Tourismus - Durchstarten im Städtedreieck
Erst Corona, dann Sommerflut. Für den Tourismus im Bergischen Städtedreieck waren die letzten Jahre schwer. Die Zahlen vom Frühjahr 2023 zeigen jedoch einen äußerst positiven Trend.
Die Tourismusbranche in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr von der Corona-Krise erholt. Die Menschen reisen wieder, es scheint, als würden sie nachholen wollen, was in den letzten Jahren nicht möglich war. Auch deutsche Tourismusdestinationen liegen im Trend. Nordrhein-Westfalen schneidet dabei im deutschlandweiten Vergleich gut ab: NRW erzielte knapp fünf Prozent mehr Übernachtungen im April 2023 als im April 2019 – die drittstärkste Veränderungsrate. Mit 6,7 Millionen Ankünften hielt Nordrhein-Westfalen in den ersten vier Monaten des Jahres Rang 2 im Bundeslandvergleich. Das sind 1,3 Prozent mehr bei den Ankünften als 2019.
Ein Blick auf das Bergische Städtedreieck – „Die Bergischen Drei“: Im Monat April 2023 konnten acht nordrhein-westfälische Regionen eine positive Veränderungsrate erzielen. Die Gewinne lagen hier zwischen 1,6 Prozent im Sauerland und 22 Prozent im Münsterland. Das Bergische Städtedreieck lag bei +3,2 Prozent. „Bei den Übernachtungen im April 2023 erzielten die städtischen Regionen ein kräftiges Plus von 6,7 Prozent gegenüber April 2019, die ländlichen Regionen lagen 3,4 Prozent über dem Vorkrisenwert. Dies ist insbesondere der starken Nachfrage aus dem Inland zu verdanken, wobei die städtischen Regionen auch bei den ausländischen Übernachtungen über dem Vorkrisenwert lagen“, so der Dachverband Tourismus NRW, bei dem auch „Die Bergischen Drei“ Mitglied sind. Die Niederländer stellen die stärkste Gruppe der Touristen. „Die Zahlen bestätigen, dass wir mit unserer digitalen Werbekampagne und dem Messeauftritt in den Niederlanden im Frühjahr richtig gelegen haben“, sagt Sylke Lukas, die das Marketing für „Die Bergischen Drei“ betreut.
Die Finanzierung dieses Maßnahmenpakets ist durch Fördermittel für den Bergisches Land Tourismus Marketing e. V. (BLTM) möglich geworden. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte 2021 im Rahmen der „Recovery Assistance for Cohesion and the Territories of Europe“-Initiative (REACT), die zur Unterstützung der Krisenbewältigung im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie dienen soll, Mittel für die digitale Transformation im Tourismus zur Verfügung gestellt.
Der BLTM hat diese Mittel auch genutzt, um neue Zielgruppen anzusprechen, insbesondere jüngere Menschen. Entwickelt wurde die Zeitreise-App, die die Besucher eintauchen lässt in die Geschichte der Region, die wichtige Charaktere porträtiert und 360°Industriekulturerlebnisse ermöglicht mittels Augmented und Virtual Reality. So stellen sich beispielsweise der Schwebebahn-Entwickler Eugen Langen, der Industrielle Reinhard Mannesmann, Erfinder des nahtlosen Stahlrohres oder ein einfacher Schleifer als animierte Figuren in der App neugierigen Fragen und geben Auskunft über ihr Schaffen. Die 3D-Protagonisten sind zum einen Menschen, die die typischen historischen Gewerke der Region repräsentieren – Feilenhauer, Schleifer oder Liewerfrau – zum anderen sind es berühmte Industrielle und Erfinder, die ebenso für die Geschichte der Städte Remscheid, Solingen und Wuppertal stehen: Wilhelm Conrad Röntgen, Graf Engelbert oder Friedrich Bayer. Darüber hinaus werden die Geschichten animiert erzählt von dem jungen Zirkus-Elefanten Tuffi, der 1950 aus der Schwebebahn stürzte oder von Anton von Rieppel, dem leitenden Ingenieur und Konstrukteur der Müngstener Brücke.
Egal, wie man sich durch die Region bewegt, „melden“ sich per GPS-Push potenzielle Erzählerfiguren in der Nähe, und man kann mit dem Smartphone eine AR-Gesprächsszene abrufen oder mit einem Cardboard zusätzlich VR-Szenen starten – die Standorte sind unterschiedlich inszeniert. Wer kein Cardboard zur Hand hat, kann sich die Szenen trotzdem als 360°-Version auf dem Handy anschauen. Die Cardboards sind bei den Bergischen Drei in Solingen (Kölner Str. 8), bei der Touristinformation in Wuppertal und in Remscheid im Deutschen Röntgen-Museum zu erhalten. Sie sind faltbar, das Smartphone kann eingelegt werden.
Die App bietet zudem auch Informationen zu touristischen Highlights wie zum Deutschen Werkzeugmuseum, zum Wipperkotten, zum Engels-Haus, zur Müngstener Brücke oder zum Museum Gesenkschmiede Hendrichs. Mittels 360°-Fotos erhalten NutzerInnen einen Vorgeschmack auf einen Besuch von industriegeschichtlich relevanten Locations in der Region. Alle Erlebnispunkte sind in einer Übersichtskarte hinterlegt. Ausgewählte Wanderrouten – Liewerfrauenweg, Erlebnisweg Wupper, Röntgenweg, Tuchmacherstadt – werden angeboten, auf denen man die AR- und VR-Zeitreisen erleben kann. Die App bietet auch direkten Zugang zu dem digitalen Reiseplaner der Bergischen Drei. Umgesetzt wurde die App von Excit3d aus Solingen.
Die Chancen für mehr Touristen im Bergischen Städtedreieck stehen gut, haben doch letztlich auch die Debatten über Klimawandel und Overtourism Einfluss auf das individuelle Reiseverhalten. „Vor diesem Hintergrund wird zunächst der regionale Tourismus an Attraktivität gewinnen: Kurze Wege und Naherholung vermitteln ein Gefühl der Sicherheit – ebenso wie vertraute Kulturkreise emotionale Sicherheit versprechen“, prognostizierte das Zukunftsinstitut in einer Trendstudie. „Tourismus stellt sich gerade neu auf. Eswerden Destinationen gesucht, die neue Erfahrungen, menschliche Begegnungen und positive Emotionen versprechen – jenseits des Massentourismus‘. Daran kann auch das Städtedreieck mit seiner touristischen Strategie anknüpfen“, so Uta Schneider, Vorsitzende des Bergisches Land Tourismus Marketing e. V.
Text: Anette Kolkau