Fahrradstrecken - Eine echte Alternative?
Um Radfahren attraktiv zu machen, müssen sichere Wege für Radfahrer entstehen. Das führt oft zu Konflikten mit Autofahrern und kostet Geld. In vielen Gremien wird intensiv über das Thema diskutiert.
Die Menschen sollen aufs Fahrrad umsteigen und dadurch CO2 einsparen. Dafür sind sichere und schnelle Fahrradwege wichtig. Doch der Platz in den Städten ist begrenzt. Überall im Städtedreieck wird diskutiert, wo und wie bessere Fahrradrouten gebaut werden können. Schließlich schneiden die Städte in Umfragen und Tests wie dem vor kurzem veröffentlichten ADFC-Fahrradklima-Test meist schlecht ab. Verbesserungen funktionieren jedoch nur durch die Umwandlung von Parkplätzen oder Fahrstreifen für Autos. Das führt zu Konflikten. An anderen Stellen mangelt es an Geld und Detailplanung. Alle Bergischen Städte nehmen sich des Themas in Radverkehrskonzepten oder Mobilitätskonzepten an, oft mit Beteiligung der Bürger. Auch für Unternehmen spielt die gute Erreichbarkeit mit dem Fahrrad eine immer wichtigere Rolle.
Wie stark eine gute Radverbindung den Umstieg aufs Fahrrad fördert, zeigt in Wuppertal die Nordbahntrasse: Seit sie existiert, fahren deutlich mehr Menschen mit dem Rad als vorher. Bei der Erweiterung gehen aber die Meinungen auseinander: Die Unternehmen zwischen Langerfeld und Beyenburg wünschen sich einen Ausbau der so genannten Langerfeldtrasse. Die Wuppertalbewegung, die die Nordbahntrasse umgesetzt hat, findet diese Strecke touristisch zu unattraktiv und lehnt eine Beteiligung ab. Der Verein „Neue Ufer Wuppertal“ versucht, die Umsetzung der Radtrasse voranzutreiben, wirft dabei jedoch der Stadt mangelnde Kooperationsbereitschaft vor. Das Unternehmen 3M Deutschland GmbH liegt direkt an der Langerfeldtrasse und unterstützt die Umwandlung der Bahnstrecke zum Radweg. Es stellt etwa eine Baustraße über das Werksgelände zur Verfügung, damit der nahe gelegene Tunnel saniert werden kann. „Eine wichtige Voraussetzung für die regelmäßige Nutzung des Rads sind unserer Ansicht nach gute Radwege“, sagt Pamela Albert, PR-Spezialistin von 3M Deutschland. „Die Werksleitung unterstützt den Ausbau der Infrastruktur am Standort.“ Neben der Hoffnung auf eine Anbindung an die Trasse hat das Unternehmen auch überdachte Abstellplätze und Lademöglichkeiten für E-Bikes mit grünem Strom geschaffen. So ist die Zahl der Mitarbeitenden, die mit dem Rad pendeln, in den vergangenen Jahren spürbar gestiegen. Inzwischen kämen im Sommer rund zehn Prozent der Mitarbeitenden mit dem Rad. Noch mehr sind es bei Muckenhaupt & Nusselt: Rund ein Drittel der Belegschaft nutzt das zu Jahresbeginn eingeführte Jobrad. Viele Mitarbeiter kommen seitdem mit dem Rad zur Arbeit und haben die Vorteile schätzen gelernt. „Wir erhalten viele positive Rückmeldungen“, freut sich Christian Muckenhaupt.
Greenpeace und die Interessensvertretung „Miteinander Füreinander Heckinghausen“ haben zudem einen Radwegering ins Gespräch gebracht, der von der Nordbahntrasse aus über die Langerfelder Trasse, den Scharpenacken, die Ronsdorfer Anlagen, die Königshöhe und die Sambatrasse einmal rund um Wuppertal führt. Sie hoffen auf eine Umsetzung als Buga-plus-Projekt. Die Initiative „Wuppertalaktiv!“ hat die Neue Effizienz beauftragt, Fördermöglichkeiten dafür zu suchen.
Die Zusammenführung der verschiedenen Bergischen Radtrassen ist auch ein Anliegen des 2020 gegründeten Vereins „Bergischer Brückenschlag“. Er schlägt einen rund 60 Kilometer langen Rundweg vor durch Verbindung der Solinger Korkenziehertrasse mit der Balkantrasse in Remscheid und der Nordbahntrasse in Wuppertal. Dafür sind vor allem neue Verbindungen nötig von Solingen-Gräfrath nach Solingen-Schaberg, von Schaberg nach Remscheid-Güldenwerth, von dort nach Remscheid-Lennep und von Lennep über Lüttringhausen zur Schwarzbachtrasse. „Alle Maßnahmen haben die volle politische Unterstützung und sind in der Verwaltung in Arbeit. Für den Lückenschluss in der Verbindung von Solingen nach Remscheid, die Müngstener Brücke, ist eine Machbarkeitsstudie von der Verwaltung Remscheid in Auftrag gegeben“, erklärt Gerd Münnekehoff, Vorsitzender vom Bergischen Brückenschlag e. V. Die Idee ist, auf der Müngstener Brücke, unterhalb der Gleise, einen Radweg einzurichten.
