Weiterbildung - Mehr Wissen
Die Arbeitswelt verändert sich: neue Themen, neue Technologien, neue Prozesse – und zu wenig Fachkräfte. Weiterbildung ist essenziell, um diesem Wandel zu begegnen. Anbieter unterstützen Unternehmen in vielfältiger Weise. Wichtig ist: keine Scheu vor diesem Weg!
Beruflicher Aufstieg, höheres Einkommen, Neues lernen und den eigenen Horizont erweitern: Laut „DIHK-Erfolgsstudie 2023“ sind das im Bergischen Städtedreieck wie auch bundesweit die drei Hauptgründe, sich beruflich weiterzubilden. Seit 1970 ermitteln die Industrie- und Handelskammern rund alle fünf Jahre den Weiterbildungserfolg unter ihren Absolventen einer Höheren Berufsbildung. Etwa neun von zehn würden in der Retrospektive den gleichen Abschluss nochmals machen, mehr als die Hälfte plant zusätzliche Qualifizierungen oder Weiterbildungen, davon 41 Prozent ebenfalls in der Höheren Berufsbildung. 93 Prozent der Befragten brachte ihre jeweilige Weiterbildung persönliche Entwicklungsvorteile.
So wichtig gerade jüngeren Generationen Wohlbefinden und Standing im Arbeitsumfeld sind, so essenziell ist Weiterbildung in diesen Zeiten für die Wirtschaft: Nur über das Lernen bleiben wir up-to-date, werden wir neuen Anforderungen angesichts Digitalisierung, innovativer Technologien und Prozesse gerecht. Joachim Beck, Geschäftsführer des Wuppertaler Beratungsunternehmens Beck und Consorten GmbH, formuliert das so: „Lernen in Zeiten des Wandels ist so wichtig, weil die Halbwertszeit des Wissens kürzer wird.“ Und zwar schon bei der Ausbildung: Sich als angehender Kfz-Mechatroniker zum Beispiel zwei Jahre lang mit der Kupplungsfunktion zu beschäftigen, sei womöglich gar nicht sinnvoll, wenn es in ein paar Jahren nur noch E-Autos mit Automatik-Getriebe gebe. Beck und sein Team entwickeln Strategien, Organisationen und Personal in Unternehmen, um bei Herausforderungen rund um Marketing und Vertrieb zu unterstützen, oft über eigene Methoden und Lösungen. Seit zwölf Jahren etwa läuft ein überbetriebliches Personalentwicklungsprogramm, das Beck zufolge neue Maßstäbe in der Personalentwicklung von Nachwuchskräften und Potenzialträgern setzt. „Inzwischen haben wir es mit weiteren überbetrieblichen Formaten ergänzt, zum Beispiel zum Führen in Zeiten der Veränderung.“
Vor zwei Jahren gründete das Unternehmen das „Zentrum für lustvolles Lernen“, in dem neue Ansätze der Weiterbildung erprobt würden. „Wir sind überzeugt, dass Weiterbildung neu gedacht werden muss“, sagt Beck. Ausschlaggebend: Lernende aus der „Konsumhaltung“ hin zu erlebnisorientiertem Know-how-Erwerb zu führen. So regen kurze, spielerische Übungen zu einem Transfer in die jeweilige Berufswelt an. Life-Hack-Formate helfen, sich Inhalte besser zu merken. Lernen erlernen. „Meta-Qualifikationen wie diese sind enorm wichtig“, sagt Beck. Sie führten das Individuum zu der Sicherheit, dass es in der Lage ist, flexibel zu reagieren, sich neue Methoden anzueignen, sich zu verändern, agil zu arbeiten, Probleme zu lösen. „Ein heißes Thema auch in der Führungskräfteentwicklung: Trotz mangelnder Sicherheit im Außen, trotz ungewisser Zukunft im Rahmen von aktiver Ambiguitätstoleranz Zuversicht zu vermitteln und proaktiv-empathisch zu führen – entsprechend dem Individuum.“
Alexander Lampe, Geschäftsführer des Berufsbildungszentrums der Remscheider Metall- und Elektroindustrie GmbH (BZI), bestätigt die Notwendigkeit, sich nicht auf dem Status quo auszuruhen. Betriebe müssten sich für die kommenden Jahre sicher aufstellen, dabei die Demografie berücksichtigen: Ein Großteil der Beschäftigten scheidet altersbedingt aus, neue Talente sind zunehmend rar. „Die meisten Unternehmen stehen vor technischen Umbrüchen, müssen Verfahren und Prozesse optimieren, Investitionsentscheidungen treffen. Für neue Maschinen braucht es fähige Mitarbeitende, im Technischen wie im Kaufmännischen.“ Die zu gewinnen, erfordere eine gezielte Strategie.
