IHK-Sommerempfang - Die Hoffnung nicht verlieren
Fast 900 Gäste waren der Einladung zum IHK-Sommerempfang in die Historische Stadthalle Wuppertal gefolgt. Prof. Michael Hüther (IW Köln) und IHK-Präsident Henner Pasch analysierten die strukturellen Probleme Deutschlands. Bei aller Kritik sehen beide Grund zur Hoffnung. Tim Kamrad war der musikalische Stargast des Abends.
Erleben wir gerade „das Ende der europäischen Moderne“, die durch die Industrialisierung entstanden ist? Davon zeigte sich Prof. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, überzeugt. Vieles, was die Wirtschaft bisher stabilisiert habe, ändere sich bereits.
Die größte Herausforderung sei die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Transformationen. Einerseits das Ende der fossilen Energien, andererseits das Schrumpfen der Erwerbspersonenpotenziale. Es müssen also neue Energieträger erschlossen und die Wirtschaft darauf umgestellt werden, außerdem müsse die Wirtschaft das mit immer weniger Menschen umsetzen. Hüther hat Hoffnung, dass das gelingt. Einerseits mit Wasserstoff als Energieträger, andererseits mit der Bereitschaft zu mehr Arbeit. Er sprach von zwei Stunden pro Person und Woche. Zusätzlich müsse es genug Geld geben. Und da hat er einen klaren Wink an die Bundesregierung gegeben. Er forderte Investitionen – und beklagte, dass wir stattdessen „eingemauert in die Schuldenbremse“ seien. Die sei mit den aktuellen Herausforderungen nicht vereinbar und habe sich mittlerweile eher zu einer Ideologie entwickelt, die sachpolitisch nicht mehr begründbar sei. Hüther forderte zudem, die Diskussion um den Industriestrompreis zu beenden, der sei „ganz in Ordnung“ und sorge für Sicherheit beim Strompreis für die energieintensiven Branchen. Außerdem sprach Hüther darüber, dass es mehr Freiräume für Mitarbeiter in Verwaltungen geben müsse. Das Problem seien nicht die Regeln an sich, sondern, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Ermessensspielräume hätten. Gerade für Regionen wie das Bergische Land sieht Hüther viel Potenzial – würden doch die traditionell hergestellten Waren und vor allem das Wissen aus der Industrie weiter benötigt. Die Produkte aus Deutschland seien erfolgreich und die Prozesse und die Kenntnisse seien bei der Transformation unverzichtbar.
IHK-Präsident Henner Pasch, der die Halbzeit seiner Amtszeit feiern konnte, analysierte die wirtschaftlichen und politischen Probleme und deren Auswirkungen auf die Demokratie. So kritisierte Henner Pasch das Heizungsgesetz der Regierung als unnötig. Angebot und Nachfrage würden – bezahlbare Energien vorausgesetzt – von selbst wirken und den Markt regulieren. Auf diese Marktmechanismen setze die Regierung viel zu wenig. Er nannte etwa die Ausweitung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes „zerstörerisch“, wegen des noch weiter gesteigerten bürokratischen Aufwands. Mit solchen Regulierungen würde die Regierung den Wirtschaftsstandort gefährden und Innovationen unterbinden. „Wir tun aktuell alles, um unsere ehemals führende Stellung als Industrienation abzuschaffen und aufzugeben“, so Pasch. Durch die überbordende Bürokratie und immer kleinteiligere und detailliertere Vorschriften und Verbote sieht Pasch die Gefahr, dass immer mehr Wertschöpfung in andere Erdteile abwandert statt in Deutschland stattzufinden. Der IHK-Präsident plädierte für weniger Regulierung und mehr Eigenverantwortung in der öffentlichen Verwaltung.
Am Beispiel erneuerbarer Energien machte Pasch deutlich, wo Deutschland sich selbst ein Bein stellt: Wer Windräder bauen wolle, um die nötige Energiewende voranzubringen, müsse die wenigen, aber schweren Teile zum Bauort transportieren. Meist mit dem LKW. Aber die Brücken sind vielfach marode – Sanierungen und Neubauten erfolgten erst nach jahrelangen Prüfungen und langwierigen Planungen. Zudem müsse man als Logistikunternehmen in jedem Bundesland andere Vorschriften für Schwerlasttransporte beachten. So machte Pasch die Zusammenhänge zwischen Klima- und Energiekrise, Verkehr und Bürokratie deutlich.