Intensiv diskutiert wird eine gute Fahrradverbindung zwischen Solingen und Ohligs. Die Stadt hat drei mögliche Routen geprüft und eine Streckenführung über die Beethoven- und Merscheider Straße als beste identifiziert. Auch der ADFC stimmt dieser Meinung zu. IHK-Präsident Henner Pasch hat schon auf dem Solingen-Empfang 2021 eine Fahrradstrecke auf der Viehbachtalstraße ins Gespräch gebracht – um so die nie vollendete Stadtautobahn sinnvoll zu beleben. Er denkt dabei auch daran, die anliegenden Gewerbegebiete für den Rad-, aber auch den Lieferverkehr erreichbar zu machen. Im Vergleich bevorzugt er diese Wegeführung noch immer. Sein Argument: „Es kann nicht unser Ziel sein, eine Veloroute auf eine viel befahrene Straße zu packen, zwischen O-Busse und Lastwagen, und mit ganz vielen Einmündungen und Ampeln.“ Dort könnten sich unsichere Radfahrer nicht wohl fühlen. Stattdessen möchte er auf der Viehbachtalstraße je eine der beiden Auto-Spuren entfernen und dort, gut abgetrennt von der Straße, einen Fahrradweg schaffen. An geeigneten Stellen, so die Idee, sollten dann Überführungen kreuzungsfreie Radwege über die Straße schaffen, um Gewerbegebiete, Wohngebiete und Schulen anzubinden. „Natürlich kostet das viel mehr als die vom ADFC geforderte Route – aber nur dort werden sich die Radfahrer sicher fühlen!“ Aus seinem eigenen Unternehmen Fourtexx weiß er, dass nur wenige Menschen bereit sind, aufs Fahrrad umzusteigen, weil ihnen das Risiko zu hoch ist. Wie stark die Gesellschaft noch umdenken müsse, macht Pasch an einem anderen Beispiel deutlich: An der Ausfahrt seines Geländes wird ihm ein Spiegel nur erlaubt, um Autos zu erkennen – nicht, um Fahrradfahrer rechtzeitig zu sehen. Die Diskussion um die Routenführung für den Radverkehr wird weitergehen: Ende Mai haben FDP und CDU in Solingen eine Strecke vorgeschlagen, die vor allem über Nebenstraßen geführt werden soll.
Wie relativ die Fahrrad-Anbindung von Unternehmen bisher ist, zeigen die Zahlen der BIA Kunststoff- und Galvanotechnik GmbH & Co. KG, die direkt an der von Pasch gewünschten Trasse in Solingen liegt: Von 850 Mitarbeitenden haben trotz regelmäßiger Werbung nur rund 30 das Angebot angenommen, ein E-Bike über das Unternehmen zu leasen. Offenbar sehen es die Menschen als wenig attraktiv an, diesen Weg per Fahrrad zurückzulegen. Dabei versucht BIA, Anreize zu schaffen: Neben den bereits vorhandenen Abstellmöglichkeiten in der Fuhrparkgarage wird in Kürze eine neue Freizeit- und Solar-Carport-Fläche gebaut, in der E-Bikes auch mit Solarstrom geladen werden können. „Wir bemühen uns im Rahmen unserer Klima- und Nachhaltigkeitsstrategie sehr darum, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu mehr Nutzung von Fahrrädern und öffentlichen Verkehrsmitteln zu motivieren“, sagt Firmeninhaber Jörg Püttbach, dem das ein persönliches Anliegen ist. Immerhin hat er beobachtet, dass inzwischen im Sommerhalbjahr mehr Mitarbeitende mit dem Rad zur Arbeit kommen als noch vor einigen Jahren. Eine sichere Anbindung an die Solinger Innenstadt könnte den Anreiz erhöhen.
Mit Verbreitung der E-Bikes werden sichere Abstellmöglichkeiten für Radfahrer immer wichtiger. Das haben auch die Städte erkannt. Remscheid hat nun Radboxen am Bahnhof Lennep installiert. Am Wuppertaler Hauptbahnhof gibt es sie schon seit 2020. In den Innenstädten und an Veranstaltungsorten werden immer mehr Radbügel gebaut, an denen sich Räder sicher anschließen lassen. Neben sicheren Radwegen spielt auch das Angebot von Elektrofahrrädern im Bergischen Land eine große Rolle bei der Attraktivität des Radfahrens. „Der Absatz von E-Bikes ist in den letzten Jahren stetig gestiegen, der von Fahrrädern ohne Motor nimmt ab“, erklärt Jörg Heuser, der beim Remscheider Fahrradhändler Radsport Nagel für den Bereich Leasing zuständig ist. Ebenfalls sehr beliebt bei großen und kleinen Unternehmen sei die Möglichkeit, über den Arbeitgeber ein E-Bike zu leasen. „Hier ist die Nachfrage in den vergangenen fünf Jahren sehr stark gewachsen“, sagt Jörg Heuser.
Schwierig sei es jedoch, genügend Fachpersonal für die Wartung all dieser Fahrräder zu bekommen, bedauert Heuser. Zwar bildet Radsport Nagel jedes Jahr aus und findet dafür auch immer genügend Anwärter; auf dem freien Markt seien ausgebildete Werkstattmitarbeiter jedoch kaum zu finden. Immerhin seien die größten Lieferengpässe inzwischen ausgeräumt – auch wenn noch nicht alle Teile so gut verfügbar sind wie früher.
Text: Tanja Heil