Umgekehrt müssten diejenigen Beschäftigten, die sich mit ihrem bisherigen Fachwissen „fest im Sattel“ glaubten, davon überzeugt werden, sich ihrerseits auf die Zukunft vorzubereiten. Zu diesem Zweck rief das BZI Pilotprojekte ins Leben, unter anderem mit der Firma Knipex. „Man muss sich gemeinsam auf den Weg machen. Dazu braucht es Leuchttürme, die zeigen, das man es schaffen kann.“ Passenderweise lautet das Motto des BZI: „Zukunft bilden!“ Waren die Angebote noch vor wenigen Jahren mehrheitlich technisch geprägt, unterstützt das BZI-Team nun nicht mehr nur fachlich, sondern auch individuell, wie Lampe schildert. „Etwa bei der Identifikation von Potenzialen. Wir begleiten diese heterogene Gruppe an Fach- und angelernten Hilfskräften sozialpädagogisch, um Hemmnisse abzubauen und ihnen Spaß an Aus- und Weiterbildung zu vermitteln. Außerdem beraten wir Unternehmen zum Kostenmanagement von Weiterbildungsmaßnahmen und unterstützen bei Förderanträgen.“
„In einer extrem dynamischen Welt müssen Unternehmen Mitarbeiter stets auf dem Wissensstand halten, der sie zu der Leistung befähigt, die der Betrieb benötigt“, sagt Stefan Kirschsieper, Vorstand der Technischen Akademie Wuppertal e. V., kurz TAW. Mehr als 10.000 Menschen jährlich bilden sich dort in neun Themengebieten weiter, per Seminar, Lehrgang oder Studium, in Präsenz oder online. Seit 1985 ist die TAW Bildungswerk der Bergischen IHK. „Gerade KMU kann es schmerzen, im Tagesgeschäft zugunsten von Weiterbildung tagelang auf Personal zu verzichten“, sagt Kirschsieper.
„Aber es ist eine Investition in die Zukunft. Nur so lässt sich Wertschöpfung langfristig erhalten. Keine Weiterbildung führt früher oder später zum Stillstand – das ist keine unternehmerische Lösung.“ Auch das vermeintliche Risiko, Mitarbeiter, die plötzlich mehr wüssten, an einen neuen Arbeitgeber zu verlieren, sei kein Grund, die Herausforderung nicht anzunehmen. „Im Zweifel machen sie Verbesserungsvorschläge, von denen der Betrieb profitiert.“ Trage der Arbeitgeber die Weiterbildungskosten, könne man etwa vertraglich regeln, dass der Mitarbeiter bei unmittelbar danach erfolgter eigener Kündigung einen Teil des Betrags an seinen Arbeitgeber zurückzahlen müsse. Kirschsieper: „Allen muss klar sein, dass Fachkräftemangel Wirtschaftswachstum verhindert.“ Bildung sei nicht nur Kapital im Sinne von Wissen, sondern auch von Demokratie. „Wenn viele wissen und nicht nur wenige, funktionieren Organisationen besser.“
Weiterbildung zahlt sich aus, für Lernwillige ebenso wie für Unternehmen“, resümiert Carmen Bartl-Zorn, Geschäftsführerin des Bereichs Aus- und Weiterbildung der Bergischen IHK. Mitarbeiter erarbeiteten sich so unter anderem mehr Verantwortung in ihrem Arbeitsfeld. Arbeitgeber entwickelten top ausgebildete Fach- und Führungskräfte, indem sie Beschäftigte zu Weiterqualifizierungen animierten, sie dafür freistellten und die Maßnahmen idealerweise finanzierten. Aus den eigenen Reihen – für die eigenen Reihen. Bei karrierebewussten Mitarbeitern diene Weiterbildung als Bindungsinstrument. „Zeitgleich gewähreistet sie die Qualität des eigenen Personals. In Fachkräfte muss ein Unternehmen genauso investieren wie in die Anschaffung neuer Maschinen.“
Und eine weitere Botschaft hat Bartl-Zorn: „Beschäftigte benötigen nicht zwangsläufig ein berufsbegleitendes Studium. Abschlüsse der Höheren Berufsbildung sind akademischen Bachelor- und Master-Abschlüssen ebenbürtig und zudem sehr praxisorientiert.“ Sie umfassten Inhalte, um den Herausforderungen aktueller Mega-Trends zu begegnen. Inzwischen verfügen hierzulande mehr als 2,5 Millionen Erwerbstätige über einen Abschluss der Höheren Berufsbildung. Bartl-Zorn: „Bis 2045 die Transformations- und Klimawende zu schaffen, ist eine große Herausforderung und braucht viel Fachkompetenz. Deshalb muss Weiterbildung stärker in unseren Fokus rücken.“
Politisch bewegt sich ebenfalls etwas: Im Juli stimmte der Bundesrat dem neuen Weiterbildungsgesetz zu, um die Spanne an Optionen zur Förderung beruflicher und arbeitsmarktorientierter Aus- und Weiterbildung zu erweitern. Auch als Reaktion auf den Strukturwandel. Fazit: Nur mit qualifizierten Fachkräften lassen sich Wohlstand und Wirtschaftswachstum in Deutschland sichern. Qualifizierungschancen zu nutzen, wird für Unternehmen jeder Größe unabdingbar, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Fachkräftenachwuchs zu sichern. Neu-, Weiterentwicklung, Re-, Up-, Cross- und Multi-Skilling, Entwicklung von Sozialkompetenzen: Herausforderungen, denen sich Beteiligte besser heute als morgen stellen. „Es ist nicht von einem Tag auf den anderen Tag alles anders“, sagt TAW-Vorstand Stefan Kirschsieper. „Weiterbildung ist ein Prozess. Je eher der Anstoß, desto leichter der Weg in die Zukunft.“
Text: Tonia Sorrentino