Pasch sprach sich für eine deutliche Planungs- und Prozessbeschleunigung in den Verwaltungen aus. Und für intelligente und moderne Lösungen – wie andere Länder sie etwa nach Corona initialisiert haben: „Andere Länder nutzen die Coronapandemie, um ihr gesamtes Gesundheitswesen und die öffentliche Verwaltung zu digitalisieren, wir entwickeln eine Corona-Warn- und eine Corona-Impfpass-App für alle Corona-Impfungen (3) und alle diesbezüglichen digitalen Prozesse (keine) in diesem Zusammenhang. Die Apps sind heute Datenmüll.“
Nur wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setze, könne die notwendige Transformation gelingen. Pasch forderte weniger Bürokratie, weniger Regeln, geringere „Maßstäbe, Anforderungen und Standards“. Die bisher hohen Hürden und langen Verwaltungsakte seien mit daran schuld, dass Probleme nicht angegangen und gelöst werden würden. „Unsere aktuellen gewählten Politikerinnen und Politiker und auch die sich dahinter befindlichen Verwaltungen und administrativen Ebenen bekommen sehr viele der einfachsten Dinge nicht mehr geregelt. Bürgerinnen und Bürger – und auch Unternehmer sind ja Bürger – glauben nicht mehr daran, dass wir die wirklich wichtigen großen Dinge schaffen, weil auch im Kleinen einfach nicht mehr viel reibungslos funktioniert.“ Und das führe zum größten Problem: Er warnte, dass das wahrgenommene Versagen der Politik in all diesen Bereichen zum wachsenden Politikverdruss beitrage und die politischen Ränder stärke. Er machte deutlich, dass hierin eine ganz große Gefahr für die Demokratie liege.
Der IHK-Präsident machte sich für deutlich unterscheidbare Meinungen der demokratischen Parteien stark, für einen transparenten öffentlichen Diskurs, abseits der Social Media-Blase – und für mehr Ideen auf dem Weg, Bürokratie abzubauen. Pasch erinnerte daran, dass alle wählen können und das auch tun sollten – und schlug den Bogen zur IHK-Wahl 2025. Er bat die Unternehmen sich schon jetzt zu überlegen, sich aufstellen zu lassen und Verantwortung zu übernehmen.
Bei aller Kritik verwies Pasch auch auf die Potenziale im Bergischen Städtedreieck das starke industrielle Herz der Region, die anstehenden Großprojekte wie Buga 2031 in Wuppertal und das Outlet-Center in Remscheid-Lennep. Pasch wünscht sich dafür eine konstruktiv-kritische Begleitung durch Wirtschaft, Politik und die Verwaltungen – wenn dort alle Führungspositionen wieder besetzt sind. Denn: „Abgänge von Dezernenten und Geschäftsführern und gescheiterte Nachbesetzungen prägen das Bild der letzten Monate.“ Pasch forderte alle auf: „Lassen Sie uns weiter gemeinsam das tun, was auch unsere Vorfahren im Bergischen Land immer getan haben: Die Herausforderungen heute und in Zukunft effizient, innovativ, kreativ und pragmatisch und mit Mut angehen. Uns nie unterkriegen lassen, sondern immer weitermachen und besser und insbesondere schneller werden.“
Dass es Grund zur Hoffnung für die Wirtschaft gibt, konnte auch Michael Wenge, Hauptgeschäftsführer der Bergischen IHK, in seiner Begrüßung deutlich machen. Er verwies auf 1.200 Beratungsgespräche für Existenzgründerinnen und -gründer bei der Bergischen IHK, auf fünf nahezu ausgebuchte Veranstaltungen der Reihe „Photovoltaik auf Gewerbedächern“, die Ausbildungskampagne „#könnenlernen“ oder die bundesweite Resonanz auf das Papier der Rheinischen IHKs zum Zustand der Brücken in der Region.
Wenge freut sich, nach den Coronajahren wieder mit so vielen Gästen feiern zu können und vor allem auch über den Auftritt des Wuppertaler Musikstars Tim Kamrad beim Empfang. Er performte unter anderem seinen Hit „I believe“ und sorgte vor und nach den Redebeiträgen für ausgelassene Stimmung und stehende, klatschende und tanzende Gäste.
Im Garten der Historischen Stadthalle kamen im Anschluss die Gäste zusammen zum Essen, Trinken und Netzwerken bis in den späten Abend. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung draußen von den Gitarristen Sascha Blejwas und Alex Cluet.
Text: Eike Rüdebusch