt und zu fast jedem Schabernack bereit ist.“ Die im Rahmen des Projektes entstandenen Werke wurden im Anschluss als Postkarten gedruckt. In einem beiliegenden Booklet kann man die ganz persönlichen Gedanken der Kinder zum Werk nachlesen.
Mitte November machte die Chance_8 durch eine andere Aktion auf sich aufmerksam. Mit dem Benefizkonzert „Achtung!“ füllte der Verein den großen Saal des Wuppertaler Rex Filmtheaters. Federführend für die künstlerische Ausgestaltung des Abends war Dörte Bald, die stadtweit in erster Linie für ihre Kunstfigur Dörte aus Heckinghausen bekannt ist. Als langjährige Unterstützerin der Alten Feuerwache war dieses Konzert für sie eine Herzensangelegenheit. Und es war ihr Auftakt als neues Vorstandsmitglied im Verein.
Zusammen mit Dörte Bald standen weitere Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne, die sich allesamt selbst seit vielen Jahren für die Arbeit der Alten Feuerwache stark machen. So zum Beispiel das Singer-Songwriter-Duo Annika Boos und Marco Lombardo, das mit seinen emotionalen Songs das Publikum berührte. Aber auch die Altrocker von Uncle Ho und die Ensemblemitglieder der Barmer Küchenoper brachten „den ausverkauften Saal im Rex zum Kochen“, wie Dörte Bald es ausdrückte. Ein voller Erfolg für die Spendenkasse des Vereins und damit auch für die Kinder der 8samkeitsgruppen. Sogar einige neue Mitstreiter konnten an dem Abend gewonnen werden.
„Wir freuen uns immer über neue Mitglieder und das Engagement jedes Einzelnen“, so Rainer Giehler. „Ohne eine ordentliche Portion ehrenamtliche Arbeit wäre das alles nicht möglich.“ Mittelfristig verfolgt der Verein Chance_8 mit seinen Aktivitäten das Ziel, die pädagogische Arbeit in den Wuppertaler 8samkeitsgruppen auf eine stabile finanzielle Basis zu stellen. Mit Blick auf die Zukunft hat Giehler aber noch eine andere, größere Vision: „Wir möchten das erfolgreiche Konzept der 8samkeitsgruppen auch in anderen Regionen etablieren und weiter ausbauen.“ Dafür suche man aktuell noch verlässliche Partner. Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass das auch gelingt.