Industrie und Forschung - Moleküle aus dem Computer
Das Solinger Unternehmen Cam-D Technologies gestaltet Moleküle mit Hilfe von Computersimulation. Die Uni-Ausgründung hat unter anderem einen Geruchsabsorber für die chemische Industrie entwickelt.
Auch wenn Dr. Hubert Kuhn in einer Art Labor arbeitet – einen Kittel oder eine Experimentierbrille braucht der Diplom-Chemiker bei seiner Arbeit nicht. Dafür muss der geschäftsführende Gesellschafter der Cam-D Technologies GmbH in Solingen bevorzugt in IT-Technik investieren und dafür sorgen, dass das Netzwerk ohne Probleme läuft. In seiner Firma im Stadtteil Ohligs betreibt er ein digitales Labor, in dem er Computersimulationen laufen lässt, die in Rechenverfahren den Aufbau eines Moleküls nachbilden und verändern. Die Forschungsergebnisse können dann in Zusammenarbeit mit realen Laboren zur Entwicklung von chemischen oder pharmazeutischen Produkten genutzt werden.
Cam-D ist die Abkürzung für „Computer Aided Molecular Design“ – also ein mit einem Computer generiertes molekulares Design. 2002 wurde die Firma als Spin-off der damaligen Uni Essen gegründet, 2016 hatte Kuhn sie in Solingen registriert. Erfahrungen mit Computersimulationen in der Forschung sammelte der Chemiker bereits um die Jahrtausendwende. „Eigentlich wollte ich an der Uni Essen habilitieren“, erinnert sich Kuhn, der zuvor an der Uni Münster sein Studium absolviert hatte. Aus der weiteren akademischen Karriere wurde dann allerdings nichts, weil die Tätigkeit als Unternehmer dazwischenkam und die Perspektiven an der Uni nicht so vielversprechend waren. Hubert Kuhn hatte um die Jahrtausendwende auf Auftragsbasis für die chemische Industrie Wirkstoffe in Computersimulationen entwickelt, die etwa in der Kosmetik eingesetzt wurden. Auf Basis dieser Erfahrungen gelang ihm im Laufe der Jahre die Entwicklung eines Moleküls, das Gerüche absorbieren kann. Das Produkt – ein weißes Pulver - absorbiert unangenehme Gerüche und kann in Reinigern, Sprays oder Waschmitteln eingesetzt werden.
Seit 2014 wird der Geruchsabsorber über Lohnhersteller an drei Standorten in Deutschland produziert und an die Industrie zur Weiterverarbeitung ausgeliefert. „Damit machen wir einen Umsatz von einer Million Euro im Jahr“, erklärt Kuhn. Dieses Standbein erlaubt es dem kleinen Unternehmen sich auf „ausgewählte Projekte“ zu beschränken, betont der Firmengründer. Eines davon ist derzeit ein Forschungsvorhaben der Universität Erlangen-Nürnberg zur Entwicklung eines Impfstoffes, der auf Basis der mRNA-Technologie arbeitet und als Schluckimpfung verabreicht werden soll. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Projekt mit drei Millionen Euro – an dem Forschungsvorhaben sind neben der Uni noch eine Forschungseinrichtung und drei Firmen beteiligt.
Auch wenn die Frage nach der Versorgung der Bevölkerung mit Vakzinen mit dem Ende der Corona-Pandemie aus der öffentlichen Diskussion verschwunden ist – die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen, die möglichst leicht gelagert und transportiert werden können, bleibt ein wichtiges Thema, erklärt Kuhn. Schließlich könnten die Impfstoffe noch in der Behandlung etwa von Krebs eingesetzt werden. Bei seinen Projekten arbeitet Kuhn immer wieder mit Hochschulen aus der Region zusammen, derzeit betreut er zwei Doktoranden der Uni Duisburg-Essen. Der Vorteil eines digitalen Labors für die Forschung sei groß, erklärt er. „Wir sehen an einem Computer die molekulare Struktur eines Stoffes sehr gut.“ In Zusammenarbeit etwa mit Algorithmen, die von einer Künstlichen Intelligenz generiert werden, könnten so neue Strukturen von Molekülen entwickelt und auf ihren Nutzen überprüft werden.
Text: Michael Bosse